Zweite Szene.

[75] Vorige. Ferner tritt durchnäßt, aufgeregt, bleich, mit wirrem Haar durch die Mitte ein und schwenkt seinen nassen Hut aus.


FERNER dumpf. Gelobt sei Jesus Christus!

ALLE außer der Mahm. In Ewigkeit!

MAHM. Na, na, saut's nit d' ganz' Stuben ein, von Enk rinnt's ja abi – in Ewigkeit, Amen! Bleibt's fein dahint bei der Ofenbank. Hat Enk wohl a 's Wetter in die Berg' derwischt?

FERNER. Freilich!

MAHM. Wöllt's da unterstehn? Is recht. Seid's wohl von weit her? Was? Ich kenn Enk nit, seid's nit vom Ort.

FERNER setzt sich auf die Ofenbank. Nein.

MAHM. Ös seid's aber kurz.

ROSL. Laß 'n a die Mahm gehn, mer is nit so redselig, wann ein' so a Wetter orndlich durchg'weicht hat. Erzählt's lieber d' Gschicht'.

MAHM. Es war amal a Bauer, der war so viel reich und dem war a arm' Häusler Geld schuldig, viel' Jahr' her, und wie der arm' Mann zum Sterben kimmt, so laßt er 'n reichen Bauern an sein Totbett kämma und zahlt ihm all das, was er ihm schuldig is, aus, ruft dann sein Weib, sagt: Du, ich hab alles zahlt, und war tot; die arm' Wittib begrabt ihren Mann und nach a paar Täg'n drauf geht s' zum reich' Bauern und sagt: Mein Mann hat dich zahlt, gib mir die G'schrift drüber! Was, sagt der reich' Bauer, was willst du? Ich hab dir kein G'schrift z' geb'n, denn ich hab von dein' Seligen kein' Kreuzer Geld g'sehn.

ROSL. Der Halunk!

KATHREIN drückt sie an sich. Sei stad.

MAHM. Da is das arm' Weib in die G'richt' gangen, hat g'sagt, so und so hat mein Mann, Gott hab 'n[75] selig, angeb'n; der reich' Bauer aber sagt »nein«. Da hat der reich' Bauer vor G'richt müssen und hat keck die Hand aufg'hob'n zu unserm Herrgott und hat g'schwor'n, so is und so wär's, wie er g'sagt hat, und der arm' Wittib und ihre zwei Kindern hab'n s' ihr ganz's Hab wegg'nommen, und so war der reich' Bauer doppelt g'zahlt und doppelt reich und doppelt froh. Er hat sich denkt, jetzt hast der Sünd' ihr'n Vorteil und jetzt wirst wieder mit 'm Himmel auf gleich, und er hat ang'fangt, fleißig in die Kirch' z' gehn und z' beten und Almosen zu geben und Messen zu stiften, und hat von da an bei die Leut' nur der frumm' Bauer g'heißen. Hat sich a drauf was z' gut tan, daß ihm all's nach sein' Herzen is ausgangen. Hat er um ein' Reg'n bitt', so hat's g'regn't; hat er weg'n sein' Viehstand bet', so hab'n alle Küh' kalbt, daß's a Freud' war, und hat er z'weg'n sein' Kinderseg'n a Gebitt g'stellt, so is sein Weib so leicht niederkämma, daß kaum a Hebmutter nötig war, und hat er g'meint, 's möcht' a Bub sein, so war's auch einer! So is ihm, wie er g'meint hat, der Segen nur durchs Dach ins Haus g'fall'n, und er hat glaubt, daß neamand mit 'm Himmel besser stehn kann als er.

ROSL. Geht's, die G'schicht hat ein' Anfang, daß man sich muß giften. A so ein schlechter Kerl.

MAHM. So derwart's nur, 's Letzt' is's Beste.

FERNER sichtlich aufgeregt, kommt vor. Ös verzählt's da a G'schicht' – dö verintressiert mich – Ös erlaubt's Setzt sich auf den leeren Stuhl. ich hör so G'schichten gern.

MAHM. Na, so ruckt's halt zucher. – Aber, was is Enk denn, Ös zittert's ja wie im Fieber, kein' trocknen Faden habt's a nit am Leib, dös kann unmöglich a gut tun. Wollts Enk nit lieber ins Heu leg'n?

BADER. Das meinet ick auch. Seid's a g'scheit' Weib, Baumahm!

FERNER schüttelt energisch den Kopf. Verzählt's vorerst die G'schicht' aus. – Bin b'sunders drauf, wie's dem reich' frumm' Bauer noch gangen is. Stützt zuhorchend den Kopf in beide Hände.[76]

MAHM. Na, alsdann, wie ich sag, der Bauer hat g'lebt, so ruhig, als ob der Herr im Himmel verstorb'n wär und hätt 'm Teufel die Welt in Pacht geb'n. Und wie so sein End' herankämma is, so denkt er, jetzt machst es ganz richtig und es kann dir nit fehl'n, du mußt in Himmel und a da nit am letzt'n Platz, er schickt alsdann nach 'm Beichtvater, und wie der Knecht, der um den g'schickt war, kaum vors Tor tritt, kommt der Geistliche schon daher und sagt: »Ich weiß's schon, ich weiß's schon, bin schon da!« 's ganze G'sind' hat ihn drauf zum Bauern neingehn g'sehn, und wie er drin war, hat er alle nausg'schickt und hat sich hing'setzt ans Betteck. Mit erhobener Stimme. Zur nämlich' Stund' aber, und das hat 's ganz' Ort g'wundert, wo's g'heißen hat, der Pfarrer wär beim reich' Bauer, is der wirklich Pfarrer im Wirtshaus g'sessen und hat mit 'm Bürgermeister und 'm Lehrer kartelt!

