CCXV.

[274] 1. Störtzenbecker, und Gödeke Michael,

die raubten beyde zu gleichem theil,

zu wasser und nit zu lande,

Bis das es Gott im himmel verdroß,

des musten sie leiden grosse schande.


2. Sie zogen für den heidnischen Soldan,

die heiden wolten ein wirtschafft han,

sein tochter wolt er berahten,

Sie rissen und krischen wie zwen wilde bern,

Hamburger bier truncken sie gerne.


3. Störtzenbecker sprach sich allzuhandt,

die wester see ist mir wohl bekandt,

das wil ich uns wol holen,

Die reichen kauffleut von Hamburg

sollen uns das geloch (so) bezahlen.


4. Sie lieffen ostwert neben das leick,

Hamburg, Hamburg nun thue deinen fleis,[274]

an uns kanstu nichts gewinnen,

Was wir bey dir auch wöllen thun,

das wöllen wir jetzt beginnen.


5. Und das erhört ein schneller bott,

der was von einem klugen raht,

kam gen Hamburg eingelauffen,

Er fragt nach des eltest bürgermeisters hauß,

den raht fand er zu hauffen.


6. Mein lieben herren all durch Gott,

nembt diese redt auff ohne spott,

die ich euch wil verkünden,

Die feind liegen euch gar nahe hiebey,

sie liegen an wildem hafen.


7. Die feind liegen euch für der thür,

des habt jhr herren zweyer kür,

sie liegen da an dem sande,

Last jr sie wider von hinnen ziehen,

des habt jr Hamburger grosse schande.


8. Der elteste bürgermeister sprach zu hand,

gut gesell du bist uns unbekandt,

wobey sollen wir dir glauben?

Das solt jr edle herren thun

bey meinem eydt und trewen.


9. Ihr solt mich setzen auffs casteel,

so lang bis jhr ewer feinde sehet,

wol zu diesen stunden,

Spürt jr denn einig wancken an mir,

so sencket mich gar zu dem grunde.


10. Die edlen herren von Hamburg

giengen zu segel wol mit der flut

hin nach dem newen wercke,

Von nebel kundten sie nicht sehen,

so dunckel waren die wolcken.


11. Die sonn brach durch, die wolcken wurden klar,

sie fuhren fort und kamen dar,[275]

grossen preis wolten sie erwerben,

Störtzenbecker und Gödecke Michael

die musten darumb sterben.


12. Sie hetten ein hülck mit wein genommen,

damit waren sie auf die wiesen kommen,

dem kauffman da zu leide,

Sie wolten damit in Flandern reysen,

aber sie musten davon scheiden.


13. Hört auff gesellen trincket nun nicht mehr,

dort lauffen drey schiff in jener see,

uns grauset für der Hamburger knechte,

Kommen uns die von Hamburg ans bort,

mit jnen müssen wir fechten.


14. Sie brachten die büchsen wol an die bort,

zu allen schüssen giengen sie fort,

da hört man die büchsen klingen,

Da sah man so manchen stoltzen held

sein leben zum ende bringen.


15. Sie schlugen sich drey tag und auch drey nacht,

Hamburg die war darauff bedacht

wol zu denselben stunden,

Das uns ist lang zuvor gesagt,

das haben wir jetzt befunden.


16. Die bundte kuh aus Flandern kam,

wie bald sie das gerücht vernahm,

mit jhren starcken hörnen,

Sie gieng herbrausen durch die wilde see,

den hollick wolle sie verstören.


17. Der schiffer sprach zu dem stürman,

treib umb das ruder zum sturbort an,

so bleibt der holck bey dem winden,

Wir wollen jm lauffen sein kasteel entzwey,

das sol er wol befinden.


18. Sie lieffen jhm sein vorkasteel entzwey.

trawen, sprach sich Gödecke Michael,[276]

die zeit ist nun gekomen,

Das wir müssen fechten umb unser beyder leib,

es mag uns schaden oder frommen.


19. Störtzenbecker sprach sich allzuhand,

jhr herrn von Hamburg thut uns kein gewalt,

wir wollen euch das gut auffgeben,

Wöllet jhr uns stahn vor leib und gesundt,

und fristen unser junges leben.


20. Nein, sprach sich herr Simon von Utrecht,

gebt euch gefangen all auff ein recht,

und lasts euch nit verdriessen,

Helt jr dem kauffman kein leid gethan,

des werd jr wohl geniessen.


21. Da sie auff die richtstatt kamen,

nit viel guts sie da vernamen,

sie sahen die köpff stecken,

Ir herrn das sind unser mit compan,

so sprach sich Störtzenbecker.


22. Sie wurden gen Hamburg in die hacht gebracht,

sie sassen da nit lenger denn ein nacht

wol zu denselben stunden.

Ihr todt ward also sehr beklagt

von weibern und jungfrawen.


23. Ir herrn von Hamburg wir bitten umb ein bitt,

die mag euch zwar auch schaden nit,

und bringt euch auch kein quade,

Das wir mögen den Trovenberg hin gahn

in unserm besten gewande.


24. Die herren von Hamburg theten jhn die ehr,

sie liessen jn pfeiffen und trommen vorgahn.

sie hetten es erkoren,

Weren sie wider in der heydenschafft gewest,

sie hetten es lieber entboren.


25. Der scharffrichter hies sich Rosenfeldt,

er hieb so manchen stoltzen held,[277]

mit also frischem mute,

Er stund in seinen geschnürten schuhen,

bis an die enckel im blute.


26. Hamburg, Hamburg des geb ich dir den preis,

die seereuber werden es nu weis,

umb deinet willen müssen sie sterben,

Des magstu von gold ein krone tragen,

den preis hastu erworben.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 274-278.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die Betschwester. Lustspiel

Die Betschwester. Lustspiel

Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon