Thraen Sigfussohn's Tod.

[130] Drei Wochen nach Winters Anfang ritt Thraen Sigfussohn zu einem Gastmahl seines Freundes Runolf Ulfsohn auf Dal östlich vom Markarfluß. Mit ihm zogen Hrap und Grane, Gunnar Lambesohn und Lambe Sigurdsohn und außerdem noch drei Männer; überdies waren sowohl Halgjerde wie auch Thorgjerde mitgeritten. Ketil von Mörk war gleichfalls auf Dal, und er und Runolf suchten Thraen zu einem Vergleich mit den Nialsöhnen zu bewegen. Er aber sagte, er wolle ihnen niemals Geld zahlen. »Ich bin bereit, es mit ihnen aufzunehmen, wo wir auch zusammentreffen,« äußerte er. »Das mag schon sein,« versetzte Runolf, »aber mir scheint, es kommt niemand ihnen gleich, seitdem Gunnar von Hlidarende gefallen ist.« Als das Gastmahl zu Ende war und Thraen Abschied nehmen wollte, bat Runolf ihn, zu einer anderen als der von ihm festgesetzten Zeit heimzukehren.[130] »Das würde feige gehandelt sein,« versetzte Thraen, »das thue ich nicht!« und darauf ritt er am Abend fort mit den Gaben, die er beim Abschied empfangen hatte. Am nächsten Morgen erwachte Nial in der Frühe und hörte Skarphedin's Axt an der Bretterwand erklingen, und er erhob sich sogleich und ging hinaus. Da erblickte er seine vier Söhne und Kaare vollständig gewappnet. »Wohin, mein Sohn?« rief er Skarphedin zu. »Schafe wollen wir suchen,« antworte dieser. »Das sagtest Du schon früher einmal,« versetzte Nial, »da jagtet Ihr aber Männer.« Skarphedin lachte, Nial aber ging ins Haus zurück. Die andern stiegen nun hinauf nach Rödeskride, von wo man den Weg von Dal her überschauen konnte. Man hatte nämlich auf Bergthorshvol erfahren, wann Thraen zurückkehren wollte; Bergthora hatte es von einigen Bettelweibern gehört, denen er und sein Gefolge auf dem Hinwege über den Markarfluß geholfen hatte. Es währte denn auch nicht lange, bis Thraen den Fluß entlang geritten kam. »Es blitzen Waffen im Sonnenschein dort oben auf Rödeskride,« bemerkte Lambe Sigurdsohn. »Dann wollen wir nicht hier den Fluß überschreiten, sondern weiter hinabreiten,« sprach Thraen; »wollen sie mit uns anbinden, dann werden sie schon zu uns herüberkommen.« »Jetzt haben sie uns erblickt,« rief Skarphedin; »denn sie lenken vom Wege ab; nun müssen wir über den Fluß und ihnen entgegengehen.« Der Fluß war mit Eis bedeckt, nur in der Mitte war eine offene Rinne in einer Breite von zwölf Ellen, weiter stromabwärts aber reichte das Eis von Ufer zu Ufer. An dieser Stelle wollten sie den Fluß überschreiten, um dann zurückzugehen und Thraen zu begegnen, und begannen darum rasch zu laufen. Da sprang Skarphedin's Schuhschnalle, und er blieb zurück, um sie zu befestigen. »Laßt uns voran eilen,« rief Kaare den andern zu; »er kommt doch nicht später als wir!« und damit ging es weiter. Als Skarphedin aber fertig war, erhob er seine Axt Rimegyge und rannte aufs Eis hinaus. Als er an die Rinne kam, sprang er in einem gewaltigen Satze über sie hinweg. Auf der anderen Seite war das Eis so glatt wie Glas, und Thraen stand etwas weiter abwärts mit seinem Gefolge. Mit dichtgeschlossenen[131] Füßen sauste Skarphedin über das Eis auf ihn zu, so schnell wie ein Vogel fliegt. Thraen hatte seinen Helm abgenommen, ehe er ihn aber wieder aufsetzen konnte, traf Rimegyge sein Haupt und spaltete es bis zu den Zähnen, so daß diese auf dem Eise umherrollten. Skarphedin bewegte sich so rasch, daß niemand ihn treffen konnte. Ein Mann schob ihm einen Schild vor die Füße, er aber setzte über denselben hinweg und eilte in fliegender Fahrt dahin, wo seine Brüder und Kaare standen. »Das war eine kühne That,« sprach Kaare. »Jetzt ist die Reihe an Euch!« sagte Skarphedin, und so gingen sie denn alle fünf gegen Thraen's Gefolge hinan. Grim und Helge drangen auf Hrap ein. Er hieb nach Grim mit seiner Axt, aber Helge kam ihm zuvor und schlug ihm die Hand ab. »Daran thatest Du gut,« sprach Hrap, »diese Hand hat manchem Mann Schaden und Tod gebracht.« »Dem wollen wir nun ein Ende machen,« er widerte Grim und durchstieß Hrap mit dem Speer, so daß er entseelt niedersank. Inzwischen erschlug Kaare einen andren von Thraen's Mannen. Skarphedin aber fing Gunnar Lambesohn und Grane Gunnarsohn. »Hier habe ich zwei Hündlein gefangen,« rief er; »was soll ich nun mit denen anfangen?« »Du magst sie beide tödten, wenn Dir daran liegt,« entgegnete Helge. »Ich kann doch nicht zugleich Högne's Freund sein und seinen Bruder tödten,« versetzte Skarphedin. »Die Zeit wird aber kommen, wo Du wünschen wirst, ihn getödtet zu haben,« sagte Helge. »Ich fürchte mich weder vor ihm noch vor einem der übrigen,« antwortete Skarphedin, und damit wurde allen, die noch am Leben waren, ihre Freiheit geschenkt. Gunnar Lambesohn führte Thraen's Leiche mit sich nach Grytaa, wo ein Hügel über ihr aufgeworfen wurde. Die Nialsöhne aber kehrten heim und erzählten ihrem Vater, was sie gethan hatten. »Das sind große Ereignisse, die Ihr verkündet,« sprach er; »sie werden ohne Zweifel den Tod eines meiner Söhne nach sich ziehen, wenn nicht mehr daraus hervorgeht.« Indessen folgte vorläufig kein Unfrieden darauf. Ketil von Mörk war Thraens nächster Anverwandter, und er war ja Nial's Schwiegersohn. Er ritt bald nachher zu Nial und fragte ihn, ob er für[132] seinen Bruder Buße zu entrichten gesonnen sei. Nial war dazu bereit und bat ihn, die übrigen Sigfussöhne zum Vergleich zu veranlassen. Högne Gunnarsohn unterstützte Ketil in dieser Sache und es wurde ausgemacht, man solle Schiedsrichter wählen, um die Sache zu schlichten. Alle diejenigen, die gesetzlichen Anspruch hatten, empfingen Bußen, und man machte Frieden und sagte sich Sicherheit zu. Aber ungefähr um diese Zeit trug sich etwas zu, was nicht unerwähnt bleiben darf. Der König von Norwegen Olaf Trygvesohn sandte Thangbrand aus dem Sachsenlande nach Island, damit er dort den Glauben an Christus verkünde. Nial und sein Haus waren unter den ersten, die den neuen Glauben annahmen, und es dauerte nicht viele Jahre, bis das Christenthum auf dem Alting rechtsgiltig angenommen wurde.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 130-133.
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