CXIIII.

[126] 1. Stehe ich alhie verborgen,

die finster lange nacht,

So gar in grossen sorgen,

gantz blind und unbedacht.


2. Sein ich von deinet wegen,

durch rath und Venus art,

So gar in grossen regen

bin ich verwund so hart.


3. Mit Jupiters pfeil durchschossen,

das junge hertze mein,

Bin ich gantz unverdrossen,

zu dienen dir allein.


4. Darumb so thu auffwachen,

mein schatz und höchster hort,

Vor trawren so mus ich lachen,

meiner kleglichen wort.


5. Das ich bey dir wer gerne,

du edles drüsserlein,

Du bist mein morgensterne,

doch fehlts an dir allein.


6. Du kanst die sach wol schicken,

so du mirs anders vergunst,

Löß mir auff bandes stricken,

der edlen fraw Venus kunst.[126]


7. Darmit wir möchten schertzen,

und treiben fraw Venus spiel,

Aus einem brünstigen hertzen,

geschehe unser beyder will.


8. Wenn ich gedenk der stunden,

darin ich war bey dir,

Küst ich dich auff deinen munde,

du adeliche zier.


9. Da war mir mein leid verschwunden,

vergangen war mir meine klag,

Ich dacht ich hette gefunden,

die mir im hertzen lag.


10. Mein hertz hastu besessen,

darzu mein haab und gut,

Des kan ich deiner nit vergessen,

du adeliches blut.


11. Kein schönere ist nie geboren,

die mir doch bas gefelt,

Gott hat sie mir außerkoren,

ich hab mir sie außerwelt.


12. Ob allen schönen jungfrawen,

das soltu glauben mir,

Das mag die welt wol schawen,

jr adeliche zier.


13. Darumb ist sie umgeben,

wie ich euch hie bericht,

Dieweil ich hab das leben,

wil ich sie verlassen nicht.


14. Sie trit herein gar schöne,

recht wie der pfawen art,

Von rotem gold ein krone,

jr haupt gezieret ward.


15. Darumb betracht der stunde,

versag mirs gentzlich nit,[127]

Beut mir dein roten munde,

ehe mir mein hertz zerbricht.


16. Mein hertz dein rosengarten,

sol als dein eigen sein,

Darinnen soltu spacieren,

nach alle dem willen dein.


17. Sey dir feins lieb gesungen,

hertz allerliebste mein,

Gott behüt dich vor falschen zungen,

solt mir die liebste sein.


18. Gott hat mich dir außerkoren,

zu lieb und leben allein,

Darumb wil ich Gott loben,

und ewig bey dir sein.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 126-128.
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