Anmerkungen des Herausgebers.

[367] A1 Die Explosion des Pulverturmes fand am 11. Dezember 1770 statt. Nach dem Bericht, welchen die Stralsundische Zeitung einige Tage später über den Unglücksfall brachte, kamen dabei 75 Personen ums Leben, 98 wurden verwundet, 78 Häuser und Buden stürzten ein, 177 Gebäude wurden beschädigt, darunter die Marienkirche und das Gymnasium.

A2 Die in Arndts Erinnerungen mehrfach erwähnten Grafen Putbus sind:

Moritz Ulrich geb. den 13. Oktober 1699, vermählt mit Christiane Gräfin zu Lynar, Landrat und Landmarschall von Schwedisch-Pommern und Präsident des schwedischen Tribunals zu Wismar. Er starb am 25. Juli 1769, nachdem er schon 1751 vermittelst eines mit den Gläubigern abgeschlossenen Vertrages die Herrschaft Putbus an seinen ältesten Sohn Malte Friedrich abgetreten hatte. Dieser, geb. am 26. Dezember 1795, war Präsident des Hofgerichts zu Greifswald und der Regierung zu Stralsund. Im Gegensatz zu seinem Vater war er ein sehr sparsamer und gestrenger Herr und that viel zur Hebung seines verschuldeten Besitzes. Erst 1782 verheiratete er sich mit der 21 jährigen Gräfin Sophie Wilhelmine von der Schulenburg. Er starb am 8. Februar 1787, nachdem ihm am 1. August 1783 ein Sohn geboren war, der den Namen Wilhelm Malte erhielt. Dieser wurde i. I. 1807 in den Fürstenstand erhoben, machte in Begleitung von Bernadotte, dem Kronprinzen von Schweden, den Feldzug des Jahres 1818 gegen Napoleon mit, wurde zum General-Gouverneur von Neuvorpommern und Rügen ernannt und behielt diese Stellung auch nach Einverleibung dieser Lande in den preußischen Staat, allerdings mit verringerten Befugnissen. Er ist der Schöpfer des Ortes Putbus und des schönen Parks daselbst, sowie der Erbauer des Jagdschlosses in der Granitz. Er war vermählt mit Freiin Luise von Lauterbach und starb am 26. September 1854.

A3 »Siegwart, eine Klostergeschichte« von Martin Miller, einer der bekanntesten, empfindsamen Romane, welche im vorigen Jahrhundert die Lektüre der »schönen Seelen« bildeten, erschien 1776.

[367] A4 Zwei Briefe Dankwardts an Arndt, s. E. M. Arndt: Notgedrungener Bericht aus seinem Leben. Leipzig 1847, Bd. II, S. 93 u. 369.

A5 Schweden befand sich seit dem Beginn des Jahres 1805 im Kriege mit Frankreich, ohne daß es zum wirklichen Kampf gekommen wäre. Als Napoleon im Herbst 1806 den preußischen Staat zerschmettert hatte, ließ er am 28. Januar 1807 den Marschall Mortier mit einem Armeecorps in das schwedische Pommern einrücken, das fast ohne Widerstand zu finden die geringe schwedische Besatzung zurückdrängte und in Stralsund einschloß. Am 29. März wurde jedoch der größte Teil des Belagerungscorps abberufen, um die Truppen vor dem heldenmütig verteidigten Kolberg zu verstärken. Der Rest der Franzosen wurde mit leichter Mühe über die Peene zurückgeworfen. Als jedoch am 9. Juli der Friede zu Tilsit mit Rußland und Preußen abgeschlossen war, kehrten die Franzosen zurück. Am 13. Juli besetzte Marschall Brune mit 4 Divisionen ganz Schwedisch-Pommern und schritt nun ernstlich zur Belagerung Stralsunds, das sich am 26. August ergeben mußte.

A6 Gottlieb von Kathen, später vermählt mit Charlotte von Kathen, an welche E. M. Arndts »Briefe an eine Freundin« (herausgegeben von Langenberg, Berlin 1878) gerichtet sind.

A7 Theobul Kosegarten, der bekannte Dichter der »Jukunde«, der »Inselfahrt« und zahlreicher Legenden. Er wurde 1792 Probst in Altenkirchen auf Rügen, und Arndt lebte dort sei dem Herbst 1796 etwa ein und ein halbes Jahr als Hauslehrer bei ihm. (Vergl. S. 76.) Im Jahr 1808 als Professor der Geschichte und Theologie nach Greifswald berufen hielt Kosegarten bei einer Universitätsfeier an Napoleons Geburtstag, am 15. August 1809 eine Rede, in der er des Kaisers glänzende Erfolge pries, und die schon damals großen Unwillen unter den schwedischen Patrioten hervorrief. (In dem von Rühs, Barkow und Quistorp geführten Tagebuch s. Pomm. Geschichtsdenkmäler VI., S. 80 wird sie als »sehr schlecht« bezeichnet.) Später wurde sie auf dem Wartbnrgsest mit Schriften von Kotzebue, Kamptz und Haller von den Burschen öffentlich verbrannt. Auch Arndt fühlte sich abgestoßen von Kosegartens »wälschelndem Sinn«. (Vergl. S. 111.)

A8 Samuel Johnson, der berühmte englische Lexikograph, und sein Freund und späterer Biograph James Boswell unternahmen im Jahr 1773 zusammen eine Reise nach Schottland und den Hebriden, von welcher beide Beschreibungen verfaßten, die für die damaligen Zustände und Sitten sehr lehrreich sind: Johnson: Journey to the western isles of Scotland. (London 1775.) Boswell: Journal of a tour to the Hebrides with Johnson (London 1774.)

A9 Olaf Tryggveson bemächtigte sich i. I. 995 der Herrschaft[368] über Norwegen. Unzufriedene Große seines Reiches verbanden sich mit den Königen Svein Gabelbart von Dänemark und Olaf Schoßkind von Schweden. Sie lauerten ihm auf, i. I. 1000, als er von einem Raubzug gegen die Wenden zurückkehrte, überfielen ihn und vernichteten seine Flotte; Olaf Tryggveson stürzte sich, als er alles verloren sah, ins Meer. Ob Dahlmanns Ansicht die richtige ist, der nach Adam von Bremen den Schauplatz des Kampfes in den Oeresund verlegt, oder Arndts, der Snorre Sturleson und den isländischen Sagen folgt, läßt sich schwer entscheiden.

A10 Am 15. November 1715 landete Leopold von Anhalt-Dessau mit 24 preußischen Bataillonen bei Stresow in der Nähe von Posewald auf Rügen und ließ sofort Verschanzungen aufwerfen, um sich gegen einen schwedischen Angriff zu sichern. Dieser erfolgte auch noch an demselben Tage gegen 3 Uhr nachmittags, und zwar unter der persönlichen Leitung Karls XII., der mit etwa 3000 Mann herbeigekommen war, um den Feind, den er für viel schwächer gehalten hatte, wieder ins Meer zurückzuwerfen. Ein dreimaliger heftiger Angriff der Schweden wurde zurückgeschlagen, dem König wurde ein Pferd unter dem Leibe erschossen, beim Anbruch der Nacht mußte er sich endlich zurückziehen.

A11 Pamela und Grandison, berühmte englische Romane von Samuel Richardson, 1741 und 1753 erschienen.

A12 An seinem Bruder Fritz (vgl. auch S. 74) hing Arndt mit besonderer Liebe. Er hat aus dessen litterarischem Nachlaß, der ihm nach Fritz' Tode i. I. 1815 zugefallen war, in den »Schriften für und an seine lieben Deutschen« Leipz. 1845, Bd. I., S. 1–172 ein Tagebuch veröffentlicht, das jener in seiner Studentenzeit in Jena in Jean Pauls humoristischer, phantastischer, sentimentaler Manier geschrieben hatte, sowie aus späterer Zeit noch einige an ihn gerichtete Briefe. Der größte Teil von Friedrich Arndts nachgelassenen Papieren ist mit Ernst Moritz' Bibliothek bei seiner Übersiedelung nach Bonn auf dem Seetransport von Stralsund nach Köln durchnäßt und verdorben, doch schon das mitgeteilte Tagebuch zeigt dessen Genialität und hohe schriftstellerische Begabung.

A13 Matthias Claudius, der bekannte Wandsbecker Bote, gab i. I. 1775 ff. seine Werke unter dem Titel: Asmus omnia sua secum portaus heraus.

A14 Dieser Schilderung der Kinderjahre mögen noch folgende Erinnerungen aus der Kindheit hinzugefügt werden, die Arndt in den »Schriften für und an seine lieben Deutschen« Bd. III., S. 488 ff. erzählt:

Früheste Erinnerungen der Kindheit, Mit Recht sagt und klagt[369] man wohl: Der Mensch ist so geartet, die Erinnerung des Übels und des Bösen hält er fest, und das Elück und die Freude löschen sich beide mit Gefühl und Erinnerung in ihm aus.

Aus dem dritten, vierten Lebensjahr sind diese beiden Erinnerungen:

Auf dem Hofe zu Schoritz nimmt eine Kuh den kleinen Knaben auf die Hörner und wirst ihn in die Luft. Er fällt glücklich in eine Mistpfütze. – Zwei zusammengekoppelte Jagdhunde, die dem Herde zu nahe kommen, werden von der Küchenmagd mit dem Besen weggekehrt, sie laufen zur Thüre, fassen den kleinen Jungen, der in ihr auf der Treppe steht, zwischen sich und reißen ihn die hohe Treppe in den schmutzigen Abgrund hinunter, der zum Glück weich war. Die Base Sofie schreiend hinterdrein. Schmutz die einzige Beschädigung.

