CLXXXI. Die listige Käyserin.

[404] Es war ein Käyser / dessen Ehe-Gemahlin einen Hoff-Junckern ungebührlich liebte: Dieß wurde dem Käyser geoffenbahret / der dann sein untreues Weib dahin verurtheilete / daß sie schuldig seye / dermittels eines Leiblichen Eyds / zu beweisen / daß sie der Unzucht halber unschuldig seye. Nun war aber zu Rom ein hohler Stein / Bocca de la verita genand / darein die jenige / welche schwuren / ihre Hände legen müssen /haben sie nun recht geschworen / so seynd die hinein gelegte Hand ohne Schaden geblieben; Wiedrigenfals aber von dem Mundloch des Steins abgebissen worden? Was wil nun die beängstigte Käyserin thun? schwäret sie / so wird ihr Laster offenbahr; Schwöret sie aber nicht / so machet sie sich selbsten hiedurch schuldig / nach dem gemeinen Sprichwort: Schuldigen Mann kombt Grausen an: Sie sahe vor Augen die schwebende Todesfurcht und Gefahr / seufftzet zwar innerlich umb Reu und Leid / aber dieses Trauer-Lied ist zu schwach und zu spat / nach verübter Missethat. Erdachte demnach nachfolgende Arglistigkeit: Sie gab ihrem Buhlen den verschmitzten Raht / wann man sie / zu Ablegung des aufferlegten Eyds / an bemelten Ort führen werde / daß er ein Narren-Kleidt anlegen / sich unter die Schaar der Zuseher mischen / sie ungescheut mit Händen umbfangen und küssen / auch unverzüglich hierauff die Flucht nehmen solte. Als nun dieses fürgangen / schwur die Käyserin offentlich mit Hineinlegung der Hand / daß niemand dieselbe als allein der Käyser und dieser unverschämbte Stock-Narr an ihrem[405] Leib berühret habe / unn weil sie hierüber ihre hineingelegte Hand wiederumb frisch und unversehrt heraus gezogen / ist sie / wieder männigliches Verhoffen / frey und ledig gesprochen / und dem Käyser wiederumb sein ehrliches Weib überantwortet worden; Von solcher Zeit an hat der Wahrsagerische Stein seine Wirckung und Tugend verlohren.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 404-406.
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