Wie ist der Tag so weit ...

[103] Im Sclavendienst der Lüge

Hab' ich den Tag verbracht ...

Nun hat den Zauberschleier leis

Herabgesenkt die Nacht.

Es schweigt verträumt die Runde,

Nur leise der Nachtwind rauscht –

Ich aber mit brennendem Munde

Habe Stunde um Stunde

Mit Geistern ans nächt'gem Grunde

Wilde Zwiesprach getauscht.
[103]

Ha! Wie er mich umflattert,

Der Geister toller Schwarm!

Wie er mich preßt mit trunk'ner Lust

In seinen Riesenarm ...

Wie Frage er auf Frage

In meine Seele schreit!

Und ob ich bang verzage,

Die Brust mir blutig schlage,

Und bete, daß es tage –

Wie ist der Tag so weit!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 103-104.
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