CIXC. Der listige Ulysses.

[416] Ulysses / der arglistige Fuchß / hatte eine unversöhnliche Feindschafft auff Palamedem / so bey den Griechen in grossem Ansehen und Würdigkeit stunde /heimlich geworffen. Damit er nun denselben umb das Leben bringen möchte / hat gedachter Ulysses einen erdichten Brieff / im Nahmen des Königs Priami /(dann dazumahl die Grichen / wegen der geraubten Helene die mächtige Stadt Trojam belägerten) auffgericht / darinnen Priamus demselben / wegen geleister Verrähterey / freundlich danckte / mit angehefter Bitt /mit dem Wenigen / so er hiemit zu schuldiger Erkenn- und Belohnung seiner treuerwiesenen Dienst überschickte / vorlieb zu nehmen: Ulysses machte hierüber die betriegliche Anstalt / daß bemeltes Schreiben in die Händ der Griechen geriethe. Palamedes wurde hierüber der schädlichen Verrähterey offentlich beschuldiget und angeklagt. Der Beklagte nahme in dieser höchsten Noht seine Zuversicht und einige Zuflucht zu dem verständigen Ulysse / als seinem vermeinten besten Hertzens-Freund (ja ein sauberer Vogel) bate ihn umb Hülff und Beystandt. Der Teufflische Politicus stellte sich mit auswendigen Geberden / gantz[416] mitleidentlich / versprache die äusserste Handbietung-Massen er dann / dem äusserlichen Vorwand nach / denselben bestermassen / bey dem versamleten Raht / in Abwesenheit seiner / (weilen Palamedes albereit in Verlusst lage) beschützte. Es sey dergleichen Privat-Schreiben nicht allerdings zu glauben / so wisse man auch nicht / ob des Königs Priami eigne Hand Unterschrifft darbey sey / es geschehe wol öffters / daß der arglistige Feind sich dergleichen Betrugs-Mittel bediene / hiedurch die treue Kriegs-Helden / darunter auch Palamedes verstanden / auff die Fleischbanck zu lieffern / und darüber auff seine eigene Schantz zusetzen. Müsse dahero nohtwendig in des Palamedis Gemach oder Zelt / unter seinen geheimen Sachen / nachgesucht werden / ob nicht etwan des Priami Verehrungen allda gefunden werden möchten /man müsse vorhero derentwegen eigentliche Gewißheit haben; Werde man dergleichen Verdächtigkeiten nicht spühren / so erfordert die Billigkeit und Erkennung seiner Heroischen biß Dato geleisten Kriegs-Thaten / daß der Beklagte wiederumb auff freyen Fuß / und in die vorige Staffel seiner Würdigkeit gestellt werde. Dieser Vorschlag wurde von der gesamten Rahts Versamlung nicht allein gelobt / sondern auch der schleunige Vollzug anbefohlen. Als man nun / bey Durchsehung seiner Sachen / etliche Goldstück / welches Ulysses durch seinen corrumpirten Diener heimlich hineintragen lassen / fande / würde der unschuldige Palamedes / als ein vermeintlich überwiesener Verrähter / mit Steinen zu tod geworffen. Da heißt es wol: Was der Mund saget / wiederruft sein Hertz /und läugnet seine Wercke; dann er redet viel Gutes aus einem bösen Munde.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 416-417.
Lizenz:
Kategorien: