[12. Kapitel]

Wie die Lalen die vrsach der finstere in jhrem Rhathauß jnnen werden / vnd

selbige abschaffen.

[49] Die Lalen frewet jhr neuwgebachen Rhathauß vber alle massen sehr / den gantzen Sommer lang / hielten stets Rhat darinnen / vnnd handelten von wichtigen sachen / den gemeinen Nutz / das Vatterland / vnd desselben verbesserung belangend. Sie hatten auch solches Glück / daß es denselben[49] gantzen Summer wann sie im Rhat gesessen nie geregnet hat. Hierzwischen aber begunte der liebliche Summer sein schönes lustiges Angesicht zuverbergen: dargegen strecket der leidige Winter seinen rauhen Schnabel herfür. Welches den Lalen ein sehr leidiger handel gewesen / dieweil sie nunmehr fürohin die Nasen in die schnaupen ziehen / vnnd jhnen selberst schnaufen musten. Darumb sie dann sich also bald bedachten / daß gleich wie einer vnter einem grossen breitten Hut (wie die sind / so die jungen Lalen oder Lappen gemeinlich auß frembden Landen mit sich bringen / wann sie so weit gewesen / daß sie in jhrem Heymet nicht mehr die Glocken hören leuten / vnd so lang außgeblieben /daß sie jhrer Muttersprach vergessen / jres Vatters Hauß nicht mehr wissen vnd darnach fragen müssen /vnd die alte Katzen nicht mehr kennen) wie einer (sprich ich) vnter einem grossen Wetterhut vor dem Regen sicher sein könne: also wurden auch sie vnterm Tach / welches dem Hauß gleich als ein Regenhut were / wider den schnee vnd ander Vngewitter beschirmet werden. Solcher vrsach halben / machen sie das Tach in aller eyl mit gemeiner hilff wider zu / willens vnd vorhabens / wie sie den gantzen Summer lang an der Sonnen (wie der Schäffer an der Leytten) dem Faullentzen gedienet hetten / also wölten sie denselben den Winter durch inn die Stuben zum Ofen setzen / vnd sich bey jme vmb hilff vnd rettung wider die erfrohrne Leute bewerben.

Als aber das Tach wider eyngedecket / vnd sie ins Rhathauß gehn wöllen / siehe zu / da war es (leider) eben so tunckel vnnd finster darinnen / als es gewesen war zuvor / ehe sie von dem Wanderer die taginshaußzutragenersparungskunsterfindung gelehrnet hetten. Da sie dann erst mercken theten / daß sie hinders Liecht geführt / vnnd heßlich betrogen weren: aber sie mustens also geschehen sein vnnd bleiben lassen /vnnd als zu einer geschehenen sach[50] das beste reden. Es war zuspat / den Beuttel zuzeziehen / da das Geld hinweg / oder den Stall zubeschliessen / nach dem die Kuhe schon allbereit darauß entführet gewesen. Solliches aber vnangesehen / sassen sie wider mit jhren Liechtspänen (welche zubrauchen so lang jhr Rhathauß stünde sie sich schon gantz vnd gar verwegen hetten) auff dem Hut zusammen / vnd hielten sehr geschwind ein engen Rhat darüber / so sich weit inn tag hineyn verzoge.

Vnd als die vmbfrag von einem an den andern gieng / kam es zuletzt auch an einen / so sich nicht der vngeschicktesten einer gedeuchte zusein (dessen Namen ich Ehrn halben bleiben lasse) derselbe stund auff / sagt er rhate eben das / so sein Vetter rhaten werde / gieng also mit Laub hinauß von der Versamlung: vielleicht sich zureuspern / wie dann die Bawrn offtmaln so bösen Husten haben / dz niemand vmb sie bleiben mag / oder aber dz Wasser vber die Berge hinab zurichten. In dem er also in der finstere an der Wand (dann sein Liechtspan jhme erloschen) hin vnd her groppet / wirdt er vngefehr eines kleinen Risses oder Spaltes in der Mauwrn / so nicht recht zugemaurt gewesen / gewar / dadurch er seinen schönen Bart etlicher massen sehen konte. Damaln erinnert er sich mit einem tieffen seufftzen seiner ersten Weyßheit /deren sie sich alle verziegen hetten / trit wider hineyn / vnd spricht: Na also / jr liebe Nachbawrn / mit laub ein wort zu reden. Als jhme solches vergunnet wurde /sprach er ferner also: Na / sind wir aber nit gedippeldoppelborte Narrn / ich frage euch alle darumb. Es bescheynt sich wol (daß ich auß vnserer alten hingeworffenen Weyßheit etwas diß orts eynflicke) wie ein krefftig ding es seye / wann einer ein andre gewonheit an sich nimmet / als er zuvor gehabt: daß namlich die gute[51] gewonheite / so er erstlich von der Natur empfangen / vntergetruckt vnnd abgethan / vnd die angenommene / vornemlich so sie böß ist / an die stat komme / vnd also consuetudo altera natura werde. Wir haben vns einer närrischen weyse angenommen /die wir doch von Natur her allzeit weyse vnd verstendige Leute gewesen: vnd nun siehe / solche angenommene weise schlegt vns recht in die art / vnd treibt die erste art auß: also daß wie wir zuvor von art vnd geburt her Weyse gewesen / also kompts darzu / daß wir von art vnd geburt her Thorn vnd Narren sein / vnnd solche vnart niemermehr werden fallen lassen. Wir haben so angstige vnnd vbele zeit mit vnserem Rhathauß / wenden kosten an / vnd gerhaten in grosse verachtung darzu / damit wir nur den mangel finden vnd verbessern können: vnd vnser keiner ist jemaln so witzig gewesen / daß er hette gesehen / daß wir an das Hause keine Fenster gemachet haben / dardurch das Liecht hereyn fallen möchte. Das ist doch gar zu grob: vorauß im anfang vnserer Thorheit / da wir nicht solten eins mals vnd auff ein stutz also hereyn plumpen vnd pletschen / daß es auch ein rechter gebohrner Narr mercken könte. Ab diser rede erschracken die andern Lalen alle nit anderst / als der sie an Hals ge schlagen hette / vnd erstummeten wie die blinden Götzen / die jr Lebenlang keinen Dägen wetzen. Sie sahen aber auch einandern an / vnd schämeten sich je einer vor dem andern (so er nit hinder jme gesessen) wegen solchen grossen Vnverstands vnd gar zu groben Narrey. Darumb fiengen sie an einhelliglich / der Vmbfrag vngewartet / zu allen orten deß Rhathauses Mauren durchzubrechen: vnd war kein Lale vnter allen Lalen / der da nit hette wöllen ein eygen Loch (wie diß tags die Schilt in den Stamm büchern vnd Glaßfenstern) haben / von dem er könte sagen: Diß ist mein Loch / vnd ist[52] mir ein fein Loch / vnd ein gut Loch / vnd wers nit glaubt der küß mirs Loch / so findt er doch / das jn frewet noch. Oh wie ein schweres Joch / vil herter als ein Ploch: verzeyhe mir die Kellerin vnd der Koch / so es gar zu räß gesaltzen /vnd deßhalb weniger geschmaltzen ist. Also ward das Rhathauß volnführet / biß auff das Eyngebäw / von welchem auffs bäldest Zeyttung zuvernemmen.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 49-53.
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