Erste Scene.

[62] Annerl, nach dem Lied Brigitte.


ANNERL singt.


Lied.


A Derndl is verwichen

Hin zum Pfarrer g'schlichen:

Därf ich 's Büaberl lieb'n?

Untersteh di net, bei meiner Seel',

Wie du 's Büaberl liebst, so kommst in d'Höll'!


Is drauf voll Verlanga

Zu der Muada ganga:

Därf ich 's Büaberl lieb'n?

O, mein lieber Schatz, es is no z' fruah,

Nach zehn Jahrl'n war's a Zeit no gnua.


War in großen Nöten,

Hat 'en Vatern beten:

Därf ich 's Büaberl lieb'n?

Nit dran denken, sagt er, bitt' mir's aus,

Jag' dich auf der Stell' in d'Welt hinaus!


Wußt' nix anzufangen,

Bin zum Herrgott 'gangen:

Därf ich 's Büaberl lieb'n?

Ei ja freili, sagt er, und hat g'lacht,

Weg'n 'en Büaberl hon ich 's Derndl g'macht![62]


BRIGITTE scheltend. Mach fort, ich hab' noch anders für dich z' schaffen – Schand g'nug, daß man dich zu allem extra einspannen muß!

ANNERL. Ich weiß mich nicht aus mit dir, Brigitt' – sonst warst allweil freundlich und seit heut fruh bist so z'wider!

BRIGITTE. Ah, hat dir das 'leicht wer g'sagt oder merkst's von selber?

ANNERL. Du weißt nit, wie weh du mir mit solchene Reden thust. Wärst allweil so grantig g'wes'n, so hätt' ich mir denkt, du bist wie andre alte Weibsleut oft tramhappert und weißt selb'n nit warum; aber so schmerzt mich's doppelt, weil ich seh', 's ist dein Will', daß d' mi kränkst.

BRIGITTE. Mach fort, sag' ich! Losplatzend. Dich hat a der leidige Teixel ins Haus g'führt!

ANNERL. Wann d' deutsch mit mir redest, gäb' ich dir Red' und Antwort, aber spanisch versteh' ich net.

BRIGITTE. Na, ganz deutsch, mußt 's Kreuzel, das dir der hochwürdige Herr zug'steckt hat, gleich vor aller Welt trag'n? Kannst nit g'scheiter sein?

ANNERL stolz. Er hat mir's net zug'steckt, er hat mir's offen g'schenkt und hat mir's derlaubt, daß ich's vor ganz Kirchfeld trag'.

BRIGITTE. Dös hätt' er verlaubt?! Schlägt die Hände zusammen. Annerl, Annerl, ich frag' dich, wohin sollt' das führen?

ANNERL aufrichtig. Ich weiß dir keine Antwort, Brigitt', ich hab' nit danach g'fragt![63]

BRIGITTE. Du bist 'n hochwürdigen Herrn sein Unglück! Laß mich ausreden! Allzwei seids schon in der Leut' Mäuler! Schon gestern abend muß a Tratschbruder a Brandl g'schürt hab'n, denn 'n Respekt hab'n s' auf einmal auf'n Nagel g'hängt – und g'rauft is worden im Wirtshaus, was nit g'wesen is, seit der hochwürdige Herr auf der Pfarr' is, und heut in der Predigt wirst selb'r g'merkt hab'n, wie alle auf dich g'schaut, sich zublinzelt und wie s' untereinand' plaudert hab'n, während's sonst, wenn der Pfarrer red't, in der Kirch' still war, daß man hätt' können a Mäuserl schliefen hör'n. Jetzt is 's G'red' fertig – der Respekt is fort und ohne den richt' der arme Herr nix – und von heut ab is's, als wär' er verstorb'n und es sitzet a neucher im Pfarrhaus, den die Bauern geg'n 'n vorigen über d'Achsel anschau'n. Und was is an all dem d'Schuld? – Das verflixte Kreuzel! Erschreckt. Gott verzeih' mir d'Sünd'!

ANNERL birgt, heftig schluchzend, den Kopf in der Schürze; hervorstoßend. Brigitt', ich bitt' dich um Gott's will'n, denk nix Ungleichs von mir! Ich kann nix dafür, Brigitt'! Fällt ihr schluchzend an den Hals. Ich weiß's nit, wie's so kämma is!

BRIGITTE weint mit. O du mein Gott! O du mein Gott! Macht sich von Anna los. Is das a Jammer! Im Abgehen. Da hat doch der Teixel sein G'spiel! Es sollt' doch wirklich auf der Welt nur Männer oder nur Weiber geb'n, allzwei z'samm' thun nie a Gut! Ab.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Stuttgart 31898, S. 62-64.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer Von Kirchfeld (Dodo Press)
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer von Kirchfeld: Volksstück mit Gesang in vier Akten