[10. Kapitel]

Wie die Lalen rhatschlugen / das Liecht in jhr Rhathauß zu tragen.

[42] Als nun der bestimmete Rhats Tag kommen / erschienen die Lalen fleissig / also das keiner außblieb /dann es jhnen allen gegolten / vnd setzten sich. Es hat aber jeder ein angezündten Liechtspan mit sich gebracht / vnd denselben / nach dem sie nider gesessen /auff sein Hut gesteckt / damit[42] sie in dem finstern Rhathauß einandern sehen / vnd der Schultheß einem jeden in der vmbfrag könte seinen Namen vnd Titul geben. Da nu die gemeine vmbfrag gethan wurde /wessen man sich in fürgefallenem handel zu verhalten / fielen viel widerwertige meinungen: wie gemeinlich in zweyffeligen Händeln pflegt zugeschehen.

Vnd als es sich schier ansehen ließ / als wölte das mehrste werden / daß man den gantzen Baw wider auff den boden ab brechen / auff ein newes auff führen / vnd besser sorge haben solte: trat einer / welcher wie er zuvor vnter allen der aller weyseste gewesen / also wolt er jetzund als der aller thorechtigste sich erzeigen / herfür / vnd sprach: Er habe in wärender seiner Weißheit / eh er sich derselben verziegen / offtmaln gehört / daß man durch Exempel vnd Beyspiel vil lehren / lehrnen vnd ergreiffen könne. Daher dann der Aesopus seine Lehren durch Fabeln / in gestalt kurtzer Historien / für Augen stellen wöllen. Solchem nach /[43] wolle er auch ein Geschicht erzellen / so sich mit seiner lieben Großmutter Großvatters Bruders Sons Frawen begeben vnd zugetragen habe.

Meiner Großmuter Großvatters Bruders Sohn /Vtis geheissen / höret auff ein zeit von einem / daß er sagt: Ey wie sind die Rephüner so gut. Hastu dann geessen / sprach meiner Großmuter Großvatters Bruders Sohn / dz du es so wol weist? Nein / sagt der ander: aber es hat mirs einer vor fünffzig jaren gesagt / deßn Großmutter Großvatter sie inn seiner Jugend hat sehen von einem Edelmann essen. Auß anlaß solcher rede / stieß meiner Großmuter Großvatters Bruders Sohn ein Kindbettern gelust an / daß er gern etwas gutes essen möchte / sagt deßhalben zu seinem Weybe / Vdena geheissen / sie solte jhm Küchlin bachen: dann Rephüner kont er nicht haben / so wuste er bessers nicht / als Küchlin. Sie aber / als deren was das Butterhäfelin vermögens were besser als jhme bewust gewesen / entschuldiget sich: sie könne jhm auß mangel des Butters / Anckens oder Schmaltzes (wie du wilt) auff diß mal keine Küchlin bachen / bate jhn derowegen biß auff ein andere zeit der Küchlin halb geduld zuhaben. Aber meiner Großmuter Großvatters Bruders Son hatte hiemit keine Küchlin geessen / vnd seinen Gelust nicht gebüsset / wolte sich mit so schlechtem / magerem / dürren / trockenem /vngesaltzenem vnd vngeschmaltzenem bescheid / nit also schlechtlich abweysen lassen / sprach derowegen nachmaln: Wie die sach jmmer beschaffen were / das Anckenhäfelin belangend / so solte sie sehen / daß sie jhm Küchlin bachete: vnd hette sie nit Butter oder schmaltz / so solte sie es mit[44] wasser versuchen. Es thuts nit / mein Vtis / sprach die Frau Vdena: ich selbst wolte sonst so lang nit ohne Küchlin geblieben sein / weil ich mich das Wasser nicht hette bedauren lassen. Du weist es nit / sprach meiner Großmuter Großvatters Bruders Sohn / weil du es niemaln versuchet hast. Versuche es erstlich: vnd so es nicht wil gerhaten / magst du als dann wol sprechen / es thue es nicht.

