[21. Kapitel]

Wie der Keyser gen Laleburg reiset / vnd vnterwegen einen Lale fand / der Käß vnd Brot asse: auch

wie er seye empfangen worden.

[84] Als der Keyser auff dem weg nach Laleburg gewesen / vnd nahe darzu kommen war / fand er auff dem Feld einen Schäffer / an seinen Stab sich lähnend / der hat in der einen[84] hand ein stuck Brot / das war gantz schwartz vnd grob / von rauhen Kleyen gebachen /welches da es der Keyser gesehen / sagt er zu jhm: Du hast rauhes schwartzes Brot. Ja / antwortet der Lale /wanns besser were / so näme ichs auch an. Wie kanstu es essen / sagt der Keyser / vnd darvon geleben. Da muß ichs / antwortet der Lale widerumb / mit diesem Käß (den er inn der andern Hand zeiget) vbertuyfflen. Also zog der Keyser fort / vnd hatte gelehrnt / wie man das schwartze Brot solt wolgeschmackt machen.

Nun habt jhr / liebe Herrn / zuvor gehört vnd verstanden / welcher massen der Keyser den Laleburgern durch sein Gesandten zuentboten / wann sie jme könten auff seine ersten Wort / so er zu jnen sprechen wurde / rheymenweis antworten / vnd jme halb geritten vnd halb gegangen entgegen kämen / so wölte er jnen jr altes herkommen bestetigen / vnd noch viel mehr Freyheiten dar zu geben. Solches hat die gantze Gemein bey dem Weyn / zu welchem sie der Pfaff /als obsteht / geführt / wol erwegen / vnd fleissig bedacht / wie die sach wurde anzugreiffen sein.[85]

Nun hatten sie die Frag / vber welche sie rhatschlagen solten / in zwen theil abgetheilet / damit sie deste besser könten darauß kommen: sintemal wer recht vnd wol vnterscheidet vnd abtheilet / auch allzeit besser lehret. Dann sie handelten erstlich darvon /wie man dem Keyser solte rheymenweis antworten: darnach / welcher massen sie jhme halb geritten vnd halb gegangen entgegen ziehen / vnd jhn empfahen solten.

Von dem ersten warde abgerhaten vnd beschlossen / sie wölten dem Keyser vorkommen / jn eyntreiben /dz er müßte mit antwort begegnen wie sie wölten: solt jhn derowegen der Schultheiß von ersten anreden /vnnd mit diesen worten / Nund seyt vns willkommen /empfahen. Dann auff solches wurde der Keyser necessario müssen antworten: Vnnd du mir auch. So das beschehe / hetten sie schon gewunnen / dann der Schultheiß müste darauff sprechen: Der witzigst vnter vns ist ein Gauch. Das wurde sich wol rheymen / in Figura, Forma vnd Materia.

Von dem andern aber / wie man dem Keyser solte entgegen ziehen / fielen vnter andern sonderlich dise meinung. Etliche meinten / man solte sich abtheilen inn zwen gleiche hauffen / vnnd der eine Hauffen reitten / der ander zu Fuß gehn / je ein Reutter vnd Fußgenger in einem Glied. Andre vermeinten / es solte ein jeder den einen Fuß im Stegreiff haben vnd reitten /vnnd mit dem andern auff dem Boden gehn: diß were ja auch halb geritten vnd halb gegangen. Aber andre waren der meinung / daß man dem Keyser solte auff höltzern Pferden entgegen kommen: dann darvon pflege man im Sprichwort zusagen: Stecken reitten sey halb gegangen. Zu dem / so seyen solche Pferd auch fertiger / hurtiger / musterlicher / vnnd bald gezäumet vnd gestrigelt.

Dieser letzten meinung ward von allen theilen beyfall gethan[86] / vnnd anordnung geben / daß sich jeder mit einem Roß solte gefaßt machen: welches dann fleissig beschehen. Dann es war keiner so arm nicht /der jhme nit vmb ein weisses / grawes / braunes /schwartzes / rhotes / gespreckeltes Pferd / je nach dem einer gern were beritten gwesen / gesehen hette: dieselben dummelten sie / vnd richteten sie auffs meisterlichste ab.

Als nun der angesetzte tag herbey kommen / vnd der Keyser mit seinem Hofe herzu rucket / sprengten die Lale herauß mit jhren Steckenpferden / jhme entgegen. Auff dem weg ward jhrem Herrn Schultheissen (welcher den abendt zuvor saure Buttermilch gfressen) in den Hosen von hinden her zu eng / darumb er beyseits hinder einen Misthauffen sprenget / vom Pferd abstiege / dasselbige anbunde / vnd bey glauben (wers nicht glauben wil mags selberst erfahren / wie jener seinen Esel) sein sächlin eben gut machet.

