8.

[47] Du, der in flammende Gebete

Des Lebens höchste Kraft gelegt

Und aus des Busens tiefster Stätte

Das Herz in süßer Sehnsucht regt,

Du, aller Himmel höchster Meister,

Du, alles Lebens höchster Schein,

Komm, führe in das Land der Geister

Dein sehnend Kind zum Lichte ein.


Wo Myriaden Sonnen kreisen,

Der Morgenröten Jubelklang

In tausendfach verschiednen Weisen

Ertönt, ein heiliger Gesang,[47]

Wo Millionen Heil'ge knien

Und schauen dir ins Angesicht,

O Vater! Gott! laß dort mich blühen

Am kleinsten Strahl von deinem Licht!


Denn ach! zur kalten Erde wollen

Die Himmelslichter nicht herab,

Und ihre goldnen Lampen rollen

Gefühllos über Sarg und Grab;

Der Wechsel hier vom Leid zum Glücke,

Vom Glück zum Leide ist zu schwer:

Es bricht die zarte Geisterbrücke,

Und Paradiese blühn nicht mehr.


Drum Himmel steige! Sinke Erde

Und irdisch Leben unter mir!

Daß ich ein weißer Engel werde,

Steht, weiße Engel, neben mir,

Und helft im Glauben mir vollenden

Der Erde mühevollen Streit,

Und traget mich auf reinen Händen

Empor ins Land der Seligkeit.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 47-48.
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