Mit einem wort zusagen / wolte meiner Großmuter Großvatters [Bruders] Sons Fraw ruhe haben vnd zu frieden sein / so muste sie dem Mann seines begerens halben willfahren: rhüret derowegen einen Küchlin teyg an / gantz dünn / als ob sie wölte Streublin bachen / setzt ein Pfannen mit Wasser vbers Fewer / vnd mit dem Teyg dareyn. Mit nichten aber wolt es sich schicken / es wolt sich eben gar nicht zusamen wallen / daß Küchlin darauß wurden / dieweil der Teyg im Wasser zerflosse / vnnd ein Muß oder Brey darauß wurde: darab die Fraw zornig / der Mann aber leidig ward. Dann sie sahe / daß die Arbeit / Holtz vnnd Mäl / deß Wasserbutters vngeachtet / verloren were: so stunde meiner Großmuter Großvatters seligen Bruders Son darbey / hielt einen Teller dar / vnd wolte das erstgebachene Küchlin also warm auß der Pfannen geessen haben / ward aber betrogen. Botz kramet schem dich / sprach meiner Großmutter Großvatters bruders Sohns Fraw / guck / habe ich dir nit gesagt /es thue es nicht? Allzeit wilt du recht haben / vnd weist doch nit ein dinglin darumb / wie man Küchlin bachen soll. Schweyg mein Vdena / sprach meiner Großmuter Großvatters Bruders Sohn / lasse dichs nicht gerewen / daß du es versuchet hast. Man versucht ein ding in so vil wege / biß es zu letzt gerahten muß. Ist es schon dißmals nicht gerhaten / so gerhatets etwan ein ander mal. Es were ja ein feine nutzliche kunst gewesen / wann es vngefehr gerhaten wer. Ich mein wol ja / sagt meiner[45] Großmuter Großvatters Bruders Sons Fraw: ich wolte selbs alle tag Küchlin geessen haben. Daß ich aber / sprach der obgemelt Lale / dise Geschieht auff vnser vorhaben ziehe: Wer weist / ob dz Liecht vnd der tag sich nit in einem Sack tragen liesse / gleich wie das Wasser in einem Eymer getragen wirt. Vnser keiner hats jemaln versucht: darumb wa es euch gefelt / so wölln wir dran stehen. Gerhatet es / so haben wir allzeit vmb so vil zum besten / vnd werden als erfindere diser kunst grosses Lob damit erjagen. Gehts aber nit ab / so ist es doch zu vnserm vorhaben der Narrey halben gantz dienstlich vnd bequem.

Diser Rhat gefiel allen Lalen solcher massen / dz sie beschlossen / solchem in aller eyle nachzukommen. Kamen derowegen nach mittag / da die Sonne am besten geschienen / bey dem Eyd gemahnet alle für das neuwe Rhathauß / jeder mit einem Geschirre /damit er vermeint den Tag zufassen vnd hineyn zutragen. Etliche brachten auch mit sich / Bickel / Schauffeln / Kärste / Gabeln vnd anders / auff ein fürsorg /damit ja gar kein fehler begangen wurde.

So bald nun die glocken eins geschlagen / da solte einer sein wunder gesehen haben / wie sie alle angefangen haben zuarbeitten. Etliche hatten lange Secke /liessen die Sonne dreyn scheynen biß auff den boden /knüfften jn dann eylends zu / vnnd lieffen damit ins Hauß / den Tag außzuschütten. Ja sie beredeten sich selberst / sie trügen an den Secken vil schwerer / als zuvor da sie lähr gewesen. Andre theten eben deßgleichen / mit anderen verdecketen Gefessen / als Häfen /Kesseln / Zubern / vnd was dergleichen ist. Einer lude den Tag eyn mit einer Strogabeln in ein Korb / der ander mit einer Schauffeln: etliche gruben jn auß der Erden herfür. Eines Lalen soll sonderlich nicht vergessen werden / welcher vermeint den Tag mit einer Maußfallen zufangen / vnd also mit gewalt zubezwingen / vnd ins Hause zubringen. Dz ichs kurtz mache: jeder hielte sich da / wie sein närrischer Kopff es jhme an vnnd eyngab.[46]

Solches trieben sie denselben gantzen tag / weil die Sonne geschienen / mit solchem eyfer vnnd ernst / daß sie alle darob ermüdeten / vnd von hitze schier verlechten vnnd erlagen. Aber sie richteten mit solcher arbeit eben so wenig auß / als vor zeiten die vngehewren Riesen / da sie viel grosse Berge zuhauffe trugen / vnd den Himmel zustürmen vermeinten. Darumb sie dann letztlich sprachen: Nun were es doch ein feyne Kunst gewesen / wans gerahten were. Also zogen sie ab / vnd hatten dennoch diß gewonnen / daß sie dorfften auffs gmeine Gut hin zum Weyn gehn / vnnd sich wider erquicken vnd erlaben.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 42-47.
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