CL. Der listige Perlenschlucker.

[328] Auß Pariß / vom 22 Augusti N.E. hat man dieses Jahr 1685 nachfolgendes geschrieben: Es hat sich dieser Tagen ein seltzamer Casus alhir[328] begeben / indem ein auff seyn Diebs Handwerck eine geraume Zeit gewanderter Beutelschneider / nett und statlich gekleidet /und also in Gestalt eines fürnehmen Herrn / sich zu einem Hoff-Cavallier gesellet / eine gute Zeit mit demselben / unvermerckt der hinter ihm steckenden Dieberey / umbgangen / endlich auch von demselben mit nach Hause genommen / und nach den äusserlichen Würden tractiret worden. Wie nun dieser verkleidete Gesell nach gehaltener Mahlzeit inne worden / daß ersagtē Cavalliers Eheliebste / die sich eben zur Mittags-Ruhe niederlassen wollen / eine kostbahre Schnur Perlen umb den Halß getragen / da hat er ihr dieselbige mit ungemeiner Behendigkeit vom Leibe practisiret / und weil er sie anders nicht besser zu verbergen gewust / durch den Kragen in seinen Magen gesand. So bald die Frau erwachet / und sich für dem Spiegel beschauet / vermisset sie ihre Perlen; der über diesen Verlust geschöpffte Verdacht aber ward alsobald auff den zu gutem Glück noch anwesenden verkleideten Beutelschneider geworffen / welchen auch diese gleich ankommende Wacht darumb befragte /weniger aber als nichts auß ihm zu bringen vermochte / man suchte ihn durch und durch / aber da war nichts bey ihm von den gestohlenen Perlen zu sehen oder zu hören. Weil aber gleichwohl der auff ihn / gefaste Verdacht / einmahl für allemahl blieben / und man gleichwohl ihn das Geringste nicht überzeugen / noch etwas bey ihm erweisen können / hat man ihm / auff einrathen eines listigen Kopffs / zwo starcke Purgantzen beygebracht / welche den Behälter der edlen Perlen / sonder Schlüssel / dergestalt eröffnet / daß dieselbe binnen kurtzer Frist / auß der tieffen Finsternüß unversehret wieder an des tages Licht sind gebracht worden. Beydes hat bey Hoff / alß derselbe hievon Nachricht erhalten / einen sonderbahren Spaß und Gelächter[329] erwecket; der Perlenschlucker aber ist gefanget gesetzt / und hat seine 2 Purgantzen / sampt andern bey sothaner Diebs-Action auffgewanten Unkosten zur Gnüge ersetzen müssen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 328-330.
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