Dritte Szene


[62] Josepha und Steinklopferhanns.


JOSEPHA blickt den Abgehenden nach. Na, endlich kommen s' doch weiter; dös wird die erste Zeit a Müh kosten, bis dö auf mich aufhorchen lernen!

STEINKLOPFERHANNS. Grüß Gott, Gelbhofbäurin – no, du tust dich aber um! Drei Höf weit hab ich schon dein Stimm ghört; ich hab s' gleich herauskennt, und dös is kein leicht Stuck, denn heut schrein in ganz Zwentdorf alle Bäurinnen mit dö Hahnen aufm Mist um die Wett! – Aber stolz könnts schon sein, ös seids hitzt die Herrn im Ort, ös Weiber!

JOSEPHA. No, is a ka Glück, wir habn dabei eh nur ein Teil der Buß von dö Monleut auf uns gnommen!

STEINKLOPFERHANNS spricht alles sehr gleichmütig, nur sooft er die Bäurin recht schraubt oder über seine Rede in Angst kommen sieht, verbirgt er sein Lachen, indem er die Hand vor den Mund bringt, hinter einem leichten Hustenanfall. Freilich! Freilich! Selb hat a Gwicht! Aber dö habts amal austriebn, hitzt müßts schon ös da regiern![62]

JOSEPHA. Und no meint es Gsind, man tät's nur, daß mer könnt 's große Maul im Haus habn!

STEINKLOPFERHANNS. Dös bissel Ansehn is ja eh nur a süß Tröpferl in der Gallbittern. Ich bitt dich, dem dumm Volk is schon a öften gsagt wordn, und es begreift's nie: wann einer auf der Welt 'n andern wegtaucht von sein Platzl, daß er eh nur dem sein Sorg und Kümmernus auf ihm nimmt!

JOSEPHA. No, is eh so – du bist halt gscheit!


Steinklopferhanns lacht wie oben angemerkt.


JOSEPHA. Was hast denn?

STEINKLOPFERHANNS. 'n Husten!

JOSEPHA. Hast dich verkühlt?

STEINKLOPFERHANNS läßt sich auf die Bank vor dem Hause nieder. Ja, weil heut nacht a Fenster auf war. – Schlägt in die Hände. Na aber, wie ös dös zwegn bracht habts, daß die Mona alle – aber alle – über vierundzwanzig Stund nachgebn?! – No ja – no ja – kennst dö drei Zangen in 's Teuxels seiner krumpen Nagelschmieden? Nöt? Was d' Advokaten nimmer krump machen können, dös biegen die Weiber, und was kein Weib mehr biegt, dös biegt ... no, ich mag dir nöt zum Ärgernus reden, aber von dö letzten Zangen sein grad a Menge erst bei uns in Deutschland ausgmustert wordn. – – No, müßts halt a dazuschaun, Weiber, daß 's eng bald einschießts ins Alleinwirtschaften!

JOSEPHA. Hast mich grad früher drüber troffen!

STEINKLOPFERHANNS. Is a d' höchst Zeit, engere Manner gehn heut noch und gleich!

JOSEPHA. Heut noch und gleich hitzt?!

STEINKLOPFERHANNS. Wohl, wohl, hitzt gleich! Sie rennen nur noch gschwind jeder heim und nehmen 's Geld aus dö Kasten für die Wegzehrung. Is der deine noch nit dagwesen?

JOSEPHA. 'n Notpfennig?

STEINKLOPFERHANNS. Wann der Mann auf frumm Werk ausgeht, kann 's Weib derweil ja gar kein Not leiden![63]

JOSEPHA. 's ganz Geld?!

STEINKLOPFERHANNS. Freilich, is ja a weite Reis und gehn nur wenig allein!

JOSEPHA. No, wer gang denn mit sö?

STEINKLOPFERHANNS. Is doch schön von unsere Dirndln? Dö habn in der Schnell ein Jungfernbund gstift, der sich an d' Wallfahrter anschließt und dö begleit wie d' Markatanderinnen d' Soldaten. Beinah a jeder hat a Bußschwester mit ihm.

JOSEPHA. So? – Mein Mon auch?

STEINKLOPFERHANNS. Mit dem geht die Liesel vom Wirten – a feine Dirn – dö Kellnerin! Kennst d' Liesel?

