CLXXXVII. Der entdeckte Diebstahl.

[410] Ein armer Bauersmann / weil er wenig Grundstuck und Acker in Besitzung / und dahero jährlich eine schlechte Getreids-Einsamlung zu gewarten hatte /suchte Sein und der Seinigen nohtwendige Nahrungs-Mittel bey den Hanen und Hennen / welche er in grosser Anzahl erhielte / und unter andern / auch die gelegte Eyer anderwerts verkauffte. Nun war aber eben in demselbigen Dorff ein untreuer Nachbahr / welcher ihme einen guten theil der Eyer heimlich entfrembdete. Der Argwohn war zwar wol / hingegen aber / die stichhaltende Probations-Mittel / nicht vorhanden /erdachte demnach einen wunderlichen Fund / wie er auff den öffters wiederholten Diebstall kommen / und den Dieb offentlich zu schanden machen könte. Nahme dahero etliche Eyer / machte die äusserliche Schaalen auff mit einer gar kleinen Nähnadel / hierein thäte er ein Roß-Haar schieben / welches alsobald /zusammen lieffe / und das kleine Löchlein verstopffte.[410] Alle dergleichen Eyer thäte der Bauer in die jenige Nest- oder Oehrter / wo sich die Hennen aufhielten /legen. Der Dieb gienge hierüber bald hernach / seiner übel eingewurtzelten Gewohnheit gemäß / abermahl auff die unziemliche Jagt / seines Nachbahrn Eyer einzufangen / fande auch dieselbe / truge sie mit sich heim / und wolte sie nachdem sie gesotten / verzehren / wurde aber bald davon / in dem er darinnen / mit höchster Gemühts-Bestürtzung / die eingezogene Roß-Haar fande / abgeschreckt / da er war dermassen bestürtzt und unverschämt / daß er diese wunderseltzame Begebenheit seinem andern Nachbahrn erzehlte und klagte. Worüber dann der Diebstall und der Dieb offenbar / und derselbe durch seinen eignen Mund überwunden und gestraffet worden.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 410-411.
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