Der Spielmann

[116] Lustig, lustig, alte Fiedel!

Sing dein neckisch Zauberliedel,

Laß erklingen deine Saiten!

Ach, mit jedem Strich vom Bogen

Kommen Töne angezogen,

Die uns All'n die Seele weiten.


Taumel griff beim Zauberklange,

Wenn des Spielers dürre, lange

Finger an das Griffbrett packten,

All' die Dirnen, bald sie liegen

In den nerv'gen Armen, fliegen

Hin nach feur'ger Weise Takten.
[116]

Scherzen, Lachen, Kichern, Singen

Aus der alten Fiedel dringen

In den Schwarm den wild bewegten,

Und sie dreh'n sich fest umschlungen,

All' die Mädel mit den Jungen

Hin im Tanz, dem toll bewegten.


Steht der Spielmann da im grauen

Bart, dem unter busch'gen Brauen

Dunkle Augen schmerzlich flammen,

An der Säule, und es gleiten

Mark'ge Striche ob den Saiten,

Lockt er's junge Dorf zusammen.


Langhin fällt sein Haar hernieder,

Kahler Mantel hüllt die Glieder,

Und sein Hut, der ist nicht glätter;

Tiefgezog'ne Furchen haben

In die Wangen sich gegraben,

Die vergilbt von Sturm und Wetter.


Ach, vermodert sind die Jungen,

Und wo ist zuletzt erklungen

Seiner Dirne munt'res Liedel?

Wanderdrang hat sie getrieben,

Einsam ist er dann geblieben,

Und sein Liebstes ward die Fiedel!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 116-117.
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