XCIX. Der angemaste Trauer.

[201] Du dieser Damen schicket sich nachfolgende / von welcher Philander von Sittwald schreibet / daß sie sich über ihres Mannes Absterben nicht wolte trösten lassen. Als nun einer zu ihr kam / ihr Trost mit zu theilen / und eine andere Parthey für zuschlagen /sprach sie: Ey sagt mir davon bey leibe nichts / ich nehme mein Lebtage keinen Mann wieder / stellete sich als ob sie umb dessen Willen sehr unwillig were! Da nun die Trösterinne stillschwiegen / und hinweg wolten[201] gehen / sagte sie / ich wil darinne euren guten Raht nicht verachten / wen meinet ihr / was ists für einer? Und aber gedencket er einer andern / welche aus grossem Leid ihres verstorbenen Eh-Herrns / und vieler Treu / ihr bey des Mannes Grab ein eigen Häußlein bauen lassen / damit sie nur gnugsam weinen könte / bliebe also Tag und Nacht draussen beym Grab / es war niemand der sie trösten möchte / die Traurigkeit über die getrennete Lieb war mehr als hundeet Klafftern lang unermeßlich. Nun trug sichs zu / daß man einen Missethäter an den Galgen hing /ward auch einer desselbigen zu hüten geordnet / damit er nicht etwan von seinen Freunden herunter genommen wurde; Dieser Wächter / da er des Lichts gewahr ward / da das er traurige Weib saß / gieng er hin / zu vernehmen was da währe / und da er sie kläglich Weinen und Seufftzen sahe / ward er bewegt / dem Weibgen zu zu sprechen / sich auch nahe zu ihr zu setzen und zu trösten. Die Magd / welche ihr Gesellschafft leistete / redete auch dazu / dieß sey ein wackerer junger Gesell / sie solte sich doch nur erinnern lassen. Ja wol sprach sie / sagt nichts von jungen Gesellen / ich nehme mein Lebtag keinen Mann wieder / o wie könte ich das meinem tausend-Schatz zu leid thun / der hie begraben liegt? fiel indem auf das Grab so lang sie war / doch richtete sie ihr Magd und der Diebs-Wächter wieder auff; die Nacht verging allgemach / und der Tag begunte anzubrechen / welches den Wächter forttriebe / nach seinem Dieb zu sehen / aber was Raths da? der Dieb war abgenommen / unterdessen dieser das betrübte Weib getröstet / lauffet wieder zu dem Häußlein / rupffet die Haare aus dem Kopf / und gehabt sich sehr übel. Entweder er muste wieder einen todten Cörper an den Galgen hangen / oder selbst daran. Das Weib / so vorhin gar betrübt war / ward hie erst recht taurig / doch er[202] holet sie sich / auf Zusprechē der Magd / welche rieth / man solte den todten Mann aus dem Grab nehmen / und ihn an statt des gestohlenen an Galgen hencken / und sie wiederumb diesen Jungen heurahten / welches der Wächter und die Frau beydes zufrieden wahren; freueten sich des guten Rahts / gruben den Todten auf / und hingen ihn an den Galgen. Das mag wol ein falsches Thier gewesen sein! Die ihren Hertzlieben Mann an den Galgen hänckt / and alsbald wieder einen andern heurahtet.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 201-203.
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