Zehnte Scene.


[297] Doktor Hammer und Thomas.


THOMAS. Na, was sagst denn?

HAMMER. Sie ist noch in ganz erfreulicher Weise rüstig und lebhaft.

THOMAS. G'steh's nur ein, Arthur, du bist uns halt entwöhnt lind unser' Art und Weis' is dir nimmer geläufig. Dich frappierts, wie d'Mutter auf ein' Sitz Schelten, Streiten, Hauswirtschaften und sich freuen fertig bringt, und du hast dir vielleicht ein' ganz andern Empfang vorgestellt, aber bedenk, der hat doch nur dem Besuch ihres Herrn Sohnes, des angesehnen Doktor Hammer, 'golten, und dafür hat s' wohl Aufhebens g'nug gemacht, vergiß nit, daß wir ihr ja von dein' Unglück gar nix g'sagt hab'n, was vor den Beugen auch nit anfangen wär' und nit einmal in meiner Gegenwart anging', denn wenn sie d' gemütlichen Seiten h'rauskehren soll, darf sie mich nit in der Näh' wissen, sonst verschlagt's ihr d'Red. Aber sag ihr nur selber, daß du alser Verunglückter zu ihr dein' Zuflucht nimmst, so wirst du in ihr auch eine von dö Mütter finden, bei dö das bissel Hochdeutsch ebensowenig ein' Unterschied macht, wie ob sich eine d'Augen mit ein' Batisttüchel oder Fürtuch trocknet Drum lass' ich dich jetzt allein mit ihr und mach' den Gang zu dein' Leuten.

HAMMER sich erhebend. Du wolltest wirklich? –

THOMAS. Ich hab' dir's ja auf der Herfahrt versprochen, so werd' ich's auch thun.

HAMMER zweifelnd. O, wenn du sie mir erhalten könntest! Ich hatte den[298] traurigen Mut, ihnen hinwegsterben zu wollen, aber ohne sie weiter zu leben, das will und kann ich wohl auch nicht.

THOMAS. Jetzt weißt, von dem traurigen Mut werd' ich aber auch schon gär nichts verlauten lassen! Dich hab' ich dahin gebracht, daß er dir leid thut, und sie dahin z' bringen daß s' dir dö angstvollen Stunden von gestern auf heut vergessen und durch nix mehr an dieselb'n erinnert werden, das hat dann dein' Sorg' z' sein.

HAMMER. Ich habe wenig Hoffnung, daß sie verzeihen und dir hierherfolgen. Aber wenn du sie siehst, so sage ihnen – –

THOMAS. Trag mir kein' Post auf, Bruder; ich weiß nit, ob ich sie behalt' und wann ich sie behalt', ob ich's auch so vor bring', wie du's meinst; a Post kommt aus dem Mund und nit aus dem Herzen und ich muß reden können, wie ich's mein', ich werd' das vielleicht thun wie a kindischer Mensch oder a narrischer Ding, aber Kinder und Narren haben das voraus, daß sie ganz sie selber sein dürfen und man ihnen das nit übel nimmt. Laß mich nur machen! Ich werd' mich jetzt in die Gala werfen.

HAMMER. Wozu machst du dir auch diese Mühe?

THOMAS. Da red' du nix drein. Ich weiß, was ich deiner Familie schuldig bin und mir selber, eine so einfache Kleidung entspricht nicht meiner zweifachen Eigenschaft als Schwager und Onkel – als Schwager und Onkel, verstehst? – Jetzt behüt dich Gott, Bruder, und bau auf mich! Schüttelt ihm die Hand und wendet sich, nach der Küchenthüre deutend. Ich muß mich nur noch bei unserer Alten verabschieden, ich gebe ihr auf ihre Wange ein Bussel und sie gibt mir auf meine eine Tätschen, das is so zwischen uns der Abtausch der Gefühle. Hahaha! Lachend ab.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 10, Stuttgart 31898, S. 297-299.
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