Dritte Scene.

[65] Vorige. Michel.


MICHEL tritt ein. Guten Tag!

ANNERL erstaunt. Bist du's, Michel?

MICHEL verlegen. Freilich, Freilich!

ANNERL. Willst mit'n hochwürdigen Herrn reden? Er is noch nit z' Haus kämma.

MICHEL. Na, mit dir!

ANNERL. So red!

MICHEL. Gleich – bis mir a g'scheiter Anfang einfallt.

ANNERL. Schau, das g'schieht dir recht, daß d' nix vorbringen kannst, denn du bist a falscher Bua. Allzwei sein wir aus St. Jakob und dort hast mir 's ganze Jahr 's narrisch'ste Zeug vorplaudert, auf einmal bist weg, bist her nach Kirchfeld; wie aber ich nachher daher auf'n Pfarrhof kämma bin, da hast dich net blicken lassen und selb'r in der Kirchen hast mich nit ang'schaut.

MICHEL. Dös kommt – weißt, das is daher kämma, weil ich dich eh' kennt hab'!

ANNERL. Na hörst, du red'st aber jetzt so viel g'scheit, bist 'leicht in Kirchfeld dalkert word'n?

MICHEL. Dös just net, aber a nit g'scheiter![66]

ANNERL. Du warst doch damal der Pfiffigste; wann d' weißt, daß dir d'Kirchfelder Luft so schad't, was bist nachher hergangen?

MICHEL. Weg'n ein' Dirndl bin ich weg!

ANNERL. Was d' sagst! Das hab' i nit g'merkt!

MICHEL. Eben drum.

ANNERL. Und hast nix g'red't mit ihr?

MICHEL. Freilich, 's narrisch'ste Zeug hab' ich ihr vorplaudert.

ANNERL. Und sie hat dir nix ankennt?

MICHEL. Ka Spur!

ANNERL. Dö muß doch a bissel vernagelt g'wesen sein!

MICHEL. Na, 'leicht war's doch nit um a Tipferl g'scheiter wie du!

ANNERL. Du bist a grober Ding! Bist 'leicht deswegen kommen, um mir Grobheiten z' sagen? Da hätt'st a wegbleiben könna! Weißt sonst nix?

MICHEL. Ah ja, plauder nur fort, es wird schon kämma.

ANNERL. Ich hab' kein' Zeit, lang drauf z' warten, gleichwohl ich wissen möcht', was dich auf einmal für a Wind herweht.[67]

MICHEL. Gestern hab'n s' mich auf dich aufmerksam g'macht und drum bin ich heut da!

ANNERL. So, erst aufmerksam hab'n s' dich machen müssen?

MICHEL. Na ja – weißt, ich – ich hab' dir seither, als ich mit der ein' von St. Jakob 's Malör g'habt hab', alle Dirndeln verschwor'n und bin ihnen aus'n Weg gangen, also dir natürlich vor all'n andern, dös heißt halt mit de andern.

ANNERL. So, und wer hat dich nachher aufmerksam g'macht?

MICHEL. A ganze Menge.

ANNERL. Auf einmal?

MICHEL. Ja und ordentlich!

ANNERL. Ja – wie denn?

MICHEL. Na, g'haut hab'n s' mich.

ANNERL. Warum?

MICHEL. Weil ihrer mehr war'n.

ANNERL. Dös is doch kein Grund?

MICHEL. Dös is der ausgiebigste!

ANNERL. So? Dann bist du also einer von denen, die gestern nacht g'rauft hab'n? Dös is schön! So lang habt's Ruh' g'halten und gestern hat's doch wieder sein müssen? Ihr macht's dem hochwürdigen Herrn a rechte Freud'![68]

MICHEL. Ah, der hätt' selb'r dreing'haut, wenn er dabei g'wesen wär'!

ANNERL. Freilich, der mengt sich in eure dummen Anhahnlereien!

MICHEL. Na, dösmal is's um was Ordentlichs hergangen!

ANNERL. Das kann ich mir denken!

MICHEL. Na, dös kannst du dir nit denken, sonst wärst nit die, die d' bist, dann müßt' wirklich a anderschte word'n sein, und dann thäten mir d'Schläg' leid, die ich für dich eing'steckt hab'!

ANNERL erschreckt. Weg'n mir werdt's doch nit g'rauft hab'n?

