[11. Kapitel]

Wie ein durchreisender Landstreicher den Lalen rhat gabe / den Tag in jhr Rhathauß zu bringen /

vnd sie betroge.

[47] Wie die Lalen obgehörter massen an jhrer Arbeit gewesen / reiset vngefehr ein frembder Wandersmann daselbsten vorüber: der stunde still / sahe jhnen lang zu / vergasse das maul offen / vnd were bald auch zu einem Lale worden / inn dem er nicht konte wissen /was doch solches jmmer bedeuten thete. Deß abends aber in der Herberg / dann er vmb wunders willen da still gelegen / die Abenthewer zuerfahren / fragt er die vrsach / warumb er sie habe gesehen also an der Sonnen arbeiten / könne doch nicht wissen was sie gethan. Solches ward jm durch die herumbstehenden Lalen bald gesagt: daß es namlich darumb beschenen /[47] zuversuchen / ob sie die heitere deß Tages könten in jhr neuwgebawen Rhathauß tragen.

Der frembde Gsell war ein rechter Vogel / genetzt vnd geschoren wie er sein solte / ohn allein dz er weder Federn noch Wullen hette: gedacht derowegen /diß orts hette er einen Raub zuerjagen / welchen er außn Henden zulassen nit gesinnet: fraget sie deßhalben / ob sie mit jrer Arbeit etwas hetten außgerichtet. Nicht ein Dudinierlin / sagten die Lalen. Diß ist die vrsach / sagt der Gsell / daß jhr die sach nit solcher massen angegriffen / wie ich euch wol wolte gerhaten haben. Da die Lalen dises hörten / wurden sie so froh / als die Juden zu Franckfurt / da jhnen Propheten Beer feyl gebotten worden / gewesen: verhiessen jhme derowegen von wegen deß gantzen Fleckens vnd desselbigen aller Eynwohnern / ein namhaffte Verehrung / so er jhnen solchen Rhat mittheilen thete. Solches versprach er jnen auff morgen zu leisten: darumb sie jhn hiessen gut Männlin sein / vnd dem Wiert befahlen / jme tapffer auffzutragen vnd fürzustellen / vnd was er verzehre an der Gmeinde Kerffholz zu schneiden. Also war der gute Gesell dieselbe nacht gast /vnd zechet redlich ohne Geld: vnnd das billich / dieweil er fürohin jhr Bawmeyster sein solte.

Als folgends die liebe Sonne den Lalen von Laleburg (dann es sind sonst noch andre Lalen mehr) den hellen lieben liechten Tag hette wider gebracht vnd scheynen lassen / führten sie den Geselln zum Rhathauß / vnd besahen es mit allem fleiß oben vnd vnten / hinden vnnd vornher / jnnen vnd aussen. Da nun der frembde Künstler sich mit der Schalckheit /so er hierinnen rhats gepfleget / wie der sachen[48] zuthun were berhatschlagt hette / hieß er die Lalen hinauff steigen / vnd die Tachziegel wider auffheben / welchs also bald geschehen. Nun habt jhr / sprach er den Tag in ewerm Rhathause / den möget jr darinnen lassen /so lang euch gefellig: wann er euch erleidet / so könt jhr jn wol widerumb darauß jagen.

Aber die Lalen verstunden es nit / daß er gemeint /sie solten das Tach nicht wider darauff decken / sonst wurd es widerumb finster werden / wie es zuvor gewesen: liessens derowegen also ein gute sach sein /sassen zusamen / vnd hielten den gantzen Sommer Rhat darinnen. Sie verehrten dem Künstler auß dem gemeinen Seckel auch ein ehrliches / vnd liessen jn mit grossem Danck darvon ziehen. Der gute Gsell that wie ein anderer guter Schlucker auch gethan hette /nam die Verehrunge an / zellets nicht lang / sonder zoge hinweg / schawt offt hindersich / ob jhme niemand nacheylen thue / das Geld wider von jhme zunemmen / vnd kam also nit näher. Es weißt auch noch heut diß tags niemand / wer oder waher er gewesen /oder wahin er kommen seye; allein sagen die Lalen diß von jme / daß sie jhn am Rucken das letzte mal gesehen haben.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 47-49.
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