Dritte Szene

[258] Vorige ohne Mostinger. Josepha, Katscher, später Mostinger zurück.


BARBARA droht ihnen mit dem Finger. Na, seids amal da, ös Schlimmen?

JOSEPHA läßt Katschers Arm fahren. Jesses – du mein Gott – wer steht denn da? Der Johann!

JOHANN linkisch und verlegen. Ja, ich bitt!

JOSEPHA gibt ihm die Hand. Grüß Ihnen Gott! Wie geht's Ihnen denn?

JOHANN seufzend. Ach ja!

JOSEPHA. War dös a Seufzer!

JOHANN. Ich bitt Sie, das ist jetzt allgemeins Bedürfnis und noch am billigsten.

JOSEPHA. Und wie Sö ausschaun! Ganz verwahrlost. Gehn S', halten S' Ihnen und lassen S' Ihnen a bissel auf gleich richten. Sie schickt sich an, seine Halsbinde zu ordnen,[258] wendet ihr Gesicht gegenüber dem seinen ab. Ui – und trunken hat er a! Na, Sie braucheten schon wirklich wem, der auf Ihnen schauet.

KATSCHER zu Barbara. Was is denn das für a Figur?

BARBARA. Brauchen nit z' eifern, es is nur a ehmaliger Gsell.

KATSCHER boshaft. Ah, wenn das a ehmaliger Gsell von Ihnen is, Frau Schalanter, dann hab ich kein Ursach.

MOSTINGER eilig aus dem Hause kommend; er trägt eine große Blechtasse, worauf Flaschen und Gläser stehen. So, meine Herrschaften – Verstummt sofort, wie er Tonl mit dem Gewehrriemen spielen sieht – entsetzt. Tonl – du Himmelsapperment – gehst mer weg, gehst mer vom Gwehr weg, 's könnt' ja 's größte Unglück gschehn!


Tonl springt von der Bank auf und läuft ins Haus.


BARBARA aufkreischend. Jesses! Es wird doch net gladn sein?

MOSTINGER besorgt. Freilich is's gladen.

SCHALANTER. Tun Sie's weg, wann S' a Furcht habn!

MOSTINGER. Glauben Sö, ich rühr das Ding an?! Ich kann ja nit umgehn damit. Es ghört mein mittern Bubn, der allweil, wo er nur kann, mit dö Jager rennt. Wo er's nachher daheim hinlehnt oder hinhängt, da bleibt's schon von mir aus, dös können S' mer glaubn. Aber dös is a wahr, der Sackermenter laßt sich nie blicken, wann er's ausm Weg räumen soll. Ja, ich tät schön bitten, wo setzen sich denn die Herrschaften hin?

SCHALANTER nach dem Tische vorne links weisend. Da setzen mer uns her. Ruck mer zsamm, habn mer alle Platz. Mit Verlaub. Guten Abend, Herr Feldwebel!


Martin salutiert und setzt sich an das rechte Ende.

Frey erwidert militärisch den Gruß.


SCHALANTER. Nur abirucken nacheinander.


Mostinger stellt die Flaschen und Gläser auf den Tisch, Schalanter schenkt ein, prüft das Getränk und füllt dann die Gläser der andern.[259]


JOSEPHA war, nachdem sie die Halsschleife Johanns geknüpft hatte, zurückgetreten, jetzt geht sie wieder auf ihn zu, vertraulich. Habn S' denn gwußt, daß wir herkommen?

JOHANN. Ah nein, davon hab ich kein Ahnung ghabt.

JOSEPHA. Dös wär jetzt weiter was gwesen, wann S' ja gsagt hätten und ließen mir die Freud!

JOHANN. Eine Freud? Ja, wenn ich das gwußt hätt!

JOSEPHA. Mein Lieber, wenn Sie nit so schön lügen lernen wie die andern, werden Sie's bei die Madeln nie weit bringen.

JOHANN. Verlang ich das, Fräuln Pepi?

JOSEPHA. Lassen S' doch d' Fräuln weg.

JOHANN. Haben Sie früher so was an mir bemerkt, oder leg ich's vielleicht jetzt darauf an, wo ich mich verwahrlos, trink und net auf mich schau?

JOSEPHA. Und muß denn das sein, daß S' Ihnen verwahrlosen, trinken und nit auf Ihnen schaun?

JOHANN. Das is ja eben 's Elend, es müßt gar nit sein, wenn man den natürlichen Dingen ihren Verlauf ... wenn man den Dingen ihren natürlichen Verlauf lassen hätt. Ah, Ihre Leut können's nit verantworten! Aber, Pepi, schaun S', wenn Sie mit Ihnen reden ließen – alles wurd gleich anders, wann Sie mit mir durchgingen, wohin, wo wir all zwei fremd sein, wann Ihnen die Leut gar nit kennen und wann ich mich über alles hinaussetz, Pepi, über alles –

JOSEPHA. Na, da hätten S' weiter was! Na, na, mein lieber Johann, aus Ihnen redt jetzt der Wein. Ich denk gar nimmer ans Heiraten; für ein Braven wär ich a Unglück, und ein Schlechten möcht ich selber nit.

BARBARA. Aber, Pepi, wie kannst denn 'n Herrn Katscher so lang alleinig sitzen lassen?

JOSEPHA. Jesses, er wird nit sterben! Ich komm gleich!

KATSCHER. D' Fräuln Pepi nimmt halt ein Gselln auf.

STÖTZL. Ein Altgselln.

SEDLBERGER. Ein ältlichen Altgselln.[260]

JOSEPHA. Wenn S' zahlt habn, Johann, so gehen S'! Ich will nit, daß auf Sie gstichelt wird. – Behalten S' mich im Andenken, aber schaun S' mer net nach, mich tät's nur scheniern, und Ihnen machet's kein Freud. Wann S' aber amal hörn, daß ich gstorbn bin, dann kommen S' zu meiner Leich – gwiß –, damit doch ein ehrlicher Mensch dabei is, 's andere wird eh lauter Glumpert sein.

JOHANN. O Pepi!

JOSEPHA tätschelt ihm die Wange. Na, na. Tschapperl, am End weinen wir gar, zahlet sich aus! Sein S' gscheit und schaun S' wieder auf Ihnen – hörn S' – machen S' mir nit die Schand, als ob mein Wort nix bei Ihnen geltet! – Bleiben S' gsund, alls andere gibt sich mit der Zeit. Den guten Willn gegen mich werd ich Ihnen nie vergessen, Johann. Drückt ihm die Hand. 's soll Ihnen recht gut gehn dafür! Schon halb gewendet, dreht sie sich rasch wieder gegen ihn. Sö, wann ich a bravs Madl find – so eine, die sich d' Hand, an der ich s' halt, sauber abwischt, wann s' erfahrt, wer ich bin – soll ich Ihnen s' rekommandiern? Ja? Gibt ihm einen leichten Schlag auf die Wange. Bhüt dich Gott!


Geht an den Tisch, wo die andern sitzen.


JOHANN. Und das Madl habn s' mir verschandiern müssen! Traurig durch die Mitte hinter dem Zaune links ab.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 258-261.
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