MICHEL. Sixt, daß d' noch d'Alte bist und daß mich d'Schläg nit z' reuen brauchen!

ANNERL. Ich bitt' dich um Gott's will'n, ös werdt's doch nit' g'rauft hab'n weg'n dem schlechten G'red', was s' auf einmal über mich hab'n? Michel, 's ist kein wahr's Wörtel dran, das kannst mir glaub'n!

MICHEL. Dös hab' ich auch 'glaubt – das hab' ich auch g'sagt, aber dö Letfeigen hab'n ja nit auf mich g'hört – und da hab' ich in sie 'neing'schrien – da sein dö grob word'n – ich net höflich – dö hau'n her – ich hau' z'ruck – und so hab' ich mein Teil kriegt.

ANNERL kleinlaut. Und du – du warst der einzige, der dem G'red' nit glaubt hat?[69]

MICHEL. Die andern hab'n dich ja doch nicht kennt, wie ich dich kenn'! Ich kenn' dich von klein auf und ich glaub' von dir nichts Schlecht's!

ANNERL. Michel!

MICHEL. U mein!

ANNERL. Du seufz'st? Was hast denn?

MICHEL. Ja weißt, das thu' ich so zu meiner Pläsur – ich pfnaus' mich schön stad aus dabei, b'sonders wann ich ein' weiten Weg 'gangen bin.

ANNERL. Du wirst aber a weit umgangen sein, bis d' in Kirchfeld zum Pfarrhof 'troffen hast.

MICHEL. Ah beileib, ich war heut schon weit von Kirchfeld.

ANNERL. So, wo denn 'leicht?

MICHEL. In St. Jakob!

ANNERL. Geh, in unsern lieb'n Heimatdörfl?

MICHEL. Ja! Weil gestern schon 's G'red' war von ein' g'wissen Kreuzel, das dir der Pfarr' g'schenkt hätt' und das d' heut tragen wurdest, bin ich fruh aus 'n Ort und über die Berg'; in St. Jakob hab' ich richtig mein' Mutter in der Kirch' 'troffen. Du weißt, sie hat – wie s' euer Sacherl nach deiner Mutter ihr'n Tod verkauft hab'n – der ihr Betbüchel mit der silbern' Schließen erstanden, das hab' ich ihr mit vieler Müh' abbettelt Zieht ein Tuch hervor, aus dem er das Gebetbuch wickelt. denn ich hab' mir denkt, du könnt'st 'leicht a geistliche Stärkung[70] brauchen, und wenn dir der Herr Pfarrer 's Kreuzel von seiner seligen Mutter schenkt, so kann ich dir nix G'scheiteres bringen, als a Betbüchel von dein' Mütterl – Gott hab's selig!

ANNERL preßt das Buch an die Brust. Michel, du bist a grundguter Bub!

MICHEL. Na, wann d' nur einsiehst!

ANNERL. Wie kann ich dir danken, Michel? Mein' Seel', ich bin's nit wert, daß d' dir all die Müh' nimmst für mich.

MICHEL. O du heiliger Joseph, wann d' nur net so dalket daherredest! I weiß ja eh'nder, daß d' mir nix dafür geb'n wirst, und that doch alles für dich, wann du's a nit verdienst. I weiß nit, wie's kämma is, aber du bist mir 's Liebst' auf der Welt!

ANNERL. Geh, du thust grad, als ob ich die G'wisse wär'!

MICHEL. Die mich aus St. Jakob vertrieb'n hat, weil s' durchaus nix hat merken woll'n – die mir, weil ich s' in Kirchfeld allweil im Gedanken g'habt hab', anfangs d'Arbeit g'waltig sauer g'macht hat – der ich ausg'wichen bin, gleichwohl s' herkämma is, wie 's brennte Kind dem Feuer – und der ich jetzt zulauf', wo ich denk', daß s' ein' rechten, aufrichtigen Beistand braucht? Ja, ja, Annerl, du bist's – meiner Treu', du warst, bist und bleibst mein Schatz und gleichwohl brauchst nit rot z' werden und nit auf d'Seit' z' schau'n, brauchst, was i dir g'sagt hab', a nit g'hört z' hab'n, ich bin dir drum doch nit harb; in Gott's Nam' will i mi a dreinschicken, wie ich nie was Schlecht's von dir derlebt hab', daß i a nix Lieb's derleb'![71]

ANNERL faßt seine Hände. Du bist doch mein rechter, aufrichtiger Freund! Michel, das gedenk' ich dir, solang' i leb'!

