Zweite Scene.

[64] ANNERL allein, trocknet sich die Thräne, stampft dann mit dem Fuße trotzig. Grausliche Lug'nschippeln sein s' doch alle, die mir die üble Nachred' halten, kerzengrad, ohne z' blinzeln, trau' ich mich jed'n von ihner in d'Aug'n z' schau'n! – Der liebe Gott – zu dem keine Lug' reicht – weiß doch, daß sich keins[64] versündigt hat, daß ich ausg'wichen bin, wo ich können hab', und daß ich ihm ihn net hab' abwendig machen woll'n. Nachdenklich. War's 'leicht doch g'fehlt, daß ich an seiner Gutheit und an dem Kreuzel ein Wohlg'fallen g'funden hab'? G'wiß is, ich hab' ihm nix Gut's g'stift, daß ich als eitle Gredl das Kreuzel zur Parad' mit in d'Kirch' g'nommen hab' – und an mir wär's jetzt, alles wieder gut z' machen, daß ihn kein unb'schaffener Verdacht treffen kann – – aber dazu bin ich mir net g'scheit g'nug; wenn ich gleich rennet, so weit der Himmel blau is, das G'red' bleibet doch in Kirchfeld – geh' ich, wurd's nit besser und bleib' ich, nur schlechter!! Und doch bin ich nit schuldiger, als wie damal'n, wo ich als klein's Madl mit'n Nachbarskind mich in' Wald verirrt hab' – anfangs hab'n wir kein' Arg' g'habt, die Bäum' war'n so stämmig und stolz und von alle Zweig' hat's g'sungen und pfiffen – 's Gras war so frisch und grün und die Bleameln drin so wunderliab – so sein wir weiter und weiter, bis wir auf einmal g'merkt hab'n, daß wir weit abseits vom g'wohnten Weg kämma sein, da war's freilich gleich aus mit aller Herrlichkeit und wir hab'n allzwei zum Flennen ang'fangt, wir hab'n furchtsam um uns g'schaut und die Bäum' sein völlig vor unsere Aug'n in d'Höh' g'schossen und aneinanderg'ruckt, als wollten s' den Himmel verdecken und uns nit durchlassen, und 's Gras is so an uns 'naufgestrichen, als wachset's uns im Handumkehr über'n Kopf – aber ich bin z'erst g'faßt g'wes'n, bin kuraschiert vorgegangen, und hab' richtig heim'troffen! Kein Mensch hat mir damals 'n g'weisten Weg zeigt, kein Mensch zeigt mir'n leicht heut, aber mit der Hilf' Gottes hab' ich mich damal'n z'rechtg'funden, mit der Hilf' Gottes – der nit woll'n kann, daß der rechtschaffene, brave Mann weg'n mir dummen Derndl leiden soll – werd' ich mich auch diesmal z'rechtfinden, und drum will ich kuraschiert vorangehn!


Klopfen.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Stuttgart 31898, S. 64-65.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer Von Kirchfeld (Dodo Press)
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer von Kirchfeld
Der Pfarrer von Kirchfeld: Volksstück mit Gesang in vier Akten