Zehnte Szene

[222] Barbara, Johann, Michel.

Wie der Vorhang aufgeht, ist Johann an der Drehbank geschäftig, Barbara tritt durch die Mitte ein, sie trägt eine große Blechtasse, worauf mehrere Kaffeeschalen und ein großer Hafen stehen, ein Gebäckkörbchen hält sie nebenher zwischen ein paar freien Fingern. Michel ist noch nicht sichtbar.


BARBARA. Da is der Kaffee. Herr Johann, hörn S' vom Arbeiten auf. Sie stellt das Mitgebrachte auf den Tisch und ruft. Michel! Setzen S' Ihnen daher, Herr Johann! Deutet auf das Sofa.

JOHANN. Oh, ich bitt, Frau Meisterin, wie komm ich dazu –?

BARBARA. Machen S' keine Umständ, wir sind alle nur Menschen. Lauter rufend. Michel, hörst nit?

MICHEL von innen. Ja, Meisterin! Tritt gähnend und sich reckend aus links. Ah!

BARBARA. Hast wieder gschlafen?

MICHEL. Ja, und träumt, daß ich Draxler werdn soll.

BARBARA zu Johann. Es is ein Skandal, der Meister schaut gar nit auf ihn, auf einmal wird sein Lehrzeit um sein, und er wird nix verstehn.

MICHEL. Das macht nix, die Genossenschaft muß mich doch von der Draxlerei freisprechen – wegen Mangel an Beweis.

BARBARA rückt ihm eine Schale und eine Semmel hin. Den Kaffee tragst hinunter, wenn der Herr da is!

MICHEL. Da laß ich 'n lieber glei herobn.

BARBARA. Du tragst ihn hinunter, auch wenn der Herr nit[222] da is! Zu Johann. Aber greifen S' zu, lieber Herr Johann – Rückt ihm den großen Hafen hin. –, da is das Tröpferl, das Ihnen vermeint is.

JOHANN. So viel! –

BARBARA. Greifen S' zu, es kommt vom Herzen.

MICHEL beiseite. Die Meisterin muß a groß's Herz haben, wenn so a Häfen Kaffee drin Platz findt.

BARBARA. Marschier und bleib gleich unten im Laden, damit man doch nit 'n ganzen Tag 'n Dienstboten alleinig im Gschäft laßt!

MICHEL. 's könnt sich ja a d' Meisterin abisetzen.

BARBARA. Geht das dich was an, kecker Bub? 's Gschäft is 'm Meister sein Sach. Ich hab im Haus z' tun.

MICHEL. Oder d' Fräuln Pepi.

BARBARA. Die hat außerm Haus z' tun.

JOHANN seufzend. Ah ja!

BARBARA. Jetzt steh mir nit weiter da herum!

MICHEL. Frau Meisterin, wenn der Herr nit da is, was gschieht denn nachher mitm Kaffee?

BARBARA. Kannst 'n selber trinken.

MICHEL. Vergelt's Gott!


Setzt die Schale an den Mund.


BARBARA. He, was treibst denn?

MICHEL. A wengerl abtrinken, daß ich nix verschütt, wär schad drum; sicher is er mir ja eh. Küß die Hand, Frau Meisterin.


Geht durch die Mitte ab.


BARBARA hinter ihm abgehend. Komm mir nit so bald wieder unter die Augen, das sag ich dir!

JOHANN allein. Ja – die Fräuln Pepi – daß die immer außerm Hause ist!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 222-223.
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