CIX. Der unerschrockene Westphälinger.

[235] Es kam zu besagtem Amsterdam eine Leinwandskramer aus besagtem Land durch die neue Straffe herein /und fragte gleichergestalt vor den Häusern / ob nicht jemand ein stücklein fein Leinwand kauffen wolte? in dem kam er bey einer Herberge in gemeldter Strassen / da er hinein geruffen / und von dreyen Messieurs ersuchet ward / gegen Morgen mit einem stücklein feiner Leinwand dahin zu kommen / welches des andern Tages auch geschahe. Der Kramer komt dahin mit einem stücklein Wand / er wird hinauf geruffen / da das Leinwand besehen ward / und begunten darumb /was es gelten solte / zu handeln. Indem zog einer von diesen Gästen eine Hand voll Gold aus einer Ficken /legte es auf die Taffel / und sagte zu den Kramer /komt her / ich wil mit euch darumb spielen / ich setze dieses Gold gegen euer Leinwand. Der Kramer sagte /ich kan nicht spielen; Und blieb also mit seiner Leinwand stehen. Unterdessen fiengen die andern an / mit einander zu spielen / und der Kramer satzte sich nieder und schmauchte eine Pfeiffe Toback / und wartete darbey mit Verlangen / sein Geld zu empfangen /worüber sie mit ihm waren eins worden. Wie sie eine Weile gesessen hatten / nam der eine / so das Gold allda niedergeleget / dasselbe auf / und zehlete es wie der über / und sagte darnach / es weren 4 Stücke davon gestohlen / und beschuldigte alsbald den[235] Kramer / daß er sie gestohlen hätte / stehet auf und fält ihm am ersten auff den Leib / und schlägt gewaltig auff ihn loß / weiter tommen sie selb vierdte / drangen ihn hinter die Taffel / schlagen ihn braun und blau /und nehmen ihm alle sein Geld aus seinem Sacke /halten vier stücken Gold in ihrer Hand / und weisen sie unter dem Gelde / so sie aus seinem Schiebsack herauß genommen hatten / und sprachen / seyet ihr Schelm wohl / da ist das Geld / das ihr gestohlen habt / und schelten und schlagen ihn weidlich ab / und jagen ihn von oben die Treppen herunter / und sprachen: Du Dieb / wir wollen dich Geld stehlen lehren. Darauff der Kramer sagte / daß sie das lögen / er hätte ihnen ihr Geld nicht gestohlen / und wie er herunter komt / laufft er eiligst zur Thür herauß / und schreyet Mord / Brand / Mord / Brand / und zwar mit solchen erbärmlichen Geberden / daß die Nachbaren erschracken / vor die Thüre kamen / und fragten / wo ist der Brand? Der Kramer / so heßlich zerschlagen / seine Kleider zerrissen / den Hut vom Kopf verlohren / rieff mit grossem Jammern: Da sind Diebe / die haben mir meine Leinwand und Geld gestohlen; Der Wirth kam alsofort und wolte den Kramer wieder ins Hauß haben / er solte sein Geld und Leinwand wieder kriegen (welches sie / kein Wesen und Tumult zu machen ihm gerne wolten wieder geben) aber der Bauer sprach /sie sollen darmit nicht loß kommen / und haben mich also darzu geschlagen. Unterdessen kamen durch diesen Aufflauff viel Leute vor die Thür / und darunter auch ohngefehr ein Schultzen-Diener / so vorüber gieng / der fragte die Leute / was allda zu thun were /darauff geantwortet wurde / daß allda ein Mann geschlagen und ihm sein Geld abgenommen were. Der Diener gieng in das Hauß / da ward ihm erzehlet / daß[236] der Kramer diesen Monsieur sein Geld gestohlen /welches sie auß seinem Schiebsacke wieder herauß geholet / und er darumb Schläge bekommen hätte. Der Kramer aber sagte / daß weren alles eitel Lügen /sie hätten ihm sein Geld sampt seiner Leinwand gestolen / und noch darzu so geschlagen / also daß ein grosser Tumult da war / der eine sagte daß ihm sein Geld und Leinwand gestohlen sey. Darauff der Diener sagte / der Kramer solte mit nach dem Gefängniß gehen / das wil ich gerne thun / sagte er / aber der ander soll auch mit gehen / denn er ist ein Dieb. Weil dieses Wesen wehrete / kamen die andern drey davon / und der Kramer nebenst dem / der ihm beschuldigte / nach dem Gefängniß / allda sie beyde verhöret wurden / und befunden / daß der Kramer recht hatte / und der andere ein falscher Spieler war / dem auff Nachsuchen alle sein Gold / das er sonder Zweiffel mit falschen Spielen gewonnen hatte / abgenommen / und er in geheim wacker gegeisselt und gestäupet wurde. Der Kramer ward frey ohne Unkosten loß gelassen und bekam sein Landwand wieder. Dargegen der andere mit einem rothen Futter-Hembde beschencket und der Stadt verwiesen ward.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 235-237.
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