CCLIII.

[363] 1. Kund ich von hertzen singen

ein hübsche tageweis

von liebe und bittern schmertzen,

nun mercket auff mit fleis,

wie es eins königs tochter ergieng

mit einem jungen graffen,

nun hört hübsch wunder ding.[363]


2. An jres vaters hofe

manch edler ritter war,

noch liebet jr der graffe

auff erd für alles das,

was Gott durch sein weißheit beschuff,

heimlich aus betrübtem hertzen

thet sie gar manchen ruff.


3. Herr Gott send mir das glücke,

das er mein hertz erkenn,

lös mir auff band und stricke,

fraw Venus edle mein,

wie der jungfraw im hertzen war,

also war auch dem graffen,

allzeit ohn unterlas.


4. Keins dorfft dem andern öffnen,

was jhn im hertzen lag,

ein jeglichs thete hoffen,

eins seligen reichen tag,

der doch zu letzt mit jammer kam,

eins thet dem andern schreiben,

und legten hin jr scham.


5. Ein tag der war gemeldet,

zu einem brunnen kalt,

der lag fern in dem felde,

vor einem grünen wald,

der eh kem zu des brunnens fluß,

der solt des andern warten,

also war jr beschluß.


6. Die jungfraw thet sich zieren

in einen mantel weis,

jhr brüst thet sie einschnieren,

vermachts mit gantzem fleis,

auch sprach die edle jungfraw schon,

kein man sol mich auffpreisen,

dann eines graffen sohn.[364]


7. Da sie kam zu dem brunnen,

sie fandt gros freud und lust,

sie dacht ich hab gewonnen,

mein trawren ist verdust,

aus aller noth bin ich erlöst,

o Gott das ich her sehe reiten

mein hoffnung und mein trost.


8. Zu hand lieff aus dem walde

ein grimme lewin her,

die jungfraw lieff gar balde,

und floch von dannen fern,

und kam so weit denselben tag,

jren mantel lies sie liegen,

daraus kam not und klag.


9. Die lewin gebar jr jungen,

wol auff dem mantel gut,

der mantel war besprenget

mit schweis und rotem blut,

darnach die lewin wider gieng,

zum wald mit jren jungen,

da kam der jüngling.


10. Da er den mantel fande,

besprenget mit blut so rot,

da schrey er laut zu hande,

o weh mein lieb ist todt,

da sie mich nit gefunden hat,

sie hat sich selbs ertödtet,

o weh der grossen not.


11. Nu mus es Gott erbarmen,

thet er so manchen ruff,

o weh o weh mir armen,

seid das mich Gott beschuff,

sein schwerdt das zog er aus der scheid,

kom mir zu meinem ende,

Maria du reine magd.[365]


12. Wie hastu mein vergessen,

wo ist das edle weib,

hand sie die thier gefressen,

so kost es meinen leib,

ist sie durch mich gestorben hie,

jren leib wil ich bezalen,

er fiel nider auff beide knie.


13. Gott gesegen dich mon und sonne,

desgleichen laub und graß,

Gott gesegen dich freud und wonne,

und was der himel beschloß,

sein schwerd das stach er durch sein hertz,

es sol kein weibesbilde

nimmer durch mich leiden schmertz.


14. Da es was umb den abendt,

die jungfraw wider kam,

zu dem brunnen sich nahet,

ein tödtlich hertz vernam,

so bitterliche klag fürwar,

sie wand jr schneeweisse hende,

rauff aus jr gelbes haar.


15. Die jungfraw fiel darnider,

gar offt jhr da geschwand,

wenn sie auffblicket wider,

jhr onmacht sie empfand,

das trieb sie also dick und viel,

bis an den liechten morgen,

jr klag ich kürtzen wil.


16. Die jungfraw thet sich neigen

wol auff den graffen schon,

Gott gesegen dich erb und eigen,

und königliche kron,

deßgleichen fewr, wasser, lufft und erd,

in dem thet sie auffspringen,

und zog aus jm sein schwerdt.[366]


17. Das schwert begunt sie stechen

durch jhr betrübtes hertz,

Gott wölst nit an mir rechen

die ding zu bitterm schmertz,

so es warlich am tage leit,

die liebe überwindet

all ding in dieser zeit.


18. Hastu durch mich auffgeben

land, leut, ehr und auch gut,

verzehret hie dein leben,

und auch verzehrt dein blut,

du hast gemeint ich sey ermordt,

da wil ich bei dir bleiben,

ewiglich hie und dort.


19. Damit wil ichs beschliessen,

die schöne tageweis,

herr durch dein blutvergiessen

gib uns das paradeis,

das lied schenck ich einer jungfraw rein,

durch sie wolt ich auch sterben,

auff erd möcht er gesein.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 363-367.
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