In dessen war der Keiser nahe herbey kommen /vnd die gantze Lalische Ritterschafft sahe sich vmb nach jrem Schultheissen / welcher hinderm Mist gehockt / vnd scheitter gehawen hette: als er solchs gesehen / name er nit so viel zeit vnd weil (auß forcht dz er die gelegenheit versaumen vnd verschütten möchte) daß er die Hosen eyngenestelt / seinen Gaul abgelößt vnd darauff sich geschwungen het: sonder seine Hosen / so er nur bloß auffgezogen / in der Hand haltend / sprang er auff den Mist / den Keyser deste förmlicher vnd gestaltlicher zuempfahen.

Da nun der Keyser herzu kam / wuste mein Herr der Schultheiß wol / daß er müste den Hut vor jm abziehen: weil er aber mit der einen Hand die Hosen / so noch nit eyngenestelt / gehalten / die ander Hand aber dem Keyser darreichen must / fasset er kurtzen rhat /nimpt den Filtzhut ins Maul / vnd mit der einen Hand die Hosen haltend / bot er dem Keyser die andre dar /sprach: Nu seyt vns willkommen auff vnserem grund vnd boden /[87] Vester Juncker Keyser. Der Keyser sahe auß den Federn bald / was für Vögel weren / vnd dz das Gschrey von der Lalen thorheit nit nichtig vnd lär wer: reichet derowegen dem Schultheissen auch die hand / vnd sprach: Danck hab / du mein lieber Schultheiß / vnd du mir auch. Da solt nun der Schultheiß rheymenweiß antworten / wie zuvor vnter den Lalen war beschlossen worden / wolt doch solchs vnbedachter weise nicht thun / damit er sich nit etwan verschnappete: darumb alsbald ein anderer / welcher vermeinet der Schultheiß were verstummet / herfür wischet / rheymenweiß antwortet / vnd sprach: Der Schultheiß ist ein rechter Narr. Dann es war inn jhrem versammelten Rhat abgerhaten vnd beschlossen worden / man solte antworten: Der witzigst vnter vns ist ein Gauch: so gedachte diser / Gauch vnd Narr weren ja eins / so seye der witzigst vnter jnen eben der Schultheiß selberst / den er deßwegen Ehrn halben wol nennen dörffe. Also sind / Tölpel / vnd durch ein Metaphoram Esel / auch eins: deßgleichen / Vnser liebe Fraw / vnd vnsers Herrngots Mutter. Solcher gstalten gedacht dieser Lale / es gelte gleich / ob er schon eins für das ander nemme: rheyme es sich schon in worten nicht so gar wol / so seye doch nicht so gar vil daran gelegen / wann es sich nur inn der wörtern bedeutung vnnd außlegung / daran am meisten gelegen / rheyme vnd schicke.

Solcher massen ward der Keyser empfangen / vor demselbigen ritten sie her / biß gehn Laleburg / da sie jn erst auff ein newes empfiengen. Dann der Schultheiß saß ab von seinem höltzenen Klepper / stieg auff einen Misthauffen / vnnd reicht dem Keyser nachmaln die Hand. Es sagt aber der Keyser zu jhm: Was thust du hie auff dem Mist? Ach vester Juncker Keyser / antwortet der Schultheiß / da bin ich armer Lale nicht wärth / daß mich der Erdboden vor Euch trage.[88]

Also führten sie den Keyser inn sein Losament /auffs Rhathauß / dahin sie jhn gelosiert hetten. Sie erzelleten jhm auch alle Geschichte / so sich damit zugetragen / daran er ein gnedigstes kurtzweiligstes wolgefallen geschöpfft hat. Auch zeigten sie jhm an (jhn biß das Essen fertig were auffzuhalten) die Geschicht mit dem Saltzgewächs / mit vnterthenigster bitte vnd begeren / wa ferr jhnen solche Kunst gerhaten solte / sie darüber gnediglich zupriuilegiren vnd zubefreyen / damit nicht jemandt jhnen solche nachthun / jnen zu vnwiderbringlichem schaden / wie er der Juncker Keyser selbs wol erachten könne. Der Keyser erzeiget jhnen hierinn / dieweil jhr begeren nit vnzimlich / gnedigsten Willen / mit erlaubung vnd gestattung alles deßn / darumb sie an jhn gelangt / vnd noch mehrers / so es die noth erfordern wurde.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 84-89.
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