[4. Kapitel]

Abschrifft des Brieffes / so die Weyber zu Laleburg an jre Männer die Lalen gesendet.

[21] Wir die gantze Weybliche Gemeinde zu Laleburg /entbieten euch vnsern getrewen hertzlieben Ehemännern samptlich vnd sonderlich vnsern gruß / vnnd fügen hiemit zuwissen: Demnach (Gott Lob vnd Danck) vnser gantzes Geschlecht mit höchster Weyßheit vnd verstand solcher massen begabet vnnd vor andern gesegnet / daß auch weitgelegne Fürsten vnnd Herrn solche nicht allein zuhören / sonder auch derselbigen sich in zufallenden Geschäfften zugebrauchen sonderbaren lust haben vnd vorauß begeren /vnd deßnhalben euch alle zu sich von Hauß vnnd Hofe / von Weybern vnnd Kindern / abfordern / vnnd nun lange zeit bey sich behalten: da dann zubesorgen / daß sie euch nicht jrgend mit Gaben vnd Verheissungen / welche bey solchen Personen[21] sehr groß vnd gut sind / solcher massen verhefften vnd verstricken /daß jhr gar nicht mehr abkommen könnet / sonder in der Frembde / wiewol wir sonst auch Frembdlinge sind / ferne von Hauß vnd Hofe / ferne von vns vnd ewern lieben Kinderlin / ferne von allem was euch lieb ist vnd angenem / ewer Leben zubringen vnd beschliessen müsset: Vnd aber hierzwischen vnsern sachen zu Hause weder gerhaten noch geholffen ist /sintemal alle ding in abgang gerhaten / das Felde /auß welchem wir vnser Nahrung haben / auß mangel des bawens vertirbt / das Viehe verwildet / das Gesinde vngehorsam wirdt / die Kinder / welche wir arme Müttern gemeinlich gar zu sehr / vnnd mehr als offtmaln gut ist / lieben / mutwillig werden: daß wir anders vngemachs / so auß ewerm abwesen entsteht /jnmassen jhr nach ewerer Weißheit vnd hohen verstand selberst erachten könnet / geschweigen / vnd auch dessen nit gedencken / daß vnser Geschlecht der Lalen / welches nun so viel jar lang gewäret / dadurch in abgang kommet / vnd auß mangel der kleinen Haußhaltung zuletzt gantz ab vnnd vntergehet: Also haben wir / in betrachtung dieser vnd andrer vrsachen / nicht können vnterlassen / wie wir dann auch zuthun schuldig / euch hiemit ewers Beruffs vnd Ampts zuerjnnern / vnd widerumb heymb zumahnen.

Welches dann jhr vmb so viel desto mehr vnd eher annemmen vnnd thun werdet / in betrachtung vnnd zu hertzen führung / wie so gar vnbillicher weise wir arme Weiber von euch / die jhr vns nach ewerm zusagen vnnd versprechen Trew vnnd Glauben zuhalten vnd zuleisten schuldig vnnd verbunden / nun mehr ein lange zeit so gantz verlassen gewesen / gleichsam als hetten wir mit einandern nichts jemaln weder zuschicken noch zuschaffen gehabt / die wir doch ewer[22] eygen Fleisch vnnd Blut vnter vnserm Hertzen getragen haben. Ist es billich / vnd durch die Natur selberst eyngepflantzet / daß auch vnvernünfftige Thiere jhre Zuchte vnd Gesellschaffte nit vbergeben noch verlassen / dessen augenscheinliche Exempel euch täglich schamrhot machen solten: wie viel mehr gebürt sichs einer vernünfftigen Creatur / einem Menschen / so mit Weißheit vnd Verstand begabet / seiner Gesellin anzuhangen / vnd derselben getrewe hilff vnd beystand zuleisten. Wie so gar vnbillich vnd wider die Natur es seye / daß einer sich selberst versaume / das könnet jhr wol erachten. Wie könnt dann jhr vns / vnnd hiemit euch selberst / sintemal Wir vnd Jhr ein Fleysch sind / verlassen? Bedencket die Kinder / so wir mit einandern erzeuget vnnd erbohren / welche nun albereit anfangen zufragen: wer doch jhre Vätter seyen? Was meinet jhr / daß sie euch für grossen Danck sagen werden / wann sie erwachsen / vnd von vns vernemmen / wie sie von euch trost vnd hilffloß verlassen / vnd dem verterben vnd vntergang fürgelegt / ja fürgeworffen worden? Meinet jr nit / daß die natürliche Liebe vnd zuneygung / so sie zu euch tragen solten / hierdurch außgehe?

Fürwahr das Glück ist sinwel vnnd wanckelbar /verkehrt sich bald. Habt jhr nie gehört diesen alten Spruch?


Jungfrawen Lieb vnd Rosen Bletter /

Der Herrn Gunst / Aprellen Wetter /

Falsch Würffel / vnd ein Kartenspiel /

Verkehrn sich bald / wers glauben wil.


Vermeinet jhr / daß der Fürsten vnnd Herrn gunst bestendig / vnd allzeit gegen euch gleich werde geneyget sein? Die alte Hund / wann sie sich mit jagen abgearbeitet vnnd außgedienet haben / also daß sie mit jhren stumpffen Zänen die Hasen nicht mehr halten können / so pflegt sie der Jäger[23] an den nehesten Baum der jhnen gefellt / auffzuhencken / belohnet hiemit jhre trewe Dienste. Wie viel besser vnnd nutzlicher / ja rhümlicher vnd löblicher were es an euch / wann jr daheymen zu hauß / ewern selbst eygnen sachen vnd händlen nach gehende vnnd außwartende / in guter Freyheit / Ruhe vnd Frieden / lebeten / der Früchten ewerer Gütern geniessen theten / vnd euch mit ewern Weib vnd Kindern / Gefreundten vnd Verwandten /erlustigten vnd erfreweten / nicht besorgend / daß jemand euch von solcher Freyheit / die höher als alles Gold vnd Geld zuschetzen / tringe vnd verstosse. Vnd ob schon dem also / daß man fremben Leuten dienen vnd helffen soll vnd muß: so könt jhr solches wol thun / vnd dennoch beym Hause vnd bey den ewern bleiben. Wer ewer bedarff / der wirdt euch wol finden vnd suchen / oder es thut jhme nit sonderlich noht.

Solchs alles werdet jhr (liebe Männer) viel besser betrachten vnd erwegen / als wir es schreiben wöllen: daß namlich die sachen vorgemeldter massen beschaffen / ja daß noch viel mehr wichtige vnd tringende Vrsachen / deren wir allhie geschwiegen / euch darzu bewegen vnd treiben sollen. Hiemit disem Brieff end machende / bester Hoffnung / diese vnser erinnerung vnd ermahnung werde bey euch so viel platz vnd stat finden / daß jhr euch also bald vnd vnuerzogenlich auffmachen / vnd heim kehren werdet: wa jr nit bald frembde Vögel in euwerm eygnen Nest sehen wöllet /vnd hören daß sie zu euch sprechen: Vor der thür ist draussen. Darumb seyt für schaden gewarnet. Beschlossen vnd geben zu Laleburg / mit euwerm Sigel /welches euch vnnd mit nichten vns Weyberen zu verwahren stünde / versigelt vnd verwahrt / auff jar vnd tag etc.[24]

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 21-25.
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