CCXII. Der seltzame Liebes-Handel.

[440] Es hatte sich ein tapfferer Piemontesischer von Adel /so sich länger als ein gantzes Jahr zu Venedig aufgehalten / so sehr in die Schönheit einer jungen Schiffmans Frauen verliebt / daß er alle Mittel versucht / sie in sein Garn zu bringen. Diesem nach verfügte er sich einsmahls zu einer alten Kupplerin / die er eine außbündige Meisterin in diesem Handwerck zu seyn wuste / und gab ihr seine hefftige Liebe / die er zu dieser jungen Frauen / so sich erst kürtzlich an einen Schiffer / Nahmens Cornelius / Verheurahtet hatte /trüge / zu erkennen. Diese feine liebes Göttin nun / so sie schon von langem her gekennet / wolte eine so gute Gelegenheit / diesen Vogel zu rupffen / nicht aus Hände gehen lassen / sondern versprach ihm / ihm zu seinem Vorhaben nach ihrem äussersten Vermögen behülfflich zu seyn. Damit sie nun ihm eine genugsahme Prob ihres guten Willens / ihm zu dienen /geben möchte / gieng sie zu gedachter Schiffers Frauen / bey welcher sie dann ihre Kunst so wol anlegte /daß sie dieselbe zu dieses Edelmans Willen vermochte / und also an nichts anders als einen bequemen Orth / ihr Verlangen zu erfüllen / ermangelte. Der Edelmann / so wegen der glücklichen[440] Verrichtung dieser Kuplerin höchlich erfreuet war / gab ihr einen Diamant von 100 Francken / und versprach ihr / wann die Sach fortgieng / ihr noch ein mehrers zu schencken: Damit er aber sein Vorhaben besser ins Werck richten möchte / ließ er dieser jungen Frauen durch sie wissen / was er zu Vollziehung ihrer beyder Freundschafft für ein Mittel ersonnen. Nam deßwegen die Zeit und Gelegenheit in acht / und schickte nach ihrem Mann / daß er ihn auf dem Wasser spatziren führen solte. Der gute zukünfftige Hanrey / so sich dieses für eine Ehr hielte / stellete sich mit seiner Gundel am bestimbsten Ort ein. Nachdem sie nun eine Zeitlang auf- und abgefahren / nahm ihn der Edelmann auff eine Seite / und sagte zu ihm: Höret guter Freund Cornelius / ihr wisset wol / daß ich mich allezeit / so lang ich mich alhier aufgehalten habe /eures Dienstes gebraucht habe / darumb trage ich keine Scheu euch mein Geheimnüß zu offenbahren /welches ist / daß ich einer vornehmen Dame diese Nacht zu ihr zu kommen versprochen / ist demnach mein Begehren an euch / daß ihr mich dahin führen wollet. Der Schiffer / so seine Freygebigkeit schon offt erfahren / versprach in allem / was er ihm befehlen würde / ihm zu gehorsahmen: Wie es nun Nacht worden / und die bestimbte Stund herbey kommen /sagte er zu seiner Frauen / er würde gar späht heimkommen / weil er seiner guten Freund einem / so ihn zu gast gebeten / Gesellschafft leisten muste. Die gute junge Frau / wuste wol / daß solches Wasser auff ihre Mühl war / stellete sich als wolte sie ihn daheim behalten / weil er aber sein Wort gegeben / wolte er auch dasselbe halten / und führte seine Gundel an den bestimbten Orth. Der Edelmann so sehr begierig war /diejenige zusehen / die er so hefftig liebte / gieng geschwind hinein / und fuhr mit unglaublicher Geschwindigkeit fast durch alle Canäl der Stadt / biß daß er an den zu seinem[441] Vorhaben gewiedmeten Orth kame; so bald er nun außgestiegen / bat er den Cornelium / so lang zu warten biß er wieder käme / welches dann / so bald es möglich sein würde / geschehen solte / und versprach ihm / er wolte ihm schon dafür seinen Willen machen. Mein Herr / antwortete Cornelius / habt deswegen keine Sorg / sondern machet euch mit eurer