Brynjolf Roste's Tod.

[65] Bei Nial lebte ein Mann namens Thord, genannt Lösingsohn (Sohn des Freigelassenen); denn sein Vater Sigtryg war Sklave gewesen bei Nial's Mutter Asgjerde, sie aber hatte ihm die Freiheit geschenkt, so daß er seitdem ihr Freigelassener wurde. Später war er ertrunken und sein Sohn Thord war seitdem bei Nial geblieben. Dieser Thord Lösingsohn war ein großer und starker Mann und hatte Nial's Söhne alle erzogen. Ihn wollte nun Bergthora gebrauchen, ihr an Atle gegebenes Versprechen zu erfüllen. Im Sommer, nachdem dieser getödtet worden war, trug sie ihm auf, während Nial und seine Söhne, wie auch Gunnar auf dem Alting waren, er solle ausziehen und Halgjerde's Vetter Brynjolf tödten. »Zwar bin ich kein Todtschläger,« entgegnete Thord; »aber ich will es thun, wenn Du es mir befiehlst.« »Ich befehle es Dir!« sagte sie. Thord ritt darauf nach Hlidarende und ließ Halgjerde rufen. »Wo ist Brynjolf?« fragte er sie. »Was willst Du von ihm?« entgegnete sie. Er versetzte: »Er soll mir sagen, wo er Atle's Leiche begraben hat; man hat[65] mir erzählt, daß er es schlecht gemacht habe.« Sie theilte ihm mit, wo Brynjolf sei und er hieß sie zusehen, daß es Brynjolf nicht ergehe wie Atle. »Du bist kein Todtschläger,« erwiderte sie, »wo ihr auch zusammentrefft, da ist keine Gefahr.« Thord antwortete, er habe nie Männerblut geschaut und er wüßte nicht, wie ihm werden würde, wenn er es sähe. Darauf sprengte er fort und traf Brynjolf auf der Landstraße. »Wehre Dich, Brynjolf,« rief er, »nicht wie ein Räuber will ich Dich überfallen.« Brynjolf ritt auf ihn zu und hieb nach ihm. Thord aber schwang seine Axt und zerschmetterte den Schaft von Brynjolf's Axt dicht über der Handhabe; zum zweiten Mal erhob er die Axt und traf Brynjolf in die Brust und tief drang die Axt ein, so daß er vom Pferde sank und sogleich seinen Geist aufgab. Kurz darauf traf Thord Halgjerde's Schafhirten. Er verkündete ihm, daß er Brynjolf getödtet habe, denn so mußte jeder freie Mann handeln, wenn er jemand getödtet hatte und nicht für einen Mörder gehalten werden oder den Namen eines Schurken tragen wollte. Er bezeichnete ihm den Ort, wo die Leiche lag und hieß ihn Halgjerde es ansagen. Dann ritt er nach Bergthorshvol und sagte Bergthora, was er gethan habe. »Ich danke Dir für Deiner Hände Werk,« entgegnete sie. Halgjerde aber entbrannte im Zorn, als sie die Botschaft vernahm, die der Hirte ihr brachte. »Viel Unheil soll daraus entstehen,« sprach sie, »wenn ich nur freie Hand habe.« Die Zeitung wurde auch auf dem Tinge kund. Dreimal ließ Nial sich die Kunde sagen; darauf brach er aus: »Jetzt werden die zu Blutmännern, von denen ich es am mindesten erwartet habe.« Skarphedin ergriff das Wort und sagte: »Der Mann muß schon im voraus dem Tode geweiht gewesen sein, da er unter der Hand unsres Pflegevaters, der doch niemals Männerblut gesehen, sein Leben hat aushauchen müssen, und viele werden meinen, daß wir Brüder diese That gethan haben, da man unsre Sinnesart kennt.« »Bald wird solches auch von Dir geschehen,« versetzte Nial, »aber die Noth wird Dich dazu treiben.« Darauf gingen sie hin und verkündeten Gunnar Thord's That. »Der Schade ist nicht groß,« erwiderte[66] Gunnar, »aber Brynjolf war ein freier Mann.« Nial bot ihm sofort den Vergleich an und Gunnar nahm ihn an, unter der Bedingung, daß er selbst richten sollte. Er setzte die Buße auf drei Mark, Nial zahlte sie aus und somit war der Vergleich abgeschlossen.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 65-67.
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