Elfte Szene

[223] Johann, Barbara zurück.


BARBARA. So, mein lieber Johann. Setzt sich an das andere Ende des Sofas, streift sich die Schürze glatt. Aber Sie essen ja gar nichts![223]

JOHANN. Nein!

BARBARA. Is er vielleicht nicht süß genug? A Stückerl Zucker? Nehmen S' doch, a Semmerl oder ein Kipferl. Lassen S' Ihnen nix abgehn.

JOHANN nimmt eine Semmel. Ich bin so frei, wenn's erlaubt ist.

BARBARA. Weil wir just so gemütlich beieinander sitzen, muß ich Ihnen doch sagen, obwohl Sie erst kurze Zeit bei uns sind, hab ich Ihnen doch was angmerkt, Sie Schlankl, Sie.

JOHANN. Was angmerkt – mir?

BARBARA. Na, na, lassen S' es gut sein, junge Leut sein amal junge Leut, und ich hab's net ungern, wenn s' a Gfühl zeigen. Mein Pepi sticht Ihnen halt in die Augen.

JOHANN würgt an einem ungeheuren Brocken. Uhum.

BARBARA. Das is weiter kein Sünd –

JOHANN lacht verlegen. Hehehe, nein, nein, hehe!

BARBARA. Aber a Unsinn.

JOHANN. Ja, aber warum denn?

BARBARA. Mein Tochter is nix für Ihnen. Erstens täts alle zwei miteinander nix habn –

JOHANN. Nein! Vorläufig –

BARBARA. Und dann hat sie ja die Bekanntschaft mit unserm Hausherrnssohn.

JOHANN seufzend. Ja!

BARBARA. Da muß man halt gscheit sein. Schaun S', Johann – Vertraulich näher rückend. –, muß's denn grad so a jungs Flitscherl sein?

JOHANN rückt etwas weiter. Wissen S', mir wär's lieber.

BARBARA. Das is halt Gustosach, aber wenn's wer mit einem gut meint, so muß man 'n nit nachm Taufschein fragn. – Essen S', lassen S' nix über, die Semmeln dürfen nit überbleiben, wurden ja altbacken. Stecken Sie's ein. Sie steckt ihm mit der rechten Hand eine Semmel in die rechte Tasche und, indem sie den Arm um seinen Leib[224] legt, mit der linken eine andere in die linke Rocktasche. So – sehen S' – so!


Johann bläst.


BARBARA. Schaun S' mich einmal an, Johann.

JOHANN hält mit beiden Händen eine Semmel, die er brechen will, über den Hafen. Wenn's die Frau Meisterin schafft. Wendet sich etwas nach ihr.

BARBARA näher rückend. Gfall ich Ihnen gar nit?

JOHANN läßt vor Schreck die Semmel in den Kaffee fallen. Ah! Springt auf und blickt in den Hafen. Da ist mir jetzt die ganze Semmel ...

BARBARA hat sich gleichfalls erhoben. Is ja kein Unglück. Werden s' gleich wieder herausfischen, wo schwimmt s' denn? Sie steht neben ihm, hat die Linke um seinen Leib gelegt, ihr Gesicht dem seinen ganz nahe gebracht und schlägt ihn jetzt mit der Rechten auf die Wange. Johann!

JOHANN reißt sich los. Loslassen! – Potiphar! – Verstanden? Wissen S', ich bin ein katholischer Gesell! Lieber ungegessen ins Himmelsreich als mit alle Taschen voll Proviant in d' Höll! Zieht eine Semmel nach der andern heraus und wirft sie ihr vor die Füße. Da – da!


Es wird außen geläutet.


BARBARA klaubt die Semmeln auf. Ja, ja, komm gleich. Wirft das Gebäck ins Körbchen, mit einem zornigen Blick auf Johann. So ein dummer Mensch is mir noch nit vorkommen! Was glauben S' denn von mir?


Wütend ab.


JOHANN. So was is mir noch in keiner Arbeit passiert.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 223-225.
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