Aus dem fünften Jahr. Bruder Karl und ich waren mit den Hirtenknaben auf die Weide gegangen. Die Jungen hatten im Strande gebadet und mich mit dazu verleitet. Ein furchtbares Gewitter steigt auf und schüttet einen strömenden Regen auf uns, ich fühle ihn noch auf mich herabplätschern, und mit welcher Not sie unsdie durch näßten Hemden und Kleider etwas unordentlich wieder anziehen halfen. Nun treibt bald jeder sein Vieh wieder zu seinem Hof, wir auch mit dem Adend mit den Unsrigen zurück, halten uns, den Vater fürchtend, der solches eigenwillige Auslaufen und Entlaufen verboten hatte, bis in die volle Dämmerung in den Kuhställen auf; müssen endlich hervorschleichen. Der Handel wird untersucht, die Nässe und das Strand- und Gewitterbad entdeckt, die Waffe der Züchtigung hinter dem Spiegel hervorgeholt. – Da erscheint zu unserm Glück der Friedensbote, der freundliche Herr Braun, Schreiber zu Dumsevitz, und bittet so kräftig, daß die Wirase erlassen wird. Noch heute sehe ich das alte ehrliche etwas päonienrote Gesicht und die stattliche kupferige Nase als sein Vorgebirg darin und ihn selbst in der Stellung, wie er sich zum Tische an das Damenbrett setzt, dessen lustige Scheiben der Vater vor ihm ausschüttet.

Es ist im Hause ein Festtag, Fremde sind gekommen und wir Kinder in unserm besten Staate: neue Stiefelchen, neue Kleider. Es war ein heller sonniger Märztag, uns lockte das Gekrächze der Feldraben, welche, ein zahlloses, fliegendes Gewimmel, in den hohen Eichen und Eschen des Lüloparks ihre Frühlingshochzeiten begingen, ins Freie hinaus. Aus dem Lülo gings auf die kleine Insel und von da auf das Eis, welches noch dick und fest auf der Wik zwischen Schoritz und dem Zudar lag. Nun fuhren die Fischer, welche durch sogenannte Waken ihre Netze hin- und herzogen, zu uns heran mit ihren Schlitten, worauf sie uns neben ihre Fischbutten setzten und stundenlang mit uns hin- und herfuhren. So verging der Nachmittag auf dem Eise, wo[370] wir oft bis übers Knie in dem Überwasser wateten. Endlich kamen wir naß und an unsern Festkleidern mörderlich zugerichtet, indem wir bei dem Rückwege auf dem schlüpfrigen Boden mehrmals hinstürzten, traurig und schuldbewußt in der Abenddämmerung zu Hause geschlichen. Leider waren alle fremden Gäste weggefahren, und wir wurden wegen unsrer geschändeten Sonntagskleider tüchtig abgestäupt. Die Rute hat die einzelnen Umstände und Begebenheiten dieser Frühlingseisfahrt meinem Gedächtnisse wohl eingegraben.

Aber auch eine fröhlichste Traumdämmerung aus der Kindheit schwebt mir noch lebendig vor und kommt zuweilen fast wie ein überirdisches Gesicht, welcherlei Gesichte die Kinder gewiß viele haben, noch oft wieder. Ich war an einem schönen Sommertage in dem Blumengarten auf einem Steige zwischen grünen Buxusbäumen eingeschlafen und erwachte gegen den Abend, wo die sinkende Sonne golden durch die Bäume schien und die hohen Buxus um mich mit Rosenrot übergoß, und sah halb im Wachen halb im Träumen mit unbeschreiblichem Entzücken zwei schneeweiße Tauben im Goldglanz mitten in der Sonne schweben. Diese Sonne, und zwar in unendlicher Größe, nebst den beiden schneeweißen von ihr mit Gold übergossenen Tauben darin, ist mir als anmutigster Traum mit denselben Bildern und Empfindungen oft noch in späteren Jahren wiedergekommen. Ich habe die Stelle im Garten später wiedergesucht und wiedergefunden; der Buxus war noch da, aber der Baum nicht mehr, der seine Rosenäpfel über den Steig und den lauschenden Knaben herabhängte. Ich hatte damals wirklich ein Paar schönste schneeweiße Tauben von der Art der sogenannten Trommler, meine und meiner Mutter Lieblinge, welche sich in einem Zimmer neben meinem Schlafstübchen im Kamin ein Nest gebaut hatten, indem eine zerbrochene Fensterrante ihnen das Zimmer öffnete. Sie hatten dort ein paar Sommer ihre Wirtschaft, und ich hatte das Amt, sie zu füttern. Überhaupt war meine Landfreude, ja mein Landentzücken bis zum Ende meines sechzehnten Jahres das Spiel mit Tauben, und darum haben diese anmutigen und in vielen ihrer Neigungen und Triebe dem Menschen ähnlichen Tierchen noch jetzt in Träumen häufig die Rolle, daß ich die allerschönsten mit Entzücken heranfliegen sehe und zuweilen mit noch größerem Entzücken im Schlage einfange.

Dumsevitz. Sünde und Gewissen. Wir Landjungen jagten uns natürlicherweise viel mit Füllen, Kälbern, Gänsen, Hühnern und Tauben herum. Vorzüglich war es aber eine Belustigung, und ich habe diese flatternde Belustigung noch wohl mehr als die andern in meinem flatternden Herzen gefühlt, von dem Speicher des alten Hauses, wo Korn, Spreu, Flachs in Haufen nebeneinander lagen, die Hühner herunterzujagen, indem wir sie so einsperrten, daß sie nicht die Treppen,[371] auf welchen sie hinaufgeschlichen waren, herunterflattern konnten, sondern durch die Luken des Daches hoch über den Garten durch die Luft hinfliegen mußten. Nun begab sich, daß ich im Garten durch ein Kartoffelfeldchen einmal zu einem Birnbaum ging, der mir seine gelben Früchte zeigte, – und was zeigte sich mir da noch mehr? Ein totes Huhn mit einem Hanfgewirr um den Fuß an einer Kartoffelstaude hängend. Mich überfiel bei dem Anblick Angst und Schrecken. Vielleicht war es ein Huhn unsrer beliebten Speicherjagd, wo sich in dem wilden Herumflattern seinen Füßen Werg angehängt haben konnte, und mit diesem war es zufällig an dem Kartoffelstengel fest geworden und jämmerlich verhungert. Mir hat jenes tote Huhn manche Nächte keine Ruh gelassen, es schwebte seine Leiche wie ein mahnendes Gespenst vor mir. Ich sagte forthin nicht mehr auf dem Speicher; mochte damals ein neunjähriger Bub sein.

Grabitz. Gleich das erste oder zweite Jahr unseres dortigen Lebens, es mochte mein elftes, zwölftes Jahr sein, erlebte ich daselbst eine großartige Taubengeschichte. Mein Vater lag an einer Hämorrhoidalkolik todkrank darnieder. Die Gesichter der Mutter und Base, zwei drei Ärzte, die gingen und kamen, deren der eine sogar bei Nacht aus Stralsund übers Meer geholt ward, erschreckten mein Herz mit bangen und dunkeln Ahnungen. Ich griff fleißig zu meinem einzigen Trostgewehr, das ich hatte, las mir fromme Lieder aus dem Gesangbuche und das laufende Sonntagsevangelium mit lauter Stimme vor und wiederholte das mehrmals und betete und wünschte recht fromm. Endlich aber in der großen Rot meines Herzens fing ich an zu fragen, ob ich dem lieben Gott für das Leben meines Vaters nicht irgend ein Opfer bieten könne. Ich durchmusterte unser Haus, meine Geschwister der Reihe nach, wobei ich aber fand, daß ich kein Recht an ihrem Leben habe; zuletzt kam ich an mich selbst, fühlte aber, daß ich noch nicht sterben wolle. Da blieb mir denn nichts als mein Taubenboden, welchen ich im inbrünstigen Gebet unter vielen Thränen Gott darbot.

Es war nach dem Abend dieses Gebets Morgen geworden, und zwar ein fröhlicher Morgen; die Base kam ganz früh zu uns Kindern in die Schlafstube und brachte die frohe Botschaft, die Krankheit des Vaters habe sich in der Nacht gebrochen, und er sei außer Gefahr. Wir schlüpften geschwind aus dem Bette, kleideten uns an, jeder ging zu seinem kleinen Geschäfte, ich meine Tauben füttern. Und als ich die Thüre meines Taubenbodens öffne, was erblicke ich? Ein weites Schlachtfeld, nichts als Leichen. Der Marder hatte sich durch das Strohdach des Hauses und durch ein morsches Brett gefressen, meine Schönheiten lagen in langer, blutiger Reihe nebeneinander, zum Teil zerrupft und angefressen. Eine einzige braune Sie, die Großmutter,[372] um welche sich wieder ein neues Geschlecht ansiedeln sollte, saß über dem ganzen Jammer noch lebendig auf der Stange. Auf mich machte diese Begebenheit einen unbeschreiblichen Eindruck; ich habe sie aber wohl beinahe zwanzig Jahre bei mir behalten und sie erst später bei traulichen Herzensergießungen oder Gesprächen über göttliches Wirken und Walten wohl einzelnen Freunden erzählt. Sonderbar genug begab sich, daß ich einige Wochen nach diesem göttlichen Ausspruche und Zeugnis, als ich des Morgens meinen Schlag öffnete, wohl ein Dutzend sehr schöne, verflogene Tauben auf dem Dache sitzen sah, welche alle in meinen Schlag gingen und bei den drei, vieren, die ich unterdessen wiedergeschafft hatte, treue Mitbewohner blieben. Doch glaubte ich nicht, daß sie vom Himmel herabgekommen seien.

