[9. Kapitel]

Wie die Laleburger jr Rhathauß auffgeführt / vnnd der Fenstern vergessen haben.

[39] Nach dem dz Bawholtz erstgehörter massen zugeführt vnd gezimmert worden / auch alle zu jhrem Rhathauß gehörige bereitschafft / von Steyn / Sand / Kalch vnd anderm / verhanden war / fiengen die Lalen jren Baw eynhelliglich mit solchem eyfer an / daß wer es nur jmmer gesehen / sagen muste / dz es jr bitterer ernst gewesen. Hatten also in wenig tagen / dann sie nach der Narrey verlangen getragen / die trey Hauptmauren / dieweil sie etwas besonders / vnd das Hauß treyeckicht wolten haben / auß dem grund geführt / die Träme gelegt / vnd folgends auffgeführt vnd vollendet. Doch haben sie neben zu an einer seyten ein grosses Thor gelassen / das Heuw / so der Gemeinde zustendig / vnd sie in gemein hetten zuvertrincken /hineyn zuführen. Welches dann jrem Herrn dem Schulthessen (darauff sie doch nit gedacht) auch wol kommen: dieweil er / wa solche Lucken nicht da gewesen / vnd er hette wöllen in Rhat gehn / hette müssen / sampt seinen Gerichts vnd Rhats Herrn / vber das Tach eynsteygen: welches zwar jhrer Narrey füglich gnug / aber sehr vnkomlich / vnd[39] wegen der Jüppen / so sie darüber zurissen / deßgleichen auch von wegen der Beynen / so sie etwan abfallen mögen (vorauß wann sie den nächtigen Schlamm oder Trunck noch nicht verdäwet vnnd außgeschlaffen) sehr schädlich were gewesen. Nach solchem machen sie sich an das Tach / welches nach des Bawes treyen ecken abgetheilt gewesen / vnd setzen desselbigen Stul auff seine Mauren: vermeinten hiemit das gantze Werck biß an das decken vollendet zuhaben. Dessn sie wolgemuht ins Hauß / da der Wiert den mit einem Glaß behengten Reiff außsteckt / vnd den Gesten offt trocken schiert / zogen / vnd auffs Gmeine Gut hin /dieweil es ein Gmeines Werck / abermaln auffs beste eynschencken liessen: gedachten das Tach / ob sie schon noch zeit gnug darzu gehabt / folgends Tags eynzudecken / damit sie wider ein gemeines Werck /vnd dessnhalben ein gemeines Gefräß hetten. Wiert schenck eyn / der Lale trinckt / der Lale trinckt.

Folgenden tags / als mit der Glocken das Zeichen /vor welchem niemand kommen vnd arbeiten dörffen /gegeben worden / kamen sie gemeinlich wider zusamen / stiegen auff den Tachstul / vnd fiengen an das Rhathauß eynzudecken. Zu solchem Werck / stunden sie alle nach einandern / etliche zu oberst auffm Tach / andre besser hinab auch auff den Latten: etliche zu oberst auff der Leittern / andre besser hinunter: etliche auff der Erden zunechst an der Leittern / andre weitter von jhnen / vnnd also fortan / biß zum Ziegelhauffen /welcher eines guten Steynwurffs weit vom Rhathause gewesen. Solcher gstalten gieng jeder Ziegel durch aller Lalen Hände / vom ersten der jhn auffhube / biß zum letzten / der jhn erst auff sein stat legte / damit ein Tach[40] darauß wurde. Da giengs nicht anderst / als wie bey den Ameyssen / wann sie im Sommer die Winterspeyß eyntragen.

Demnach man aber willige Roß nicht vbertreiben soll / hatten sie anordnunge gethan / daß zu gewisser stund die Lale Glocken geleutet wurde / zum zeichen des Abzugs von dem Werck / zum Eynzug ins Weynhauß. Deßhalben als der / so der neheste beym Ziegelhauffen gewesen / den ersten streich von der Glocken gehört hette / ließ er den Ziegel / den er schon auffgehaben / wider fallen / vnnd lauffest du nit so gewinstu nichts / dem Wiertshauß zu. Deßgleichen theten auch die andern alle / biß auff den letzten: lieffen all einandern nach / wie die Schneegänse wann sie fliegen / damit sich keiner etwan vmb einen Truck versaumete. Damaln geschahs / daß die / so zum letzten ans Werck kommen waren / die ersten im Wiertshauß / vnd die obersten hinderm Tisch wurden. Welches sie dann darumb gethan / damit sie / als welche vor den andern nicht kondten auffstehn / auch die letzten darvon weren.

Solches theten auch die Zimmerleute. Dann als jhrer einer den ersten Glockenstreich gehört / vnnd die Axt zum streich schon auffgehaben hette / thet er denselbigen nicht: sonder nam die Axt gleich auff die Achsel / vnd lauffstu nicht so trinckstu nicht. Warumb thaten sie aber solches / daß sie also vom Werck hinweg eyleten? Eintweders darumb / damit sie deste bälder widerumb darzu kämen: oder aber / damit sie deste lenger platz beym Tische hetten: welches das gleublichste.

Nach vollendetem Werck / wolten die Lalen in jhr Rhathauß gehn / dasselbige in aller Stultorum Ehre eynzuweyhen / vnd dann folgends in aller Narren Namen zuversuchen / wie es sich dz erste mal wölte darinnen rhaten[41] lassen: Aber als sie in aller Erbertet dareyn getretten kamen / Ecce vide schaw guck siehe lug botz Velte videte / da da war es gantz vnd gar finster / vnd so finster / daß einer den andern auch kaum konte hören. Ab welchem handel sie nit wenig erschracken / noch sich gnugsam verwundern könten /was doch die vrsach möchte sein / ob vielleicht etwas im bawen were verfehlet worden / dadurch das Liecht verschlagen wurde vnd auffgehalten.

Also giengen sie zu jhrem Heuwthor wider auß /zubesehen / wa der mangel were: befunden aber die trey Mauren gar gantz / vnd das Tach feyn ordenlich darauff stehen: also daß draussen / da es liecht gnug /nichts gemangelt. Sie giengen aber auch wider hineyn / auch jnnwendigen zubesehen / wa doch der mangel were / da sie dann noch viel weniger sehen konten /wegen mangel des Liechtes. Was sage ich nur vil: die vrsach war jhnen vnbekant vnd verborgen / konten selbige nicht erfinden noch errhaten / wie sehr sie auch jhre närrische Köpffe darob zerbrachen. Darumb sie in grossen ängsten stunden / vnd zu fürderung der sachen einen gemeinen Rhats Tag anschlugen.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 39-42.
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