ROSL. Du, Kathrein, hörst!

KATHREIN. Freilich, jetzt kommt's zum Fürchten.

BADER für sich. Dumme G'schichten –

FERNER schüttelt's, er läßt die beiden Hände glatt am Leibe heruntersinken; da alle auf ihn sehen, blickt er zur Seite. Macht's nur fort!

MAHM. Wie die zwei so allein in der Kammer sein und es is so ruhig, daß man die Uhr hat gehn g'hört, da fangt auf einmal der am Betteck, den der reich' Bauer für 'n Beichtvater g'halten hat, an zu fluchen, daß's dem im Bett zum grausen anhebt. Der Bauer hat sich drauf wöll'n bekreuz'n, daß er sein' Beicht' anheb'n kann, er hat's aber nit z'weg'n bracht, ebensowenig hat er Gott und die lieben Heilig'n anrufen könna. Der schwarze Mann aber, wie er das g'sehn hat, hat er g'lacht und g'sagt: »Plag dich nit, Bauer, ich weiß eh alles und besser wie du.« Da hat sich der Bauer sein letzt' Restl Kuraschi z'sammg'nommen und hat g'sagt: »Ich hoff, daß mir alles verzieh'n is, wär ich in der Schuld, lieget nit der Seg'n auf mein' Haus und mein' Hof!« Da lacht der schwarze Mann, daß's 'n Bauer im Bett z'sammbeutelt hat, und hebt[77] sich am Betteck so hoch, daß er an die Tram oben anstoßt; »Bauer«, sagt er, »so is's nit! Du hast mal die Hand zum Himmel aufg'hob'n und hast g'schworen, daß dein' Lug' wahr wär, von da an warst mir verlobt, und der Obere hat dir von der Stund' an nimmer nutzen und schaden könna, und ich hab dir's wohl sein lassen, damit'st dich nur noch mehr verblendst, 's Schlechteste is dir verwilligt word'n, weil ich woll'n hab', daß d' dich auch im Gebet versündigst und kein Weg dich mehr zurückführt zu dem andern, den ich nit nennen kann.«

FERNER blickt, am ganzen Körper bebend, mit verglasten Augen nach der Erzählerin. Du verflucht' Erbfeind!

MAHM wirft ihm einen bösen Blick über die Störung zu und fährt fort. »Bauer«, sagt der Höllische, »g'hörst mein, mein g'hörst, denn dein ganz Leb'n hast in mein' Diensten zubracht. – Ich war dein Oberer und dein Herr von dem Augenblick, wo du vorm Kreuz die Wahrheit abg'schwor'n hast, bis später, wo ich dir dein sündig Bitten erfüllt hab', denn es steht geschrieben: ›Ich bin der Lügengott und Fürst der Erd'!‹«

FERNER entsetzt. So schaut's aus! Kleine Pause – rafft sich noch einmal auf, halb wie trotzig. Dös is doch nur ausdenkt!

MAHM wie oben. Alsdann, daß ich sag, wie selb' alles der Bauer merkt, da hat er woll'n sich bekreuzen, aber der Höllische hat g'lacht: »Ich weiß, du möcht'st jetzt a Kreuz schlag'n und dös könnt dich auch derretten, wann d' Hand noch dein wär', aber du Depp, du vergißt, daß die Finger, die d' dabei z'sammfalten müßt', d' Schwurfinger sein, so heb den Arm, wann d' kannst! ...«

FERNER fährt mit wildem Aufschrei empor. Franzl!! – Was wißt's ös davon? – Trag ich leicht schon a Zeichen an der Stirn? Was neugiert's nach mir her? Weg! Wendet sich mit starrem Blick. Was soll's? Aus jedem Winkel verfolgen mich Augen mit verwunderigem G'schau! Was wollt's mir abfragen? –[78] Fort! – Hinaus! – Indem er sich aufrafft, stößt er den Stuhl um, eine Staubwolke wallt auf, der Stuhl hemmt seinen Fuß. Haha! Was steigst denn grau aus 'm Boden auf, alter Erbfeind, warum nit in deiner Leiblivree – schwarz, ganz schwarz?! Bin ich dir z' g'ring, oder bist meiner schon so gewiß? – Laß ab von mir! Wann ich's auch g'spür, wie mir deine Faust den Atem verlegt – wann ich's auch g'spür, wie die Ottern sich kalt heraufwinden an mir – laß ab – dir laugne ich's – Gott alleinig will ich's g'stehn! Fort! Du mußt hinweg! Meinst, ich könnt mich nimmer bekreuzen? Schau her! Versucht vergeblich die Rechte zu heben, zugleich fährt er mit der Linken in einem raschen, bebenden Strich über die ganze rechte Seite seines Körpers und stürzt mit dem Aufschrei. Jesus! zu Boden.

BADER der zugesprungen ist. Rennt's eins hinein ins Ort, sie sollen 's Zügenglöckel läuten!

FERNER etwas linksseitig sich aufstützend. Die Crescenz! ... Stirbt.


Gruppe – Zwischenvorhang fällt.


Verwandlung


Vronis Schlafstübchen, wie im zweiten Akte; das Licht herabgebrannt.

Kurzes Melodram

Wenn der Vorhang aufgeht, leise Schlummermusik,

in die, immer kräftiger, der Schwärzermarsch eingreift, bis er sie übertönt und rasch abbricht, sobald sich Vroni vom Bette erhebt.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Der Meineidbauer. Stuttgart 1959, S. 75-79.
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