In dieser Zeit, etwa in meinem zwölften Lebensjahre, begab sich in meinem Leben eine Umwälzung, die sich wenigstens über das Haus, das heißt über drei, vier Jungen, verbreitete. Nicht weit von unserm Hofe, an einem kleinen Wege, auf welchem man von Grabitz nach dem Tannenberge geht, der dicht bei Giesendorf steht, lag ein Katen, das Haus eines vorlängst zerstörten Bauerwesens. Darin wohnte ein frommer, sehr rechtschaffner Mann Namens Anton (ich erinnere mich nur seines Taufnamens), sonst ein freundlicher, hilfreicher Mensch, der, wann wir vorbeiliefen, uns Jungen oft ein Butterbrot oder einen Apfel reichte, uns auf Fisch- und Vogelsang oft begleitete und uns Krebse, Krabben und Vögel fangen und Kester1 und Sprenkeln zurechtstellen lehrte. Nun war ich bei einem Regen oder bei einer andern Gelegenheit ein mal in seinem Hause fest geworden und blätterte mir unter seinen Büchern etwas ganz Neues und Außerordentliches heraus, nämlich das Büchlein gedruckt in diesem Jahr von der Schönen Prinzessin Magelone und dem Ritter Peter mit dem silbernen Schlüssel. Ich las es und las es wieder und konnte mich vor Entzücken nicht lassen. Anton mußte mir es mitgeben, und wie oft ich es gelesen habe, bis ich jedes Wort darin auswendig wußte, weiß ich nicht mehr. Genug, dies Büchlein warf ein brennendes Feuer in mein Herz und ward für mich und für das Haus eine Weltbegebenheit. Denn noch hatte ich keine andern romantischen Geschichten gelesen, als etwa die Bücher der Richter, der Könige und der Maccabäer des Alten Testaments. Dieses Feuer zündete und ward wenigstens ein Flämmchen. Wir Jungen wurden bald Erzeuger und Erfinder der allerromantischesten und allerabenteuerlichsten Geschichten, wir erschraken vor keinen Wundern von Riesen, Zwergen, Zauberern, Magnetberge,[373] verwünschten Prinzessinnen u.s.w. mehr, und ich zähmte und sattelte mir einen Goldadler, mit welchem ich durch alle Weltteile fuhr und leichtgefiedert durch alle Lüfte hinflog, ihn mit Mandeln und Rosinen fütterte und mit Nektar tränkte, gelegentlich in dem Pantoffel einer Riesin einen versteckten Nachtschlaf hielt und unter den Flügeln des Vogels Rock in der Wüste Kobi mich vor Hagel- und Donnerschauern barg. Mein Bruder Fritz, der eine lustigere Phantasie hatte als ich, und Bruder Karl und Lorenz machten das jeder in seiner Weise so nach; und drei Winter haben wir in dieser Art, indem jeder seinen eigenen romantischen Ausflug machte und seine erlebten und bestandenen Abenteuer erzählte, unsre Geschichten gemacht, oder vielmehr Geschichten getrieben. So hieß es bei uns. Wir gingen gewöhnlich zwischen neun und zehn Uhr zu Bett, und jeden Abend trieb die Geschichte, an welchem die Reihe war. Andächtigst und anständigst ward eine bis zwei Stunden zugehört, und nie, auch wenn es einmal langweilig geriet, habe ich die Unart bemerkt, welche sich wohl in professorischen Vorlesungen zeigt, daß gemurrt, gehustet oder mit den Oberbetten gerückt wäre.

Beiläufig rufe ich nun in meinem 75. Lebensjahre: O glückliche Zeit, wo die schöne Magelone solches vermochte! Jetzt wässert man den Kindern von den ersten ABC jahren, von dem vierten, fünften Jahre an, durch alberne Kinderbücher die kindliche Phantasie so durch, daß keine schöne Magelone, ja nicht einmal Nibelungen- und Eudrunlieder, in ihrem zwölften, fünfzehnten Jahre nimmermehr im romantischen Auffluge mit ihnen durchgehen können.

A15 Nachdem Wallenstein in den Jahren 1625–27 dem Kaiser ganz Norddeutschland unterworfen hatte, und seine Regimenter unter Arnim in Pommern eingerückt waren, versuchte er auch Stralsund zur Aufnahme einer kaiserlichen Besatzung zu veranlassen. Die Stralsunder wiesen diese Zumutung zurück, wozu ihre Privilegien sie berechtigten. Den offenen Feindseligkeiten gegenüber, die Arnim am 24. Mai 1628 begann, suchten sie Schutz bei den Königen Gustav Adolf von Schweden und Christian IV. von Dänemark und nahmen schwedische und dänische Hilfstruppen in ihre Stadt. Seit dem 7. Juli leitete Wallenstein in eigener Person die Belagerung, und man will das Wort von ihm gehört haben, er müsse Stralsund haben und wäre es mit Ketten an den Himmel geschlossen. An dem mannhaften Widerstand der Bürgerschaft und der wirksamen Unterstützung ihrer Bundesgenossen scheiterte auch Wallensteins Feldherrnkunst. Am 25. Juli verließ er die Armee, und am 1. August wurde die Belagerung aufgehoben. Seit diesen Tagen haftete an den Mauern Stralsunds ein besonderer Zauber, europäischer Ruhm. Dem großen Kurfürsten gegenüber vermochte es denselben nicht zu behaupten. In dem ruhmvollen[374] Kriege gegen Schweden verfolgte der Kurfürst seine bei Fehrbellin geschlagenen Feinde bis in das schwedische Pommern und drängte sie bis Stralsund zurück. In den folgenden Jahren wurde der Krieg mit wechselndem Erfolg geführt. Weihnachten 1877 ergab sich Stettin dem Brandenburger. Am 23. September 1678 landete er mit 9000 Mann bei Alten-Camp auf Rügen und entriß die Insel den Schweden, die sich unter Graf Königsmark nach Stralsund zurückzogen, wo sie Anstalt machten, sich bis auf das äußerste zu verteidigen. Der Kurfürst wollte die Stadt schonen und zögerte mit der Beschießung. Am 20. Oktober abends begann sie jedoch, und schon am folgenden Tage zeigte sich die weiße Fahne auf den Wällen. Am 25. wurde die Kapitulation abgeschlossen, und die schwedischen Truppen verließen die Stadt in allen Ehren. Hartnäckiger verteidigte sich Stralsund gegen Leopold von Anhalt-Dessau, den Feldherrn Friedrich Wilhelms I. Auch dieser bemächtigte sich i. I. 1715 ganz ähnlich wie der große Kurfürst anfangs der Insel Rügen (vergl. Anm. 10) und wandte sich darauf gegen Stralsund, das von Karl XII. selbst verteidigt wurde. Am 27. November wurde das Bombardement eröffnet und bis zum 21. December fortgesetzt, eine breite Bresche war zwischen Frankenthor und Tribsnerthor gelegt, der Teich davor zugefroren, und alles zum Sturm bereit, da entfernte sich Karl XII. am 22. früh am Morgen zu Schiff aus der Stadt mit dem Befehl an den General Dücker, die unvermeidliche Kapitulation abzuschließen. Um Mittag wurde in der Stadt Chamade geschlagen, die Besatzung wurde kriegsgefangen; um den tapfern Feind zu ehren, entließ der König jedoch 1000 Mann nebst 3 Generälen und 120 Offizieren.

A16 Arndt spielt hier vielleicht auf folgendes Ereignis an, das er in den, »Schriften für und an seine lieben Deutschen« Bd. III. S. 502 ff. erzählt: Jahre 1785 und 1786. Der Jüngling kam heran, das sechzehnte Lebensjahr. Was es in diesem Alter doch für Sehnsuchten und andere Suchten giebt! Sie werden bei den meisten Sterblichen in den nächsten Jahren, gewöhnlich zwischen dem achtzehnten und zwanzigsten Altersjahre, durch eine einzige gewaltige Sucht, welche zum Glück oder Unglück mit dem Jünglinge durchgeht, verschlungen und endlich vergessen. Indem das sich aufschließende Herz sich nach vielen unbekannten und dunklen Gütern sehnt und die jungen schwellenden Triebe, welche wie eine Blume mit Gewalt aus der Knospe brechen, nicht mehr sammeln und in einem Büschel zusammenbinden kann, fliegt alles nach den verschiedensten Seiten in eine unendliche Weite, oder wird vielmehr oft in eine solche grenzenlose und uferlose Weite gleichsam in eine Unendlichkeit, so mächtig hineingelockt und gerissen, daß es wie in Ahnung ungeheurer Gefahren wie in sich zurückzittert. Ich habe in jenen Jahren auch geträumt von einem Soldaten, von einem[375] Schiffer, von einem Entdecker neuer Inseln und Küsten wie Miageliäus und Cook, der solche Herrlichkeiten wirklich fände, als worüber meine Phantasie mit dem angeschirrten Goldadler so oft hingeflogen war. Aber doch immer bei aller Luft und Wollust dieser Fantasiegebilde, wo sie mich etwa zu kühn und zu weit in die unendliche Welt hinausgelockt hatte, flüchtete ich mich in die Enge der Heimat zurück, und zwar nicht bloß in die nicht zu enge Enge, wie das Leben des väterlichen Hauses sie mir zeigte, sondern ich baute mir das kleinste, netteste Häuschen irgendwo hinter einem Busch am Strande des Meers, bepflanzte mir dort mein hübsches Gärtchen mit Blumen und Bäumen, fing Vögel und Fische, sah Tauben und Hübner aus dem Schlage fliegen und war ein reicher, glücklicher Mensch. So sehr schien ich ursprünglich für ein stillstes, einsamstes, ungewußtes Leben geboren zu sein.

