LXXV.

[73] 1. Man singet von schönen jungfrawen viel,

jhr lob ich allzeit preisen wil,

der ich so lang gedienet hab,

Ihr ehr, ihr gut,

und stolzer mut,

hat mir mein hertz besessen.


2. Ich lag einmal in schwerer not,

als wer mir mein vater und mutter todt,

mein hertz schreit immer waffen.

Elend bin ich,

elend krenckt mich,

elend läst mich nicht schlaffen.


3. Da ich erwacht war alles umsunst,

ich was entzünt in liebes brunst,

und leid darzu gros schmertzen;

In derselben nacht,

lag ich und tracht,

als lege sie an meinem hertzen.


4. Wie möcht ich nur mehr frölich sein,

denn sehen die allerliebste mein,

ja die liebste auff dieser erden,[73]

Die ich jtzt han,

die ist mein kron,

kein liebere sol mir werden.


5. Wie möcht ich nur elender sein,

denn ich scheide von der allerliebsten mein,

jetzund auff dieser erden,

Das sol nicht sein,

ich hoffe die rein,

sol mir dennoch werden.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 73-74.
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