Fünfte Scene.

[92] Vorige. Aus der Kirche. Hell, hinter ihm Michel und Annerl und alle die früher dahin abgegangen.


HELL im Heraustreten. Wer ruft um Hilfe?

SCHULMEISTER durch das Erscheinen Hells frei geworden, jedoch ist seine Tasche in den Händen Sepps geblieben. Ich habe mir diese kleine Freiheit genommen.

SEPP fast grob zu Hell. O, daß d' auch grad kommen mußt, wärst in der Kirch' blieb'n, du hätt'st von all dem nix z' wissen braucht und a nix davon erfahr'n!

HELL ganz vorkommend zum Schulmeister. Was habt Ihr?

SCHULMEISTER. Eine kleine Botschaft, die man mich hier nicht bestellen lassen will, ich bitte in aller Demut, hochwürdiger Herr, verschaffen Sie mir meine Tasche wieder, damit ich meinem Auftrag nachkommen kann.[92]

SEPP. Thu's nit, Pfarrer, thu's nit, glaub mir, die G'schicht geht dich gar nix an, sie betrifft uns, uns ganz allein!

JUNGE BURSCHE. Der Sepp hat recht!

SCHULMEISTER. Dem erlaub' ich mir in Demut zu widersprechen; die Tasche, die man mir genommen hat, enthält ein kleines Dekret für Euer Hochwürden selbst.

HELL. Für mich? – Sepp, gib dem Manne sogleich die Tasche zurück!

SEPP die Tasche an sich ziehend. Nein – nein – ewig net!

SCHULMEISTER zuckt die Achseln. Hochwürden, unter solchen Umständen muß ich jede Verantwortung einer Zustellungsverzögerung von mir weisen und ich halte mich meines Auftrages damit entledigt, daß ich es Euer Hochwürden überlasse, dem Widerspenstigen selbst die Tasche abzufordern. Geht mit hämischer Verbeugung ab.

HELL zu Sepp. Nun, sei nicht kindisch, Sepp, öffne die Tasche und gib mir deren Inhalt.

SEPP sieht ihn erschreckt an. Ich – ich – sollt' dir das – nein, nein. Will die Tasche den Umstehenden aufdrängen, die sich aber weigernd zurückziehen. Da – da, nehmts einer, gebts es dem Pfarrer!

HELL ungeduldig. Sepp, ich denke, ich hätte doch etwas Gehorsam um dich verdient, mach ein Ende, gib das Verlangte, ich will's.

SEPP. Wann du mir so kommst, so muß ich freilich – Will die Tasche öffnen, kann es aber nicht. Zu den Umstehenden. Nestelts mir einer[93] die Taschen auf, mir zittern die Händ'. Es geschieht, zu Hell. O, wenn d' mich auf die steile Wand stellest und sagest: stürz dich kopfüber hinunter, wär' mir gleich auch so lieb g'wesen, aber daß d' siehst, ich folg' dir. Er überreicht ihm das Dekret mit zitternden Händen und abgewandtem Gesicht. Da hast!

HELL ernst werdend. Was ist's denn, das dich so ergreift? Sei nicht thöricht. Weißt du denn, was diese Schrift enthält? Es wird nichts von so hoher Bedeutung sein!

SEPP ausbrechend. Nein, nein – nichts – gar nichts, als daß sie dich verfluchen, daß sie dich fortjagen, daß du kein Geistlicher mehr sein darfst und daß du dich beim geistlichen Gericht verantworten sollst.

HELL erstarrt. Unmöglich!! Oeffnet langsam das Siegel und dann das Dekret. In der umstehenden Gruppe höchste Bewegung. Alles wahr! Sinkt, den Kopf in die Hände gestützt, auf der Rasenbank zusammen.

ANNERL. Jesus! Stürzt zu seinen Füßen.


Sepp und Michel treten rasch heran.

Lustige Jagdmusik.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Stuttgart 31898, S. 92-94.
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