Der Vergleich.

[100] Es war zu erwarten, daß es eine schwierige Sache für Gunnar werden würde, falls alle die Männer Klage gegen ihn erhoben, deren Anverwandte er und seine Brüder bei Knafahole erschlagen hatten. Deshalb ritt er auch bald nach Bergthorshvol und suchte Rath bei Nial. Dieser sagte: »Wohl hat Dich die harte Noth gezwungen, das zu thun, dennoch aber kann die Sache schwierig genug werden und Du mußt mir Zeit lassen, sie zu bedenken.« Damit ging er abseits und bedachte den Rathschlag. Als er zurückkam, sagte er Gunnar, wie er die Sache anfassen solle; besonders zeigte er ihm, wie er Gegenklage erheben könne gegen die verschiedenen Verkläger, denn wenn dann das Urtheil gefällt wurde, konnten nach dem isländischen Gesetz die beiderseitigen Bußen einander aufwiegen. Nach dieser Unterredung ritt Gunnar heim und nach einigen Nächten begann er das ins Werk zu setzen,[100] was Nial ihm gerathen hatte. Geleitet von den Nialsöhnen, ritt er nach dem Orte des Kampfes, grub dort die Leichen auf, berief seine Begleiter zu Zeugen ihrer Wunden und erklärte alle die Gefallenen für unheilig und rechtlos, so daß keine Klage um ihretwillen anhängig gemacht und keine Buße für sie gefordert werden könnte, da sie mit der Absicht herbeigekommen seien, ihm und seinen Brüdern Wunden und schnellen Tod zu bereiten. Inzwischen ruhten seine Widersacher auch nicht. Kläger um Egil's und seiner Söhne willen war sein Bruder Önund vom Teufelswald, und Egil's Witwe Stenvör wollte auch den Ostmann Thorgrim veranlassen, seine Hülfe zuzusagen. Er war nämlich Gast auf Sandgil und mit jenem Thore von Norwegen gekommen, der, nachdem er Hjort erschlagen hatte, von Gunnar niedergestreckt worden war. Als aber Thore mit Egil auszog, um Gunnar zu überfallen, hatte er selbst vorausgesagt, daß es sein Tod sein werde und zugleich Thorgrim gerathen, gleich nach seinem Tode nach Norwegen zurückzufahren, da auch er getödtet werden würde, wenn er auf Island bleibe und sich auf einen Kampf mit Gunnar einlasse. Darum wollte auch Thorgrim anfangs nicht auf Stenvör's Bitten hören, allein sie überwand seinen Widerstand, indem sie ihm ihre Tochter zur Ehe und eine große Mitgift verhieß. Thorgejr Starkadsohn gewann auch Gunnar's Feind und Neider Mörd Valgardsohn für sich durch das Versprechen einer großen Geldsumme, und auf Thorgejr's Rath warb Mörd um Gissur Hvide's Tochter Thorkatle und erhielt sie zum Weibe, so daß Gunnar's Feinde nun auch von Gissur Hvide und Gejr Gode Hülfe erwarten konnten. Zu Gunnar standen aber alle Nialsöhne und alle Sigfussöhne und sie gingen um ihn geschaart so kühn und stolz einher, daß jeder, der ihnen in den Weg kam, sich in acht nehmen mußte, daß sie ihn nicht umstießen. Höskuld Dalekolsohn war gestorben, aber Gunnar hatte zu seinen Söhnen gesandt, sie möchten zum Ting kommen und viele Männer mit sich führen. Unter ihnen war Olaf Paa auf Hjardaholt am Hvamsfjord, der ein gar mächtiger Häuptling war. Er war zum Ting gekommen mit seinen Brüdern und vielen Mannen, so daß[101] Gunnar's Schaar die seiner Feinde an Größe und Trefflichkeit übertraf. Nach Nial's Rath machte Gunnar nun die Sachen, die er gegen Thorgejr und Önund vom Teufelswalde auf sich genommen hatte, anhängig und als seine eigne Sache vor das Gericht gebracht wurde, wies Nial Mörd gegenüber nach, wie Gunnar die Gefallenen für rechtlos erklärt und in jeglicher Weise so gehandelt habe, daß das Gesetz auf seiner Seite stand. Da aber trat Hjalte Skjeggesohn vor und sprach: »Ich habe nicht theilgenommen an Eurem Rechtshandel, jedoch möchte ich gern wissen, wieviel Du, Gunnar, um meiner Bitte und meiner Freundschaft willen zu thun bereit bist.« »Was erbittest Du Dir?« fragte Gunnar. »Ich bitte,« versetzte Hjalte, »daß Ihr alle diese Sachen dem Urtheil Gleichstehender vorlegen und sie braven Männern zur Entscheidung überlassen wollt.« »Ja,« sagte Gunnar, »darauf will ich eingehen, falls Du mir versprichst, niemals mir gegenüber zu stehen, mit wem ich auch immer verfeindet werde.« Das versprach Hjalte und beredete sich auch mit Gunnar's Widersachern, und es kam darauf hinaus, daß beide Theile sich über den Vergleich einigten und sich gegenseitig Sicherheit zusagten. Außer Hjalte selbst wurden nun Asgrim Ellidagrimsohn und Nial zu Richtern erwählt. Für die Wunden, die Gunnar Starkad und dessen Sohn Thorgejr geschlagen hatte, sollte er keine Buße zahlen und auch nicht für Egil's Tödtung, denn diese Thaten wogen die Klagen auf, die Gunnar anhängig gemacht hatte. Des Ostmanns Thore und Kol Egilsohn's Tod sollte Hjort's Tod aufwiegen. Für die übrigen erschlagenen Männer aber sollte Gunnar Buße zahlen, freilich nur die halbe Mannbuße, weil er der überfallene Theil war. Nial hatte sowohl bei Starkad als auch auf Sandgil eine Summe zu fordern und diese überließ er an Gunnar, um die Bußen zu erlegen, und was noch an dem Gelde fehlte, wurde sogleich herbeigeschafft, denn viele Freunde hatte Gunnar auf dem Ting. Darauf vertheilte er an die Häuptlinge, die ihm Beistand geleistet hatten, gute Gaben, so daß er mit vieler Ehre aus dem Rechtsstreit hervorging und alle darüber einig waren, daß niemand ihm gleichkomme im Südlande. Er ritt vom Ting heimwärts[102] und wohnte in Frieden auf seinem Hofe, seine Gegner aber beneideten ihn gewaltig ob seiner Ehre und seines Ansehens.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 100-103.
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