JOSEPHA. Nein!

STEINKLOPFERHANNS. Ich hab gmeint, dein Mann hätt dir etwa von ihr derzählt. – Sie habn sich amal gut leiden mögen, natürlich – noch vor er dich kennt hat.

JOSEPHA. So? Dös is 's erst, was ich hör – und dö gang mit?!

STEINKLOPFERHANNS. Ja – 's is halt a frumm Dirndl!

JOSEPHA sehr erregt. Entweder dö bleibt da – oder ich laß 'n Tonl nit fort!

STEINKLOPFERHANNS. Aber Bäurin – Bäurin, bist gescheit? Was sollt mer sich denn von dir denken – du wirst doch nit die Leut von der Frummheit abhalten wolln – was wurden denn die andern Weiber im Ort dazu sagen?

JOSEPHA. Die werden nämlich so redn wie ich, wann s' dös hörn!

STEINKLOPFERHANNS. Aber so seids doch gscheit! Meints, wann die Dirndln heimbleibn – was doch auf engere Moner schaueten – es wurd besser?! Frag nur die Kramersfrau in der Kreisstadt – der ihr Mon 's ganz Jahr auf die Märkt hrumfahrt – die meint auch, 's Reisen wär a gfährlich Sach, und 's kimmt selten einer heim, wie er fortgangen is! – Möcht a kein Weib von so ein Herumreiser sein! – Wann engere Manner auch allanig ins Wällische kämen, sie habn 'n ganz Tag nur z' kirführten und kein Brösel Arbeit z' tan, da kimmt der Mensch auf allerhand[64] Gedanken, und die wällischen, schwarzaugeten Weibsleut, – Schupft die Achseln. – die solln a deutsch mit sich reden lassen!

JOSEPHA lacht zornig. Wär schön! Da kämen s' leicht schlechter heim, als wie s' auszogn sein?!

STEINKLOPFERHANNS aufstehend. Eher als nöt! – Bis s' aber hoamkämmen, schauts, wie ös mit der Wirtschaft aufkimmts! Nöt, daß ich sag, es möcht da leicht auf manchem Hof 'm Bauern sein Kopf abgehn – ös Weibsleut habts es schon a da, – Zeigt nach der Stirne. – aber seine zwei Arm nimmt jeder mit, und dö fahlen halt doch! 'n ganz Sparpfennig tragen s' a außer Land; ös könnts eng gar nit rühren und ein Handkauf, mit dem s' eng nachträglich groß machen kunnts, gar nit eingehn. – Na, kimmen s' hoam, hitzt schau dir s' aber an – d' schönst Monleut von der wällischen Sunn verbrunna wie die Zigeuner. Wann sich nit jeder gleich zum vollen Nürschel hinsetzen kann und nit alles findt, wie er meint, es muß sein, da werden s' dir ein Schopf machen wie a Wiedhopf. – Gar vertraglich wird dös nit abgehn, denn entwöhnt sein s' eng doch, und wann der Hund amal Leder gfressen hat, is kein Schuh mehr vor ihm sicher. Wie der Kuckuck werden s' nach fremd Nester schieln! No denk dir so a Zsammlebn! – Jo, jo, der Bauer is wie a Spatz, und der Spatz is halt kein Zugvogel, der muß verbleibn können!

JOSEPHA. Jesses, ich versterbet, wann's so wurd, wie du da sagst!

STEINKLOPFERHANNS. No, no, lieb Bäurin, brauchst nit verzagt z' werden! Ich sag ja nit, daß's so werdn müßt, ich mein nur, 's wär a Wunder, wann's nit so käm!

JOSEPHA mit Überwindung. Schau, Steinklopfer – –

STEINKLOPFERHANNS. Was denn?

JOSEPHA. Ich möcht wissen, was d' denkst ... aber dich kann man um nix fragn!

STEINKLOPFERHANNS sehr gutmütig. Mußt's halt a nit tun, Bäurin.[65]

JOSEPHA. Wann ich nur eins wüßt ...

STEINKLOPFERHANNS. No, was wär denn dös?

JOSEPHA. Ob nit sündig wär, wann man die Manner von der ganzen Bußfahrt abhaltet?