In solchen Träumen und Sehnsuchten, woraus eine allgemeine, schwermütige Sehnsucht des Herzens ward, welche die Einsamkeit suchte, wie oft habe ich hinter der Lau oder an der großen Salzwiese bei unserm Badeplatze am Strande des Meers gelegen und in die über mich hinrollenden Wolken oder in die blaue Ferne der jenseitigen Gestade geschaut und in der unbestimmten Sehnsucht die Wangen von Thränen überströmt gefühlt! Noch schweben die dunkeln Weiden und Gebüsche der fernhin liegenden Insel Ummanz vor meinem Blick, wie sie mir im Abendsonnenglanze im Meere zu verschwimmen schienen und zuletzt in der Dämmerung verschwammen und verschwanden, und wie einzelne weiße Segel wie gespenstische Vögel sanft durch sie hinzufliegen schienen. Das war aber das Seltsame in jenen Tagen, wo mein Herz wohl eine Liebe suchte, die der Mensch, wie sie ihm in der Jugend ahnet, auf Erden wohl selten findet, daß ich um meine beste Liebe, die ich besaß, oft viel trauerte und weinte. Diese meine Liebe war mein Vater, einer der fröhlichsten, mildesten und liebenswürdigsten Menschen. Ich berechnete, ja ich rechnete ordentlich mit scharfsinniger Angst aus, daß und wie er nach dem Laufe der Natur zwanzig oder dreißig Jahre vor mir sterben würde, und bei dem Gedanken dieses Verlustes und meiner künftigen Verlassenheit erschrak ich so sehr, daß ich mir oft mit heißen Thränen von Cott erbeten habe, er möge mich doch frühe und vor meinem Vater von der Welt nehmen. Ich denke, ähnliches mag wohl vielen Jünglingen und Jungfrauen im sechzehnten, siebzehnten Jahre ihres Alters begegnen, daß sie in der Fülle unstillbarer und unerfüllbarer Sehnsucht sich den Tod wünschen, gleichsam ein Rätsel, welches das noch viel unlösbarere Rätsel ihrer Zukunft auflösen werde. Wenigstens stirbt sich's am leichtesten im Lenz des Lebens, wo die Blume die Knospe sprengt.[376] Als es in dem Jünglinge auf solche Weise dämmerte und sich bewegte und sehnte, begab sich im Sommer des Jahres 1786 ein häusliches Abenteuer, welches für mein späteres Schicksal, für die Richtung meines Herzens und den Gang meines Lebens, wahrscheinlich entscheidend geworden ist. An einem schönen Sommertage jenes Jahrs 1786 begingen die Herrn vom Sunde, ich meine die Herren vom Rat und Vorsteher und Verwalter des Klosters Sankt Jürgen vor Rambin, welche auf den dazu gehörigen Entern Tagung und Schau gehalten hatten, zum Beschluß derselben im Kloster einige festliche Tage, wozu mein Vater, als welcher mehrere Güter und Dörfer des Klosters in Pacht hatte, auch eingeladen war. Wir waren den Abend des letzten Festschmauses oder vielmehr des Nachts – denn es war um die Mitternacht – alle in tiefer Ruhe, als mit einemmale die Tante Sofie ganz verstört in unsre Schlafkammer kam und mich und den Bruder Karl leise weckte: Wir sollten uns geschwind in die Kleider werfen und in einer Botschaft ausgehen. Als wir fertig waren, empfing sie uns in der Wohnstube mit Thränen und Wehklagen: es sei Unglück und Jammer im Hause, der Vater sei halb zwölf nach Hause gekommen und habe die Mutter vermißt, sie gesucht und nirgends gefunden. Da sei er auf den Gedanken gekommen, da sie häufig einer so einsamen, schweigsamen und stillen Natur sei, sie habe sich selbst ein Leid angethan; schon habe sie (die Tante) den Baumgarten und Blumengarten und alle Bänke und Lauben, wo die Mutter wohl ihren Sitz za neh men pflege, durchsucht und alle Sträucher und Bäume beschaut und durchschaut, aber nichts gefunden; der Vater und Hinrich Vierk (Statthalter und Großknecht in Grabitz) haben Scheunen, Ställe, Speicher und Brunnen und Teiche durchmustert oder seien noch eben dabei. Nun könne sie sich gar nicht denken, daß unsre Mutter, eine so fromme und mutige Frau, sich selbst ein Leid gethan habe; sie habe ja gar keine Ursache dazu und auch nie und nimmer auch nur ein Wort fallen lassen, welches auf solchen Jammer hinzielen könnte, obgleich es ihr sehr aufgefallen sei, daß sie den ganzen Nachmittag ungewöhnlich still gewesen und den Abend viel in der Bibel und dann in Youngs Nachtgedanken gelesen. Sie wolle sich das Unglück doch lieber anders denken, und daß es nicht von ihrer eignen, sondern von Gottes allmächtiger Hand gekommen sei; die Mutter gebe ja des Abends oft noch spat, zuweilen weit über zehn Uhr hinaus, so gern im Garten oder Felde spazieren, vielleicht sei sie ins Feld oder an den Strand gegangen und liege irgendwo vom Blitz erschlagen; es habe ja den ganzen Abend gedonnert und wettergeleuchtet und blitze noch. Und nun geht, liebe Jungen, und Gott gebe, daß ihr eure Mutter findet, und daß diese Schande nicht über unser Haus und über euch komme! Und wir arme[377] Jungen gingen und liefen auf allen Feldwegen und Fußwegen, standen auch oft still und horchten, an dem Strande, in der Lau, dem Wege nach Bresen in dem Vreser Tannenwald, von da den Weg gegen Rambin zurück, auf unsre Weide, auf unsren Tannenberg, von Donner und Blitz aus düsterm Nachtgewölk begleitet, wie es im Augustmonat viel zu wetterleuchten pflegt, ohne mit Sturm und Regen zu wettern! Ach! das war ein angstvolles Laufen und Suchen und hatte manche angstvolle Täuschung, indem wir hin und wieder am Wege getnderte Pferde und Füllen, welche im Erase hingestreckt lagen, in jammervoller Furcht und Hoffnung für etwas möglicherweise Menschliches ansahen und dann erschreckt wurden, wann die Tiere bei unserer Annäherung mit Schnauben und Wiehern aufkollerten. Wir kamen nach Hause und hatten nichts gefunden; wir fanden den Vater, um welchen Herr Klickow von Drammendorf, Herr Dankwardt und der Arzt standen, auf einem Stuhl sitzend, sprachlos, verzweifelt, mehr einem Toten als Lebendigen ähnlich. Und siehe! kaum einige Minuten, und die Mutter trat herein freundlich und heiter nach ihrer gewöhnlichen Weise, natürlich verwundert und bestürzt über den Zustand und die Personen, welche sie bei dem Halbdunkel der Nacht anfangs auch wohl kaum gewahren mochte.

Nun Friede, Freude, Fragen und Vorwürfe, warum und daß die Frau so lange ausgeblieben und erst um zwei Uhr nach Hause kam – denn so mochte die Zeit stehen. Alles bewegte sich wieder frisch und froh, nur der zerschmetterte Vater kannte sich noch lange nicht wieder erheben und besinnen. Und wie hatte die Geschichte sich begeben? Die Mutter war spät abends ausgegangen, in der Meinung dem lange weilenden Vater auf dem Heimgange vom Kloster zu begegnen und war so bis dicht an Rambin und zwar bis an die Rambiner Sandgrube gekommen und hatte sich über ihr im Erase hingesetzt, wo unser ordentlicher Kirchenfußsteig zwischen zwei Wegen ins Kirchdorf hineinführte. Von hier konnte sie die beiden Wege, welche von Rambin und vom Kloster auslaufen, übersehen, und der Vater mußte hart an ihre Stelle herankommen und konnte ihr nicht entgehen. Dort hatte sie gesessen und in der schönen, blitzigen Sommernacht einige Stunden verträumt und war endlich heimgeschlendert, verwundert und ungeduldig, daß der Mann immer noch nicht kommen wollte. Der Vater war aber eines anderen Weges in sein Haus heimgegangen, nämlich aus dem Klostergarten hinten hinaus durch den Klosterpark und Giesendorf über den Grabitzer Tannenberg. Daher die Tragödie.

