CCXIX.

[289] 1. Mein hertz thut sich erfrewen,

zur hertzallerliebsten mein, : | :

Ach Gott thu jrs verleihen,

das sies auch trewlich mein:

Gleich ichs jetzt gegen jhr,

also sie es auch zu mir

von hertzen grund thu meinen,

mit frölicher begier.


2. Also ich unbesunnen

gedenck bey mir allein : | :

Das mir scheinet die sonnen,

du edler sonnenschein:

Schein mir den weg zu jr,

nach jr steht mein begier,[289]

der schein thut mich sunst krencken,

das mag glauben mir.


3. Halt du den schatz vor ehren,

der dich so hertzlich liebt : | :

Das geld lest sich verzehren,

Gott verlest doch niemand nicht:

Wiewol ich jung und thumb,

jedoch ehrlich und from,

es wird mirs wol vertreiben,

wen ich in ehestand kom.


4. Solten wir ehelich werden,

wer es doch Gottes gabe : | :

Und solt die lieb zunemen,

gleich wie sie nimmet ab,

Betrachts bedencks gar fein,

wie freundlich ich es mein,

doch mus Gottes wil geschehen,

bey dem es steht allein.


5. Solt ich mich dein entschlagen,

geschicht doch nimmermehr : | :

Hertzlieb so thu es wagen,

und nim mich zu der ehe:

Heimlich, still, unvermeldt,

vielleicht es dir gefelt,

thu dein willen drein geben,

du theurer schöner heldt.


6. Allein auff dieser erden

ist sie mein gröste freud, : | :

Kan sie mir denn nicht werden,

durch falsche untrew leut:

Hoff ich und denck mit fleis,

das ich in solcher weis

wil mit und bey dir bleiben

im ewigen paradeis.


7. Darin wir möchten leben

in ewigen freuden gros,[290]

Du bist mein schatz auff erden

darzu mein einiger trost:

Bitte dich zu mir gesell,

es geh gleich wie es wöll,

jetzund auff dieser erden,

allein du mir gefellst.


8. Sols jhr mit sein verlohren,

die mich nam zu der ehe,

Und sein einem andern worden,

geschech meinem hertzen weh:

Herlich ich jhr beger,

ist mir auch lieb und werd,

von jr sol mich niemand scheiden,

denn nur der todt auff erd.


9. Und eh ich sie wolt hassen,

sprich ich zu dieser stund,

Eh wolt ich all freud verlassen,

so spar dich Gott gesund,

Wiewol ich bin jetzund

gegen dir zu aller stund,

wil ich dich nicht auffgeben,

dieweil mir Gott das leben günt.


10. Das liedlein thu ich singen

der hertzallerliebsten mein,

Zu trutz den falschen zungen,

sol mir stehts die liebste sein:

Heimlich mit muth verpflicht,

wil ich dich verlassen nicht

bis an mein letztes ende,

wenn mir mein hertz zerbricht.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 289-291.
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