STEINKLOPFERHANNS. Na, dös war nit sündig.

JOSEPHA. Aber ...

STEINKLOPFERHANNS. Weil nie sündig sein kann, wann in Zucht und Ehr und Arbeit beinandbleibt, was zueinand ghört!

JOSEPHA. Na, aber halt doch –! Wann ich nur wußt, wie der liebe Herrgott drüber denket!

STEINKLOPFERHANNS. Aber, Bäurin, bitt dich gar schön, red doch nit gar so viel dumm! Herrgotts Gedanken weiß doch keiner, dö gingen grad in unsere Plutzer hnein! – Aber, was ich vom Herrgottn denk, selb weiß ich! Singt in der Weise der Steinklopfer-Gstanzln.


s' gibt allmal ein Weg, der

Zum Herrgottn führt,

Wär d' Höll a vermauert,

Der Himmel versperrt.


Kurzer Jodler.


Der Herr braucht kein Himmel,

Kein höllisch Verderbn,

Denn mitten durchs Herz führt

Die Straßen zu eahm!


Wie oben.


Das Herz, es steht ein jeden Red,

Der's ehrlich tut befragn,

Dem Fürst im goldig Haus wie mir

Beim Steinerschlagn, beim Steinerschlagn,

Beim Steinerschlagn, juchhe!

JOSEPHA singt mit.

Beim Steinerschlagn, beim Steinerschlagn,

Beim Steinerschlagn, juchhe![66]


JOSEPHA schlägt freudig in die Hände. Glaubst, daß man so frei nachm Herzn gehn dürft? Faßt dabei des Steinklopfers Hände.

STEINKLOPFERHANNS. Gwiß!

JOSEPHA lustig. Dann halt ich 'n Tonl zruck! Nachdenklich, läßt die Hand des Steinklopfers fahren. Aber, wann s' halt wieder von der Höll reden? Von siedig Schwefel und Pech – u mein!

STEINKLOPFERHANNS. Laß du die Höll – Reder gehn! Wär Gott nit barmherziger wie dö, gang's ja ihnen selber schlecht.

JOSEPHA wie oben, lustig. Meinst? – Ich halt 'n Tonl zruck.

STEINKLOPFERHANNS indem er ihre Hand in der seinen schlenkert, lustig. 'n Tonl halt mer zruck! – Alle halten mer s' zruck! – Alle! – Was nutzeten denn eng a in der Fremd?! Läßt plötzlich ihre Hand fahren, kläglich. O Sakra hnein!


Man hört hinter der Szene, immer näher kommend, den Gesang der Wallfahrer, und zwar.


ALTLECHNER vorplärrend.

Mir sein schon bereit –

CHOR.

Voll Bußhaftigkeit.

ALTLECHNER.

Der Weg is zwar weit –

CHOR.

Voll Bußhaftigkeit.

ALTLECHNER.

Dös is's, was uns gfreut –

CHOR.

Voll Bußhaftigkeit.

JOSEPHA. Was hast denn?

STEINKLOPFERHANNS kratzt sich hinterm Ohr. Oh!! – Ös hätts es halt doch nit fortbemüssen solln! Zruckhalten war schon recht – aber ob sie sich halten lassen? Sö san alle wie versessen auf die Bußfahrt. Der Altlechnet redt wie a Apostel und singt wie a Vorbeter. Es is völlig der Teuxel der Frummheit – der Geist wollt ich sagn – in sö gfahrn. Wann a alles zgrund gang drüber, sagn s', sö gangen doch! No red mit dö!


Oben auf dem Fußsteige erscheint der Zug der Wallfahrer,[67] wie unten beschrieben wird, und zieht herab und durch die Mitte auf die Bühne.


STEINKLOPFERHANNS. Da sein s' schon! – Ich bitt dich, schau s' nur an, was dö für a Ansehn habn! Ob mit dö was z' richten is!

JOSEPHA bestürzt. No, sei so gut, etwa nöt! Lachend. Geh zu – geh zu, am End sein s' doch froh, wann man s' zruckhalt und sie dürfn bleiben!

STEINKLOPFERHANNS hustet, wie angegeben. Meinst? Na, probier's nur!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 62-68.
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