Für den Vater war es eine Tragödie. Er erkrankte ernsthaft auf einige Wochen und litt, wie er uns wohl heimlich klagte, lange an den Schrecken dieser fürchterlichen Nacht. Ich bekam auch meinen guten Teil davon. Meine Phantasie war so aufgeschreckt, daß ich darüber[378] manche Nächte gar nicht zum Schlafen kam, ja oft gar nicht einschlafen konnte, bis ich die Mutter in ihrem Bette eingeschlafen wußte. Es war nämlich in dem alten Hause neben der Wohnstube eine große, ungeheuer lange Kammer, welche wie ein arabisches Zelt zwei Abteilungen hatte. Hinten in der Kammer die Betten der Jungen, in der Mitte Tische und Gerüste für Kleider, Waschung, Putzung u.s.w., am Eingange die gewöhnliche Schlafstelle der Mutter, Base und des Schwesterchens. Wie oft habe ich nächtlich aufstehen und leise hinschleichen und schauen und zufühlen müssen, ob die Mutter im Bette geborgen sei.

Kurz, diese Geschichte und das eintretende, entscheidende Jünglingsalter arbeiteten in und an meiner Phantasie mehr als gut und recht war, zerrissen die natürlichen Zustände vom Schlafen und Wachen, setzten mich häufig in einen fliegenden und zitternden Traumzustand, und gaben mir Jahrelang ein unaufhörlich wechselndes Sinken und Steigen von Aufgeregtheit zur Schläfrigkeit und von Fröhlichkeit zur Schwermut, was sich sonst wahrscheinlich in so seltsamen und geschwinden Wechseln nimmer bei mir eingefunden hätte. Das gab bei der entzügelten und aufgereizten Phantasie, die sich nun wie ein losgerissenes Roß mit den wildesten Sprüngen über alle Schranken, Eräben und Hecken verlief, zwischen Leiden und Leidenschaften und Träumen und Gesichten der Nacht, welche schlummerlos nicht die Herzerfreuerin (Euphrone) heißen darf, harte Kämpfe, die der Jüngling allein und schweigend für sich bestehen mußte. Meine Verpflanzung nach Stralsund, welche etwa ein halbes Jahr nach dieser Hausbegebenheit erfolgte, kam noch dazu, und der Eintritt in diese neue Lage und das leidliche Zurechtfinden in derselben ist mir durch meinen außerordentlichen, oft überreizten, oft verdunkelten Gemütszustand außerordentlich erschwert worden. Ich fand mich oft in einem fürchterlichen geistigen Kampf mit mir selber und sollte nun mit einer fremden, zum Teil lieblosen Welt, sollte mit vierzig, fünfzig Genossen leben und kämpfen lernen, welche von Kindesbeinen an in einer öffentlichen Schule unterrichtet, den in schlichter, ländlicher Einfalt aufgewachsenen Jungen in Geschwindigkeit und Fertigkeit des Mutwillens und in Geübtheit in auch unschuldigen Schalksstreichen weit übertrafen. Man denke sich das übrige hinzu.

A17 Der bekannte Historiker seiner Heimatinsel Rügen. Er lebte bis zum I. 1849 in Bergen und schrieb: »Streifzug durch das Rügenland von Indigena« 1805, »Neue und genaue geographischstatistisch-historische Darstellungen von der Insel und dem Fürstentum Rügen« Berlin 1819; »Gesammelte Nachrichten zur Geschichte des ehemaligen Cistercienser- Nonnenklosters St. Maria in Bergen auf der Insel Rügen«, Stralsund 1833.

A18 Über die Grafen Schwerin, die Arndt während seines[379] Aufenthalts in Schweden kennen lernte, sagt er in »Notgedrungener Bericht aus meinem Leben« Bd. II., S. 186, Anm.: »Die Gebrüder Grafen Schwerin in Schweden, in Pommern geborene Deutsche: Graf Friedrich Bogislaf Schwerin (Probst in Sala, als Reichstagsmann ein in Schwedens Jahrbüchern berühmter Name) und sein Bruder, der General Philipp Kurt Schwerin, Majoratsherr in Husby in Ostgothland, waren meine schwedischen Herzensfreunde, mit welchen ich in Gemeinsamkeit der Gesinnungen und Ansichten mir manch' bitteres Weh der Zeit von der Brust weggesprochen habe. Der General war ein so bedeutender Charakter, daß alle Wohlgesinnten i. I. 1807 sagten, Schweden und sein zweiter Gustav Adolf seien gerettet vor den Russen, wenn dieser dem Schwerin Heer und Verwaltung als seinem alter ego übergebe.« Briefe derselben an A. s. a.a.O. II. S. 186 u. 345.

A19 Von dieser Reise hat Arndt eine höchst anziehende, auch jetzt noch interessante Beschreibung verfaßt unter dem Titel: »E. M. Arndts Reisen durch einen Teil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799«. 4. Bd. Leipz. 1804. 8°.

A20 Parow, Superintendent und Pastor an der Marienkirche, Rudolphi, Bhysiolog und Anatom, wurden ebenso wie Rühs, der Verfasser einer Geschichte von Schweden, i. I. 1810 bei Gründung der Universität nach Berlin berufen. Karl Schildener, Jurist, bekannt durch seine Veröffentlichungen altgermanischer Rechtsquellen, war einer von Arndts vertrautesten Freunden. Briefwechsel zwischen Arndt und Schildener s. E. M. Arndt: »Notgedrungener Bericht aus seinem Leben« Bd. II. S. 65–92.

A21 Briefe des General von Dyke an Arndt s. Notgedr. Ber. Bd. II. S. 361, Briefe des Superintendenten Pritzbur und seiner Töchter Charlotte Pistorius a.a.O. II. 172 u. 367.

A22 Sein freimütiges Urteil, das er in seinem Buch »Germanien und Europa« Altona 1803, S. 94–107 und im »Geist der Zeit.« Altona 1807 I. S. 303–24 über Friedrich den Großen gefällt hatte, wurde Arndt später in der Zeit der Demagogenverfolgung als Majestätsbeleidigung ausgelegt.

A23 Am 9. August 1799 reiste A. aus Paris ab, Anfang September kam er in Mainz an. Mit seinen Mainzer Erlebnissen bricht die oben Anm. 19 erwähnte Reisebeschreibung ab.

A24 Franz Joseph Freiherr von Albini, Minister des letzten Kurfürsten von Mainz, organisierte im September 1799 während des zweiten Koalitionskrieges im kurmainzischen Gebiet einen Landsturm. durch den er mehrfach Vorteile gegen die Franzosen erlangte.

A25 Matth. von Normann: »Wendisch-Rügianischer Landgebrauch« herausgegeben von Eadebusch. Stralsund 1777.

[380] A26 David Mevius, Professor in Greifswald, 1638 Sundikus von Stralsund, 1653 bei der Errichtung des schwedischen Obertribunals in Wismar zum Vicepräsidenten desselben ernannt, versuchte in einem Buch »Bedenken über die Fragen, so von dem Zustand, Abforderung und verminderter Abfolge der Bauersleute vorkommen« – bestimmte Rechtsgrundsätze für das Institut der Leibeigenschaft aufzustellen, wobei er allerdings die Bestimmungen des römischen Rechts über Sklaverei häufig als Analogie herbeizieht.

A27 Vergl. hierzu Friedrich Arndts Brief in »Schriften für und an seine lieben Deutschen.« Bd. I., S. 106 f.

A28 Dies geschah durch königlichen Erlaß vom 26. Juni 1806, durch den die bis dahin geltende Landesverfassung in Neuvorpommern aufgehoben und die schwedische Verfassung eingeführt wurde. Gleichzeitig wurde das Land in vier Ämter mit je einem Amtshauptmann eingeteilt und ein Amtsgericht eingesetzt zum Ersatz der Stadt- und Patrimonialgerichte. Die Leibeigenschaft der Bauern sollte mit Beginn des Jahres 1810 aufhören.

A29 Über diese Reise hat Arndt ausführlicher berichtet in seinem Buch: »Reise durch Schweden.« Berlin 1804.

A30 Wie gerechtfertigt Arndts Besorgnisse waren, zeigten die Ereignisse der folgenden Zeit (vergl. Anm. 71) wessen sich der Verfasser vom »Geist der Zeit« von Napoleon zu versehen gehabt hätte, falls er in seine Hände gefallen wäre, ist aus dem Schicksal des Herzogs von Enghien und des Buchhändlers Palm nicht schwer zu erraten.

A31 Pedro Cevallos: Exposition des faits et des trames, qui ont préparé l'occupation de la conronne d'Espagne et des moyens dont l'empereur des Français s'est servi pour la réaliser. Madrid 1808.

