CXCIX.

[249] 1. Tag und nacht leid ich gros not,

elend hat mich umgeben,

Viel lieber wer mir schier der todt,

denn stehts in jammer zu leben,[249]

Sich hat verkehrt, mein freud erwert,

ich leb in grossen nöten,

ich rede das, wird mir nit bas,

die lieb wird mich ertödten.


2. O Venus was hab ich dir gethan,

was wiltu aus mir machen,

Das ich kein stund nicht ruh mag han,

das seind erbermliche sachen,

Das ich in pein mus stetig sein

so gar ohn als geniessen,

vergebens knecht, das ward nie recht

und möcht den teuffel verdriessen.


3. Rach begere ich auf alle die,

durch die ich freud mus meiden,

Wenn ich auf erden hab noch nie

erfahren solch leiden,

Als jetzund dann, das ich als han,

von Cupido dem jungen,

der scheust mit eil viel fewrer pfeil,

hat mir mein hertz durchdrungen.


4. O ach und weh und grosser schmertz,

glück ist mir gantz entrunnen,

Ich trag in mir Priamus hertz,

der tödt sich selbst beym brunnen,

Da er fand blut, und meint die gut

wer von den löwen gessen,

ich armer gauch mag billich auch,

mein leiden jm zumessen.


5. Doch wil ich nicht verzagen gantz,

und wil mich selber trösten,

Vielleicht mir glück geit auch ein schatz,

ich hoff es sey am besten,

Darmit ich mag, von tag zu tag,

meins glücks ein hoffnung warten,

gerieth mir ein kauff, o lauff glück lauff,

das spiel wolt ich baß karten.[250]


6. Ein solch glück mag mich noch wol

von aller not entbinden,

Darumb ich nit verzagen sol,

ich hoff ich sol noch finden

Den falschen grad, den früh und spat

nach meim unfal thut dürsten,

und würd er mir, alls ich hoff schier,

ich mein ich woll jn bürsten.


7. Als ich mir hab erwehlt ein schatz,

und mir zu trost erkoren,

Ich mein das sein dem alten gesatz

jhrs gleich nie sey geboren,

So wol geformirt, darzu geziert

mit tugentreichen ehren,

jetz schweig ich still, forthin ich wil

der hoffnung mich ernehren.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 249-251.
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