Dritte Scene.


[234] Voriger. Hermine von links.


HERMINE im Eintreten. Arthur!

HAMMER. Ja, mein Herz!

HERMINE. Komme doch herüber, es haben sich schon Gäste eingefunden. Aber, wie du aussiehst?!

HAMMER. Ja, ich fühle mich etwas leidend und nicht in der Laune, den liebenswürdigen Wirt zu spielen; sie werden sich ja mit der anmutigen Wirtin zufrieden geben. Entschuldige mich.

HERMINE. Es wird mir aber schwer fallen, unbefangen zu sein, wenn ich dich nicht wohl weiß. Darf ich nach dem Arzte schicken?[234]

HAMMER. Nein, er wäre hier nicht am platze. Es ist mehr eine Gemütsverstimmung als etwas anderes; dagegen hilft nur Ruhe.

HERMINE. Wirst du auch gar nichts zu dir nehmen?

HAMMER. Vielleicht eine Tasse Thee, die ich mir erbitten lassen werde.

HERMINE. Das ist recht ärgerlich, daß du wegbleiben mußt. Alwine wird sich gewiß gekränkt fühlen. Seit der flüchtigen Begrüßung von heute morgen, wo ich sie in ihrem zerknitterten Reisekleidchen zu dir ins Kabinett brachte, hast du sie nicht gesehen; das Kind freut sich schon so sehr darauf, in grande toilette dir entgegenzutreten. Du würdest stolz auf sie sein, sie spielt schon allerliebst eine kleine Dame von Welt.

HAMMER beiseite. Armes Ding – wohl nur ein kurzes Spiel. Laut. Es würde sie nur noch mehr kränken, mich für ihre kindliche Freude nicht empfänglich zu finden.

HERMINE. Du hast recht. Uebrigens sind das ihre letzten Weihnachten, die sie im Elternhause zubringt.

HAMMER rasch, wie aus Gedanken aufschreckend. Was sagst du?

HERMINE lächelnd. Die letzten Weihnachten, die sie als Gast hier zubringt, meine ich. Sie ist das letzte Jahr im Pensionat, und bald werden wir sie ganz bei uns haben.

HAMMER. Ja – richtig – ich dachte nicht daran.[235]

HERMINE. Ihren guten Fortgang zu lohnen, habe ich mir aber heuer auch den heiligen Christ was kosten lassen. Ein reizendes Pelzmäntelchen, das ihr auf der Rückreise sehr zu statten kommen wird. Sie wird wie ein kleiner Kobold unter der Kapuze hervorgucken. Doch durch das und anderem bin ich mit meiner Kasse zu Rande und ich muß es dir nur gestehen, das Geld, das du mir hast abfordern lassen, es war mein letztes, und hätte mich deine strikte Ordre nicht überrascht, ich würde mich energisch darum gewehrt haben.

HAMMER. Du wirtschaftest aber auch toll.

HERMINE. Arthur, das ist der erste Vorwurf, den ich in dieser Hinsicht von dir zu hören bekomme, sonst konnte ich dir ja nicht genug ausgeben, sonst bekämpftest du, was du meine »sparsamen Anwandlungen« zu nennen beliebtest, als spießbürgerlich, als für unsere Stellung nicht passend, ich darf dich daher wohl bitten, deine Worte zurückzunehmen oder dich näher zu erklären.

HAMMER. Du hast recht. Es war unbillig; ich nehme mein Wort zurück. Ich habe dir keinen Vorwurf zu machen. Doch jetzt verweile dich nicht länger hier, das Mädchen, das selbst erst durch dich der Gesellschaft vorgestellt werden muß, kann an deiner Statt niemand empfangen.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Stuttgart 31898, S. 234-236.
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