A32 In dieser Zeit des vollkommensten Einverständnisses und des engsten Bündnisses zwischen Kaiser Alexander von Rußland und Napoleon war Schweden neben England der einzige Staat, der den beiden Allmächtigen noch Widerstand leistete. Um es zum Anschluß an das Kontinentalsystem und zur Kooperation gegen England zu zwingen, brach Rußland den Vorwand für einen Krieg vom Zaun. Eine Note des Kanzlers Rumänzów vom 21. Februar 1808 kündigte dem schwedischen Gesandten den Beginn der Feindseligkeiten an, und gleichzeitig brach auch ein russisches Heer in Finnland ein. Der finnische Adel, unzufrieden mit Eustavs IV. vergeblichem Widerstand gegen die französisch-russische Politik, schloß sich offen oder im geheimen an Rußland an, Admiral Kronstedt, der Kommandant von Sweaborg, übergab am 6. April diese fast uneinnehmbare Festung den Feinden, ein Manifest Kaiser Alexanders verkündigte Finnlands Vereinigung mit Rußland. Furchtbare Seuchen rafften einen großen Teil der schlecht ausgerüsteten[381] und verpflegten schwedischen Landwehr dahin, ein Landungsversuch, den der König im Herbst 1808 mit seinen Leibwachen und anderen Truppen auf der Insel Aland unternommen hatte, mißlang vollständig, und die Leibwachen hatten sich dabei so schlecht benommen, daß der König sie zu gleichem Rang mit den übrigen Regimentern herabsetzte. Das machte viel böses Blut unter den ersten Familien des Landes, deren Söhne in der Garde dienten, und da nun vollends die Russen im Frühling 1809 in das schwedische Festland eindrangen und sich Btockholm näherten, bildete sich unter dem Adel und in der Armee eine Verschwörung, welche die Absetzung Eustavs bezweckte, um das Land von der unheilvollen Politik seines Königs zu befreien. Er wurde am 13. März 1803 im Schloß zu Stockholm gefangen genommen, nach Schloß Gripsholm gebracht und mußte Schweden im Winter 1810 für immer verlassen, nachdem am 10. Mai 1809 sein Oheim Karl, Herzog von Sudermauland zum König gewählt worden war. Dieser erkaufte am 17. Sept. 1808 den Frieden durch Abtretung Finnlands an Rußland.

A33 Der Ausbruch des österreichischen Krieges gegen Napoleon erfolgte Anfang April 1809, Schills Besetzung von Stralsund am 25. Mai, sein Tod am 31. Mai. Er gebot übrigens nicht über 10000, sondern über wenig mehr als 2000 Mann.

A34 Weder die Ächtung Steins noch die Hinrichtung Hofers erfolgte im Jahre 1809; erstere vielmehr am 16. Dezember 1808, Hofers Tod am 26. Februar 1810.

A35 Seinem Freund, dem Buchhändler Reimer hat Arndt einen Nekrolog geschrieben in »Schriften für und an seine lieben Deutschen« III., S. 333 ff. Briefwechsel zwischen Arndt und Reimer s. »Notgedrungener Bericht« II., S. 3–65.

A36 Der Einzug der preußischen Königsfamilie, die seit der Flucht im Jahre 1806 in Königsberg und Memel residiert hatte, fand statt am Weihnachtstage 1809.

A37 Am 6. Januar 1810 war der Friede zwischen Schweden und Frankreich abgeschlossen; am 17. März wurde das bis dahin von Franzosen und ihren Bundesgenossen occupierte Neuvorpommern an Schweden zurückgegeben.

A38 Die allgemeine Unsicherheit der Verhältnisse in jener Zeit charakterisiert ein Brief des Generals von Dyke auf Losentitz an Arndt vom 4. April 1811, s. Notgedrungener Bericht. II., S. 361.

A39 Chamisso ist nicht Lothringer; Schloß Boncourt liei in der Champagne. Villers floh während der Schreckenszeit 1793 nach Deutschland, wurde 1811 als Professor der französischen Litteratur nach Göttingen berufen, nach Rückkehr der alten Regierung im Jahre 1814 abgesetzt und starb am 26. Februar 1815 in Leipzig.

[382] A40 Durch Dekret vom 10. Dezember 1810 hatte Napoleon einen großen Teil von Hannover, das Herzogtum Oldenburg sowie Lauenburg und die drei Hansestädte in Frankreich einverleibt und Davoust zum Oberbefehlshaber über diese Gebiete ernannt.

A41 Obgleich sich Schweden in vollkommenem Frieden mit Frankreich befand, rückte General Friant am 27. Januar 1812 mit einer Divisivn in Schwedisch-Pommern ein, angeblich auf Erund bestehender freundschaftlicher Verträge. Die Besetzung erfolgte, weil Napoleon für seinen Zug nach Rußland eine nördliche Etappenstraße längs der Küste, durch Mecklenburg, Pommern und Preußen herstellen wollte.

A42 Man vergl. über diese Tage Arndts Tagebuch in Notgedr. Bericht. I., S. 403 ff.

A43 Zwei andere Briefe von Arndts Schwester Dorothea an ihn s. Notgedr. Bericht. II, S. 95 und S. 373.

A44 Das Bündnis zwischen Preußen und Napoleon wurde am 5. März abgeschlossen; am 13. März verließ Arndt Berlin laut des oben Anm. 42 erwähnten Tagebuches, welches über diese Breslauer Tage, die Wanderung nach Prag und die Reise nach Rußland noch nähere Auskunft giebt. Es reicht bis zum 4. August.

A45 Gruner stand in jener Zeit thatsächlich in russischen Diensten s. Allg. Dtsch. Biogr.; er wurde am 92. August 1812 verhaftet und nach Peterwardein gebracht, wo er bis zum Oktober 1813 gefangen gehalten wurde. In einem vorzüglichen Aufsatz in der »Deutschen Rundschau« Jahrg. 1887 hat A. Fournier, der dazu Gruners bei seiner Gefangennehmung mit Beschlag belegten Papiere benutzt hat, Steins und Gruners Aufenthalt in Österreich und ihre Thätigkeit daselbst geschildert.

A46 Am 9. Juli war Arndt in Prag angekommen, am 14. verließ er es, am 23. passierte er bei Brody die russische Grenze und befand sich in Sicherheit.

A47 Ein Brief von Arndt an Eruner, den Fournier unter dessen Papieren gefunden und a.a.O. veröffentlicht hat, möge hier seinen Platz finden. Er ergänzt und berichtigt Arndts Erzählung in einigen Kleinigkeiten.

Brody, 22. Juli 1812.


Eben heute früh um 8 Uhr kamen wir hier an, und ich hoffe, daß r mit Gottes und guter Freunde Hilfe wohl weiter kommen werden. Unsere Reise hätte, wenn die Wege die ersten Tage nicht so schlecht gewesen wären, unstreitig noch geschwinder gehen können; doch haben wir gethan, was in uns lag, sie zu beschleunigen, und ich kann in dieser, so wie in jeder andern Hinsicht meinen ehrenhaften Ritter,[383] dessen Sancho ich bin, nicht genug rühmen. Es ist ein gescheiter, geübter und vorsichtiger Mann, welcher tempora et modos et homines zu belauschen und durch jedes Ritzchen, das sich ihm öffnet, Licht fallen zu lassen weiß. – Eine große Freude haben wir unterwegs gehabt, wo wir nur anrühren und anklopfen durften, die Stimmung vortrefflich zu finden. Es reist eine große Ernte; wenn nur die, welche Vormauer sein sollen, das Rechte thun wollen! Eben wie wir ankamen, fuhr ein Oberstlieutenant Baron Tettenborn von hier, der aus Österreich in russische Dienste geht. Ich gab ihm ein Avertissementsschreiben an Eiers, und falls er vor mir zur Stelle kommen sollte, ein paar Zeilen an Stein und Chasot mit, worin ich meine baldige Ankunft meldete. Ich hoffe, darin werde ich nicht gelogen haben. – Wir sind durch schöne Länder und sehr verschiedenartige Menschen gefahren. Die Böhmen sind trotzig und tüchtig, die Mähren in einem fast noch reicheren Lande gemütlicher und etwas weichlich, die Polacken halbes Vieh, Bettler, Juden und Sklaven: bei diesen Cesichiern ist mir fast übel geworden, und zu dieser Übelkeit werde ich wohl noch oft Gelegenheit haben. – Mein Knappe geht eben aus, und wir werden suchen noch heute Abend hinaus zu fliegen, wo ich mich nicht lange aufhalten werde. Wegen der Brief- und Korrespondenzangelegenheit habe ich mit ihm alles besprochen und werde mit ihm und Giers das Weitere noch besprechen. Beiläufig wegen der Herreise bis hier wird er Ihnen keine Rechnung machen können als über die Wagenmiete: Das andere habe ich durchaus alles bezahlt, selbst 12 Dukaten, um uns einen Ausflug über die Grenzbarrieren zu Eiers zu verschaffen. – Wegen unserer größten Angelegenheit, der Rücken- und Nackenschläge, werde ich alles thun, was ich nach meiner Überzeugung muß. Denn ohne diese ist alles nichts und wird mit Nichts endigen: das muß auch A(lexander) begreifen, wenn er was begreifen kann. Will man großen politischen Ideen folgen, Flammen zünden, wo sie zu zünden sind, neue Völker in einem kühnen und freien Sinne schaffen, so möchte ich für den Erfolg bürgen. Dann wird die Sache großartig und entzündet alle gute und große Herzen, und Cott und die Geschichte werden die Buben und Dummköpfe richten. Für das Alte wird es auf keine Weise gehen, denn dagegen haben sich Cott und Menschen schon erklärt. O möchten wir uns unter fröhlicheren Auspicien wieder umarmen und an den Orten, wo wir es wünschen! und möchten Sie, mein vortrefflichster Freund, richt um Ihr Süßestes weinen, sondern sich der blühenden Wiederherstellung des schönsten Elneks der Liebe freuen können! Dies wünsche und hoffe ich von ganzem Herzen und danke Ihnen hiemit aus vollster Seele für alle die Liebe und Treue, womit Sie mir die paar Tage in P(rag) versüßt haben! Ernßen Sie den Hauptmann Ph(uel), wenn er noch[384] da ist, und sagen ihm, er soll in meinem Namen die auf beiliegendem Blatte genannten Personen nur begrüßen, so werden sie freundlich gegen ihn sein. – Einliegende Briefe befördern Sie gelegentlich nach Berlin an Freund R(eimer?) und melden ihm, daß er sie als völlig ungefährliche und unpolitische auf die Post geben kann; wenn er weiß, daß sie mit dieser an die Adresse gelangen; daß er sie im entgegengesetzten Fall aber mit sicherer Gelegenheit befördert.


