[41. Kapitel]

Ein merckliche geschicht / so sich mit einem Krebs zu Laleburg zugetragen.

[129] Ein vnschuldiger armer Krebs / hat sich auff ein zeit jrre gegangen / vnd als er vermeint in sein Loch zu kriechen / kam er zu allem vnglück gehn Laleburg in das Dorff. Als jhn etliche Lale gesehen hatten / daß er so viel füsse gehabt / hintersich vnd fürsich gehen kont / vnd was dergleichen tugenden mehr ein ehrlicher redlicher Krebs an sich hat / erschracken sie vber die massen sehr drab / dann sie vormals keinen nie mehr gesehen: schlugen derowegen sturm an / kamen alle vber das vngehewr Thiere zusamen / zerriethen sich was es doch sein möchte. Niemand konts wissen / biß letztlich der Schultheiß sagt: Es werde gewißlich ein Schneider sein / dieweil er zwo Schären bey sich habe. Solchs zuerkundigen / legten jn die Bawrn auff ein stuck Lündisches thuch / wie die Bawrn jre Wölffe darauß machen / vnd wa der Krebs darauff hin vnd her kroche / da schneid jhm einer mit der Schär hinden nach. Dann sie vermeinten[129] nit anderst / dann der Krebs / als ein rechtgeschaffner Meisterschneider /entwerffe ein muster eins newen Kleides / welches sie / inmassen vnsere Lalen auch thund / nach äffen wöllen. Zerschnitten also endlich das Thuch gantz / daß es nirgend zu mehr nutz war.

Als sie nun gesehen / daß sie sich selbs betrogen hetten / da trittet einer vnter jhnen auff / vnd spricht: Er hab einen sehr wolerfahrnen Son / der sey in treyen tagen zwo meyln weges weit vnd breit gewandert /habe vil gesehen vnd erfahren / es zweiffle jm nit dran / er werd deßgleichen Thier mehr gesehen haben / vnd wissen was es seye. Also ward der Sohn beruffen: derselbige besahe dz Thier lang / hinden vnd vornen /wußte nit wa ers angreiffen solt / oder wa es den Kopff hette. Dann wann der Krebs hindersich kroch /so meint er / er het den kopff beim schwantz: kont sich also gar nicht drein richten / sprach doch endlich: Nun hab ich doch mein tag hin vnd her viel wunders gesehen / aber deßgleichen ist mir nit fürkommen. Doch wann ich sagen soll was es für ein Thier sey / so sprich [ich] nach mein hohen verstand: Wann es nicht ein Taube ist / oder ein Storck / so ist es gwißlich ein Hirtz: vnter disen muß es eins sein.

Die Lalen wußten jetzt eben so viel / als vor / vnd als jn einer angreiffen wolt / erwischet er jhn mit der Schär dermassen / daß er anfieng vmb hilff zurüffen /vnd zuschreyen / Es ist ein Mörder / ein Mörder. Als solchs die andern gesehen / hatten sie schon gnug: besetzten derowegen also bald gleich ohne verzug von stund an auff der stett eylends alda am selbigen ort auff dem platz da der Bawr gebissen worden / das Gericht / vnd liessen ein Vrtheil vber den Krebs ergehn /die lautet vngefehrlich solcher massen: Sintemal niemandt wisse / was dieses für ein Thier sey / vnnd aber sichs befinde / dieweil es sie betrogen / in dem es sich für ein[130] Schneider außgeben / vnds doch nit seye / daß es ein Leutbetriegendes vnd schädliches Thier seye /ja ein Mörder: so erkennen sie / dz es solle gerichtet werden / als ein Leutbetrieger vnd ein Mörder / mit dem Wasser vnd was darzu gehört.

Solcher Vrtheil statt zuthun / ward einem vnter jnen befohlen: derselb nam den Krebs auff ein Brett /trug jhn dem Wasser zu / vnd gieng die gantze Gemein mit: da ward er / in beyseyn vnnd zusehen jedermeniglichens / hineyn geworffen. Als aber der Krebs in das Wasser kommen / sich widerumb empfunde /zabelt er / vnd kroch hindersich. Solches ersahen die Bawren / deren huben etliche an zuweinen / vnd sprachen: Nun solt eins wol fromb sein: schawet doch /wie thut der Tod so wehe.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 129-131.
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