MICHEL. Das wär' recht schön – wann d' aber heirat'st!

ANNERL. Ich werd' nit heiraten!

MICHEL. Ich auch nit!

ANNERL. Geh, du wirst schon eine finden, die dir taugt.

MICHEL. I mag aber net – ich schau' mich a gar net um, just nit!

ANNERL. Du mußt nit so kapriziert sein.

MICHEL. Ich bin eh' nit kapriziert. Sag' ich net: du haltst's, wie d' willst? Und ich a – und mir steht kein' andere an!

ANNERL. Laß g'scheit mit dir reden!

MICHEL verdrießlich. A ja, ich bin grad zu de Dummheiten aufg'legt!

ANNERL. Du bist a guter Bub, wurd'st a rechtschaffener Mann, a jede müßt' dir gut werd'n und könnt' mit dir auskommen!

MICHEL. Wann d' all das so gut weißt, was nimmst mich denn nachher nit selber? – Annerl, meiner Treu', 's Maul hab' ich heut amol aufthan und werd's a nit eh'nder zumachen, bis ich dir alles g'sagt hab'! Ja, dir z'lieb' wurd' ich alles, was d' nur verlangst – aber krieg' ich dich net, auf Ehr', bei meiner armen Seel', ich schwör' dir, das kannst mir glauben,[72] ich weiß nit, was aus mir wird! Und, Annerl, sei g'scheit, schau a auf dich, du weißt, wie aufrichtig ich's mit dir mein', ich weiß a, daß d' mir nit feind bist, wir werd'n miteinander recht gut auskämma, und schlagst heut ein, is das ganze G'red' wie wegblasen, du bist mein recht's Weib, schaffst und schalt'st in meiner Hütten, kein Finger deut' mehr nach'n hochwürdigen Herrn und alles, wie's in Ehren war, bleibt a in Ehr'n!

ANNERL ernst. Du meinst's recht!

MICHEL. G'wiß!

ANNERL feierlich, mit ganz wenig Humor, so daß der Effekt nur für den Zuschauer ein klein wenig drastisch wird. Und wann's dein wahr', dein heilig' Ernst und Fürnehma is, so will i a nit die Sünd' auf mich nehmen und ein' ehrlichen Buab'n ablaufen lassen, der leicht Schaden nahm in Zeit und Ewigkeit, wann er kein recht's Weib kriegt; ich will a den Leuten im Ort kein' Ursach' zu mehr G'red' und den Dirndln kein übel Beispiel geb'n, nit a hochnaserte, hoppertatscherte Gredl machen, die sich z' gut halt' für ihr's gleichen. Red mit'n hochwürdigen Herrn und begehr mich von ihm. Gibt ihm die Hand.

MICHEL preßt sie an sich. Juhu! Schlägt sich erschreckt auf den Mund. In einer Viertelstund' bin ich wieder da! Jetzt b'hüt dich Gott, herzlieber Schatz! Mir is so leicht und i hab' so viel Kuraschi in mir! B'hüt dich Gott! Halblaut. Jetzt setzt's was!

ANNERL. Michel!

MICHEL an der Thür. Was?

ANNERL. Wohin gehst denn?[73]

MICHEL. A bissel nachschau'n ins Wirtshaus und wann etwa a paar da sein von dö, die mich gestern 'nausg'worfen hab'n, da werd'n wir sehen, wer heut der Stärkere is!

ANNERL. Ich bitt' dich –

MICHEL. 's nutzt nix, die Schandmäuler soll'n mich kennen lernen! G'rauft wird!

ANNERL. Michel, sag' ich.

MICHEL wendet sich. Ja!

ANNERL. Rauf nit, thu mir's z'lieb und rauf nit!

MICHEL. Du bitt'st noch für sie? Grad drum soll's ihnen nit g'schenkt sein! Aber weil du's bist, weil du für sie bitt'st – du bettelst 'n Teufel 'leicht a arme Seel' ab. Zieht sie an sich.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Stuttgart 31898, S. 65-74.
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