Radzwiloff, 23. Juli 1812.


Wir sind glücklich hierher gekommen, haben mit Eiers, der ein artiger aber nicht weit sehender Mann scheint, alles besprochen, und ich werde Stein mündlich über die Korrespondenz noch erinnern. Die Russen sehen die Wichtigkeit aller dieser Dinge noch nicht ein. Ich hatte gestern einen ganz lustigen Abend, weil ich in dem Kollegienrat und Inspektor Saalfeld einen alten Jenenser fand. Heute hoffe ich mein Gepäck aus Brody zu erhalten und dann sogleich weiter zu fliegen ins Hauptquartier, das ich wahrscheinlich an der Düna finden werde. Denn wo es ist, weiß man hier nicht bestimmt, auch weiß man noch nichts von Treffen. Es wäre zu wünschen, wenn man ohne Treffen aufreiben könnte. Ausdauer und fester Sinn allein kann uns retten. – Wie es nun auch gehe, davon seien Sie überzeugt, daß mein Sinn unerschütterlich derselbe bleibt, weil er so muß, daß auch gegen Sie dieses Mlüssen in ihm ist. Cott erhalte Sie und Ihr Glück! Ihr E. M. A.

N. S. Melden Sie mir auf das baldigste wegen des E(ei)sts der Z(ei)t Nr. 2, ob Sie es gedruckt bekommen können. Ist das (nicht) so ziehe ich die Exemplare vielleicht auf anderem Wege zu Schiffe aus Schweden.

A48 Tettenborn, der bekannte Reiteroberst, der mit seinen Kosaken den Franzosen bei ihrem Rückzuge immer auf den Fersen blieb und den verbündeten Heeren weit vorausschweifte. Am 20. Februar 1813 machte er einen kühnen Streifzug nach Berlin hinein, das von den Franzosen noch stark besetzt war, am 18. März nahm er Hamburg, das er leider wegen der zweideutigen Haltung des Kronprinzen von Schweden am 30. Mai räumen und dem schrecklichen Schicksal überlassen mußte, das ihm der harte Davoust bereitete.

A49 Roskolniken, richtiger Raskolniken (von raskol Kirchenspaltung), die gemeinsame Bezeichnung für alle nicht rechtgläubigen Russen, nicht eine bestimmte Sekte bezeichnend.

A50 Hier muß ein Irrtum von seiten Arndts vorliegen. Sein schon mehrfach erwähntes Tagebuch enthält folgende Nachricht: Einfahrt in Smolensk den 1. oder 2. August nach einem Kampf von drei bis vier Stunden vor den Thoren und in den Straßen der Stadt, Fußvolk, Reiterei, Kanonen – alles durcheinander, gräßlicher Staub[385] und Hitze: der Vorderzug des russischen Hauptheeres in und um die Stadt, 25000 bis 30000 Mann. Not um Quartier, Hitze, Hunger und Durst – fröhliches Finden der Freunde: Lützow, Chasot, Barnekow. Fröhlicher Speisetrost an der Tafel des Herzogs Alexander von Württemberg, wo ich, von meinem Chasot eingeführt, mit mecklenburgischen, oldenburgischen, hessischen Prinzen und Hunderten von Offizieren immer meinen Tisch gedeckt fand, auch zuweilen einige lustige Nächte in einem großen Saale meine Glieder aufs Soldatenlager mit hinstreckte. – Viele fröhliche Unterhaltungen über die Hoffnungen dieses Kriegs.

A51 Leo von Lützow, jüngerer Bruder des bekannten Freischarenführers Adolf von Lützow, schloß sich Schill auf seinem Zuge nach Stralsund an, trennte sich aber von ihm, weil er die Aussichtslosigkeit seines Unternehmens einsah. Er kämpfte in Österreich und Spanien gegen Napoleon, geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er glücklich entkam, worauf er sich nach Rußland wandte, um in der deutschen Legion Dienste zu nehmen.

A52 Der Croßherzog Paul Friedrich August von Oldenburg, welcher 1829–53 regierte. Er war 1811 mit seinem Vater, den Napoleon seines Landes beraubt hatte, nach Rußland gegangen. Sein jüngerer Bruder Peter Friedrich Georg war mit Katharina, der Schwester Alexanders I. von Rußland, vermählt.

A53 Wenn diese Unterredung zwischen Kaiser Alexander und Stein überhaupt stattgefunden hat, so muß dies jedenfalls zu einer anderen Zeit gewesen sein, denn Stein befand sich in jenem Sommer 1807 gar nicht in Tilsit, sondern auf seinem Stammschloß Nassau an der Lahn. Dorthin hatte er sich begeben, nachdem er von dem König in Ungnaden entlassen war (3. Januar 1807), dort hatte er den ganzen Sommer über verweilt und erst im September, als der König ihn durch Hardenberg hatte auffordern lassen, die Leitung der Geschäfte wieder zu übernehmen, kehrte er nach Memel zurück, wo er am 30. September eintraf.

A54 Konstantin, Alexanders Bruder, zweiter Sohn des Kaisers Paul.

A55 Ausführlicher noch als hier hat Arndt seine Erlebnisse in Petersburg sowie sein Verhältnis zu Stein geschildert in: »Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Freiherrn von Stein.« Berlin 1858.

A56 Mit Trinius blieb Arndt auch noch in späteren Jahren in freundschaftlichstem Verkehr. Briefe von Trinius an Arndt s. Notgedr. Bericht II., S. 178, 191, 285.

A57 Trotzdem kam es zu einem scharfen Konflikt zwischen Stein und den offiziellen preußischen Behörden, dem Präsidenten von[386] Ostpreußen, Auerswald und York, dem Generalgouverneur der Provinz. Solange der König sich in Berlin unter den Augen und in der Gewalt der Franzosen befand, konnte man ihn allenfalls als unfrei betrachten und sich Steins Eingriffe in die preußische Verwaltung, die er als russischer Bevollmächtigter im Interesse der guten Sache unternahm, gefallen lassen. Am 26. Januar kam die Nachricht nach Königsberg, daß Friedrich Wilhelm sich nach Breslau begeben habe und nicht mehr in der Gewalt des Feindes sei. Nun mußte nach Auerswalds und Yorks Meinung Stein aufhören, seine russische Vollmacht in Anwendung zu bringen. Da er es nicht that, sondern auch jetzt noch fortfuhr, eigenmächtige Verordnungen zu erlassen, so kam es zu einem harten Zusammenstoß zwischen ihm und den genannten Männern, der nur durch Schöns Vermittlung beigelegt wurde. Stein gab nach und verließ Königsberg am 7. Februar.

A58 Was bedeutet Landsturm und Landwehr? Königsberg 1812; von neuem abgedruckt in: »Schriften für und an seine lieben Deutschen« I., S. 289 ff.

A59 Näheres darüber s. Notgedr. Bericht Bd. I., S. 6, wo Arndt erzählt: »Clausewitz' Entwurf ward mir von den Freunden Chasot und Gneisenau, mit welchen ich damals in den drei Bergen in Breslau zusammen wohnte, zur Durchlesung mitgeteilt. Es waren demselben mit einer blauen Bleifeder von der Königlichen Hand Randglossen zum Text beigeschrieben, deren ich dreizehn an der Zahl der Merkwürdigkeit, nämlich des erhabenen Schreibers und seiner Ansicht des Entwurfs wegen, neben meinen Tagebuchserinnerungen abgeschrieben habe.« Diese Randbemerkungen des Königs nun, von denen eine lautete: »Ein paar Exekutionen und die ganze Sache hat ein Ende« und eine andere: »Wenn ein Prediger erschossen sein wird, hat die Sache ein Ende«, diese Randbemerkungen des Königs wurden, – natürlich in dem Glauben, daß sie von Arndt herrührten, – nebst einigen anderen ganz aus dem Zusammenhang gerissenen Auszügen aus Arndts beschlagnahmten Papieren in den Jahren 1819 und 1825, während die Untersuchung wegen demagogischer Umtriebe gegen ibn geführt wurde, in der preußischen Staatszeitung veröffentlicht als höchst wichtige und vollständige Beweise über das Dasein geheimer demagogischer Verbindungen und Umtriebe und die revolutionäre, hochverräterische Tendenz derselben, ein Beweis, bis zu welcher Verblendung die Demagogenfurcht auch besonnene Männer in jener Zeit hingerissen hatte.

A60 Der Graf Friedrich von Dohna war seit 1810 mit Scharnhorsts Tochter Julie vermählt (vgl. S. 121 und 158).

A61 Motherby und Friccius zeichneten sich beide bei det Erstürmung Leipzigs am 19. Oktober 18; 3 aus, bei der M. den Heldentod[387] fand. Nahe bei der Stelle, an welcher er fiel, liegt er auf dem Johanniskirchhof begraben; ein Crabstein in Gestalt eines eisernen Kreuzes bezeichnet den Platz. Canz in der Nähe, genau da, wo die Königsberger Landwehr unter Führung des Majors Frieeius zuerst in die Stadt eindrang, ist ein Denkmal errichtet mit F's. Medaillonbildnis.

A62 Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann, Petersburg 1812; wieder abgedruckt in »Schriften für seine lieben Deutschen« I., S. 229 ff.