Dame lustig / so lang ihr wollet / dann ich wil euer hier steiffes Fusses erwarten. Uber solchem Versprechen / nahm der Edelmann seinen Weg nach des Schiffsmans Frauen Hauß zu / die seiner mit Andacht wartete / und sich ins Bett legte / da man dann nicht fragen darff / ob diese zwey mit einerley Flammen brennenden Hertzen / dieses unkeusche Feuer zu leschen faul gewesen seyen; In dem nun diese beyde sich erlustigten: sahe sich mein guter Hanrey Cornelius nach dem Wind und dem Mondschein umb / weil ers ihm aber zulang machte / legte er sich schlaffen u schnarchete tapfer daher. Nach dem also der gute Edelmann seine Lust gnug gebüsset und einen guten Theil der Nacht damit zugebracht /nahm er seinen Weg wieder zurück / da er dann seinen Kerl gantz schlafftruncken angetroffen / der / als er erwacht / und nicht gedacht / daß ihm unterdessen ein paar Hörner aufgesetzet worden / ihn fragte / ob er auch an derjenigen / so er verhoffet / sey vergnüget worden. Ach mein guter Freund / sagte der Edelmann / ich schwere euch / daß ich nie grössern Lust gehabt /dann dieses ist die schönste und freundlichste Dame als ich die Zeit meines Lebens gesehen. In der Warheit mein Herr / antwortete der Schiffer / ihr macht mir das Maul wässern / und wann ich euch nicht versprochen / daß ich eurer warten wolte / so wolte ich ein Stündlein mit meiner Frauen / die / zum wenigsten meiner Einbildung nach / keine von den heßlichsten in dieser Stadt ist / die Zeit vertrieben haben. Der Edelmann stellete sich / als verwunderte er sich darüber / und sagte[442] zu ihm: Wie Corneli / ich habe nicht vermeinet / das ihr verheurahtet seyd / und seyd mir jetzo desto lieber / ich halte aber wol dafür / daß ihr euch nicht weigern würdet / einen Tausch zutreffen /wann ihr eine Dam antreffen soltet / die schöner als die eurige ist. Es ist war mein Herr / versetzte der Cornelius / daß ich so gesinnet bin / etwas geringes zuverlassen / und was bessers dafür zunehmen. Der Edelmann gab ihm zur Antwort: Weil ich euren guten Willen spühre / verspreche ich bey meiner Treue / daß ich euch derjenigen / so ich liebe / theilhafftig machen wil jedoch mit der Bedingung / daß ihr solches geheim haltet / dann / wie sie nicht jedermann zu willen ist / also wird es eine absonderliche Gunst seyn / die sie euch in Betrachtung meiner erweisen wird / daß sie euch bey ihr schlaffen läst: Ich weiß zwar wol /daß sie sich anfänglich etwas sperren wird / es hat aber nichts zu bedeuten / sondern sehet nur / daß ihr euer Gundel Morgen umb eben diese Zeit in Bereitschafft haltet / und überziehet sie mit einem Teppich /sie desto ehrlicher zu empfangen. Cornelius / so einen neuen Wechsel zutreffen verhoffte / sagte zu ihm /mein Herr / ich versichere euch / daß ich alles dieses so wol verrichten wil / daß ihr mit mir zu frieden seyn werdet. Wie nun der bestimbte Tag kommen / ermangelte der Edelmann nicht / sich mit seiner Schifferin /so wie die Venetianische Damen bekleidet war / und eher einer Princeßin / als einer gemeinen Frauen gleich sahe / einzustellen. Cornelius / als er sie in solchem Auffzug sahe / bildete sich ein / es wäre eines vornehmen Rahts-Herrn Frau / die sich von ihrem Mann geschlichen / umb desto freyer ihre Lust zu büssen. Weil nun der Edelmann sich seines Versprechens loßmachen wolte / sagte er zu ihm: Mein guter Freund Cornelius / ihr sehet anjetzo / daß ich euch lieb habe / weil ich euch dasjenige mittheile / was mir in der Welt am liebsten ist / allein sehet zu daß ihr[443] diese Sach verschwiegen haltet / wolt ihr anderst nicht in Gefahr eures Lebens kommen / dann ich hab sie überredt / ihr seyd einer auß den vornehmsten Häusern von Padua / und hättet euch / damit ihr nicht erkennet werden möget / wie ein Schiffer verkleidet. Ach! mein Herr antwortete Cornelius / ich wolte lieber sterben / als an dergleichen gedencken / dann ich habe nicht erst heut schweigen gelernet. Es ist gut /versetzte der Edelmann / so machet euch dann fertig /sie / so gut als ihr könnet / zu befriedigen / und bringet mir auff zukünfftigen Sonnabend zwey oder drey Essen Fische / weil ich einen von meinen guten Freunden zu gast laden will. Als er dieses gesagt /nahm er die Schifferin bey der Hand / und führete sie unter den Teppich / da sie dann ihren unordentlichen Lust wol büsseten / als unterdessen ihr Mann auff der verlohrnen Schildwacht stunde. Nach geendigtem Schärmüntzel / ließ er den Cornelium an seine statt kommen / und verbott ihm / daß er kein Wort reden /noch sich erkündigen solte / wer sie wäre. Der gute Gesell / so mehr auff seine Lust / als auff das Reden gedachte / war zufrieden / daß er nun einen braven Verliebten abgeben solte / und bekümmerte sich weiter umb nichts. Wie er nun das Seinige gethan / kam er wieder zu dem Edelmann / dem er das gute Tractament / so er vermittelst seiner genossen / nicht gnug rühmen konte / und zu ihm sagte: mein Herr / ich muß bekennen / daß ihr eine solche Persohn außerlesen / ja sagen / daß sie meiner Frauen gantz ähnlich ist / dann ihre Annehmligkeit / ihr Thun und Wesen hat eine solche Förmigkeit mit der Meinigen / daß / wann ich nicht wol wuste / daß sie daheim währe / ich sie für dieselbe halten wolte. Wisset ihr dann nicht / antwortete der Edelmann / daß man viel Kälber gen Marckt treibt / die einerley Haar haben / und doch unterschiedlicher Arth[444] sind. Es ist wahr / versetzte der Cornelius / darumb kan man sich leicht irren / wie es nun spatt in die Nacht hinein gangen / führte der Edelmann die Schiffers-Frau wieder in ihr Hauß / und konten unterwegs des Bossens / so sie diesem armen Teuffel gerissen / nicht genug lachen: Kam hernach wieder zu dem Cornelio / der seiner mit Schmertzen wartete / und schieden als gute Freunde von einander. Als nun der Sambstag kommen / kam Cornelius / seinem Versprechen ein genügen zuthun / in des Edelmans Losament / und brachte die besten Fische / die in der Stadt zu bekommen wahren / mit / und war an dem nicht genug / sondern wolte zugleich einen Koch abgeben. Nachdem Essen kamen etliche junge von Adel zu ihm / welche / als sie von deme / was mit dem Cornelio vorgangen / gehöret / ihn mit verblümten Worten aufzogen / jedoch war er nicht so einfältig / daß er nicht solte gemercket haben / daß man ihm Stein in seinen Garten geworffen / und in seinem Weyber gefischet. Der Edelmann aber / welcher befürchtete / er möchte seinen Zorn über die Frau außgehen lassen / ließ ihr durch einen Lackeyen sagen /daß sie sich unsichtbahr machen solte. Cornelius aber gieng ohne Abschied von der Gesellschafft hinweg /willens / seiner Frauen ungebrante Aschen zu versuchen zu geben / weil er sie aber nicht angetroffen / gerieth er darüber in solche Verzweiffelung / daß er gar aus dem Land gelauffen / und seine Frau des Edelmans Willen überlassen / der sie dann gar zu sich genommen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 440-445.
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