A63 Moreau war bekanntlich von Napoleon angeblich wegen Hochverrat verbannt und lebte während der Jahre 1804–13 in Amerika. Beim Ausbruch des Krieges rief Kaiser Alexander ihn zu sich, um mit an Napoleons Sturz zu arbeiten. Am 7. August traf er in Stralsund ein, wo er eine Unterredung mit seinem alten Kameraden Bernadotte, dem Kronprinzen von Schweden hatte; am 16. August kam er im Hauptquartier der verbündeten Monarchen in Prag an; am 26. August in der Schlacht bei Dresden wurde er tödlich verwundet und starb einige Tage darauf.

A64 Johann Christian Reil, ein namhafter Arzt, war 1810 bei Eründung der Universität als Professor der Physiologie von Halle nach Berlin berufen worden.

A65 Vergl. Anm. 48.

A66 Lützows Freischar wurde am Abend beg 17, Juni bei dem Dorfe Kitzen in der Nähe von Merseburg von Franzosen unter General Fournier und Württembergern unter General Normann überfallen und bis auf 20 Mann niedergehauen. Leider ist Lützow selbst nicht von aller Schuld an dem traurigen Ereignis freizusprechen. Denn obwohl ihm schon am 9. Juni die Nachricht von den am 4. abgeschlossenen Wussenstillstand und die Bestimmung, daß bis zum 12 das Land westlich der Elbe geräumt sein sollte, zugegangen war, kehrte er sich doch nicht daran, und brach erst am 14., als ihm die amtliche Meldung überbracht war, in langsamen Märschen zur Elbe auf.

A67 Briefe des Grafen Geßler an Arndt s. Notgedr. Bericht. II., S. 128, 271.

A68 Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Erenze. Leipzig 1813; wieder abgedruckt in »Schriften an seine lieben Deutschen.« II., S. 1–67.

A69 Der geheime Nebenartikel des Vertrages von Ried, den der österreichische General Prinz Reuß am 8. Oktober im Namen der Verbündeten mit Bauern abschloß, bestimmte »Die vollständige und unbedingte Unabhängigkeit Bauerns, dergestalt, daß es jeden auswärtigen Einflusses los und ledig des vollen Umfangs seiner Souveränität[388] genieße.« Damit war der von allen Patrioten erhoffte und gewünschte enge Zusammenschluß aller deutschen Staaten unter einem Oberhaupt allerdings kaum vereinbar.

A70 Das Manifest ist von Metternich verfaßt.

A71 Heinrich von Kleist erschoß Frau Henriette Vogel und sich am 20. November 1811 am Ufer des Wansees. Ein leidenschaftliches Liebesverhältnis zwischen ihnen bestand durchaus nicht; nur der gleiche Lebensüberdruß trieb beide zu der »großen Entdeckungsreife«.

A72 Die Teilnahme Rußlands an dem Kriege gegen Österreich war nur eine scheinbare. Ein österreichisches und ein russisches Heer standen sich allerdings in Calizien gegenüber, doch blieben die beiden Hauptquartiere in ununterbrochenem Verkehr. Alle Bewegungen des russischen Heeres wurden gemeinschaftlich verabredet; man ging sich sorgfältig aus dem Wege. Rußlands Bestreben war, den Krieg zu lokalisieren; es wünschte weder einen entschiedenen Sieg noch eine gänzliche Vernichtung des österreichischen Staates.

A73 Preußen verpflichtete sich in dem Vertrag von Reichenbach vom 14. Juni 1813 zur künftigen Vergrößerung Hannovers Ostfriesland und Hildesheim von seinen früheren Besitzungen abzutreten, dafür erhielt es 660000 Pfund Sterling Subsidiengelder.

A74 Dieser Aufruhr der drei sächsischen Bataillone brach am Nachmittag des 2. Mai aus: Erst nach mehreren Tagen gelang es, die Meuterer durch preußische Truppen einzuschließen und zu entwaffnen.

A75 Goethe bemerkt in seinen »Annalen« über diesen Aufenthalt in Köln: »Es wäre sodann der älteren deutschen Baukunst zu gedenken, deren Begriff sich mir immer mehr erweiterte und reinigte. Eine Fahrt nach Köln in der ehrenden Gesellschaft des Staatsministers oon Stein drückte hierauf das Siegel. Ich sah mit vorbereitetem Erstaunen das schmerzenvolle Denkmal der Unvollendung und konnte doch mit Augen das Maß fassen von dem, was es hätte werden sollen, ob es gleich dem angestrengtesten Sinne noch immer unbegreiflich blieb. Auch von altertümlicher Malerei fand sich in Professor Wullrass Sammlung und anderer Privaten gar viel zu schauen, gar mancher Wert zu erkennen, und der Aufenthalt, so kurz er gewesen, ließ doch unvergängliche Wirkungen zurück.«

A76 »Der Wächter.« Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften. Bd. I. Köln 1815. Bd. II. u. III. Köln 1817.

A77 Schmalz, Geheimer Justizrat und Professor in Berlin, hatte im Herbst 1815 eine Flugschrift veröffentlicht unter dem Titel »Berichtigung einer Stelle in der Bredow-Venturinischen Chronik von 1808«, worin er anknüpfend an den Tugendbund gegen geheime politische Verbindungen zu Felde zog, die angeblich noch bestehen sollten,[389] und die unsinnigsten Beschuldigungen und Verdächtigungen gegen Arndt persönlich richtete. Der Geheime Staatsrat von Bülow, der 1812 unter dem Minister Fürsten Wittgenstein das Ressort der geheimen Polizei verwaltete, gehörte der streng konservativen Partei an, die die Volksbewegung der Freiheitskriege nur mit Furcht und Abneigung betrachtete.

A78 Dieser Sohn wurde aus Anlaß seines Geburtstages Siegerich getauft; er starb 1869 als Arzt.

A79 Am 10. November 1820 wurde Arndt seine Lehrthätigkeit untersagt, im Februar des folgenden Jahres begann eine Kriminaluntersuchung gegen ihn, die nicht von dem ordentlichen Gericht, sondern von einer außerordentlichen Spezialuntersuchungskommission unter dem unfähigen und beschränkten Landgerichtsrat Pape geführt wurde. Arndt protestierte in einer besonderen Verteidigungsschrift: »Ein abgenötigtes Wort aus seiner Sache.« Altenburg und Leipzig 1821, gegen dieses außerordentliche Gerichtsverfahren. Ohne Erfolg. Im Sommer 1822 wurde die Untersuchung gegen ihn plötzlich eingestellt, eine förmliche gerichtliche Freisprechung konnte er nicht erlangen. Erst im Jahre 1827 wurde ihm mitgeteilt, daß die Untersuchung gegen ihn nichts ergeben habe. So sah er sich denn genötigt um sich vor allem Volk zu rechtfertigen, im Jahre 1847: »Einen notgedrungenen Bericht aus seinem Leben« (Leipzig, Weidmann) zu veröffentlichen, der gewechselte Briefe mit dem Curator der Universität, mit dem Cultusminister Altenstein, dem Fürsten Hardenberg und eine Erklärung an seine Richter enthält, sowie die Stellen aus seinen Büchern, beschlagnahmte Briefe und Papiere, auf welche die Anklage begründet war.

A80 Karl Lappe geb. 1773 in Wusterhusen, gest. 1842 in Stralsund, besonders bekannt durch seine lyrischen Gedichte, in denen er die Naturschönheiten seiner Heimat besingt. Seine »sämtlichen poetischen Werke« erschienen 1840 in Rostock. Außerdem verfaßte er noch mehrere epische Erzählungen wie »Die Insel Felsenburg«, »Miranda« und ein »Pommerbuch« (Stralsund 1820), eine volkstümlich geschriebene pommersche Geschichte.

A81 Die Verbreitung und Wirksamkeit des sog. Tugendbundes ist vielfach sehr überschätzt worden. Allerdings bildeten sich nach dem Tilsiter Frieden mehrere Geheimbünde zur Verbreitung guter politischer Crundsätze und zur Befreiung des Vaterlandes, welche ihren Namen von dem bekanntesten derselben dem Königsberger Tugendbund erhielten, doch zählten dieselben nie mehr als etwa 300–400 Mitglieder. Am 31. Dezember 1809 wurde der Tugendbund von dem König aufgelöst, begann aber im Jahre 1812 seine patriotische Thätigkeit von neuem.

[390] A82 Von den Schriften Arndts aus dieser Zeit sind zu nennen: »Christliches und Türkisches«, (Stuttgart 1823). »Die Frage über die Niederlande und Rheinlande« (Leipzig 1831). »Belgien und was daran hangt« (Leipzig 1834). Die beiden letzteren auch in Schriften an seine lieben Deutschen. Bd. III.

A83 Anspielung auf David Friedrich Strauß' »Leben Jesu«, das im Jahre 1835 erschienen war.

A84 Arndt meint den Streit über die gemischten Ehen, der 1837 zwischen den Erzbischöfen Droste-Vischering von Köln und Dunin von Enesen mit der preußischen Regierung ausgebrochen war und zur Verhaftung der beiden Kirchenfürsten geführt hatte. Erst unter Friedrich Wilhelm IV. wurde er im wesentlichen zu Eunsten der katholischen Kirche beigelegt.


Ende.[391]

Fußnoten

1 Kester ein kleines Handnetz an einer Stange gehalten.


Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Erinnerungen aus dem äußeren Leben. Leipzig [o.J.].
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