I.

[28] CHOR DER SCHLOSSGEISTER.

Aus den ersten stürmenden Tagen,

Wo der glühende Schöpfungswagen

Nahe der gährenden Erde fuhr,

Steiget die bildende Kraft der Natur,

Was sie thut, das muß sie vollbringen,

Ohne Freiheit ein Allesgelingen,

Denn sie thut nur, was fordert die Noth.

Auch der Mensch folgt ihrem Gebot,

Seine Gesetze sind ewige Schranken,

Seine Träume ewge Gedanken,

So entwickelt sich Menschenkraft,

Die in spielender Freiheit schafft,

Und es geschieht das göttlich Freie,

Und er empfängt des Glaubens Weihe.

Herrlich ist nur, was frei geschaffen,

Was sich versündgen kann und sich bestrafen,

Und so steiget im Menschengeschlecht

Frei empor, was nichtig und schlecht,

Und die Geschlechter wachsen, vergessen,

Was sie einst als Höchstes besessen,

Lassen die Erde aus ihrer Haft,

Wo sie gebunden von Schöpfungskraft,

Und sie tritt zerstörend hinaus,

Freies Wirken erlischt in Graus.

DER TEUFEL steigt aus der Regierungsmaschine heraus.

Verlassen steht der mächtge Thron,

Da kann ich sprechen der Welt Hohn,

Die Regierungsmaschine ist unbesetzt,

O süße Bosheit, wie wirst du ergötzt,

Wie will ich spotten der ganzen Welt,

Wenn sie in sich selber zerfällt.

Ich nehme die Krone, ich nehme das Kleid,

Und geheiligt erschein ich der Welt zum Leid,

Ihr Menschen, kommet einmal herbei.[28]

MENSCHEN.

Sey uns gegrüßt mit Freudengeschrei,

In unsern Festen, mit schönen Künsten.

DER TEUFEL.

Ihr ehrt mich allein in Feuersbrünsten,

Wenn ihr geistige Thorheit vergeßt,

Euch unter einander gierig auffreßt

Das Eine ist nur nöthig der Welt,

Der Krieg allein mir wohlgefällt,

Die Taktick ist menschliche Wissenschaft,

Die Kunst ist eine niedere Kraft.

MENSCHEN.

Hohe Weisheit. Unsre Kunst war nichts werth,

Nur der Waffenklang Menschen belehrt,

Fechtet, streitet, wer übrig bleibt,

Das Paradies auf Erden beschreibt.


Sie fechten.


TEUFEL.

Ha, wie sie sich im Streit ermüden,

Bald haben wir nichts als Invaliden,

Jetzt, dumme Thiere, kommt eilig herbei,

Ich mache euch jetzt vom Menschenjoch frei,

Kein Mensch darf mehr euch Ochsen braten,

Die Affen dürfen die Menschen heirathen,

Die Offenbarung wird abgeschafft,

Sie würd' euch schützen, hätte sie Kraft.

MENSCHEN.

Wir armen müden lahmen Leute

Werden nun sicher der Thiere Beute,

Nachdem wir für deinen Thron gestritten,

Begeisterung ist uns ganz abgeschnitten.

THIERE.

Wir danken für die Gerechtigkeit,

Die uns versaget so lange Zeit,

Jetzt wollen wir uns an Menschen rächen,

Und ihnen das hohe Genick zerbrechen,

Bis sie auch gehen auf allen vieren,

Gleich uns andern edleren Thieren.

TEUFEL.

Ihr kämpft für den größten unendlichsten Wahn,

Und große Seelen erzieht große Bahn.

KROKODILL.

Mein gnädiger Kaiser, ich bin so beschämt,

Daß ihr mir jetzt die Nahrung nehmt;

Wenn ihr die Menschen laßt alle verderben,

So muß ich endlich selbst Hunger sterben.[29]

TEUFEL.

Das Krokodil! hat verständige Art,

Ich befehl euch, setzt ihm Menschen apart,

Es hat sich immer als Leckerbissen,

So nach der Mahlzeit einen zerrissen,

Das soll man dem lieben Thiere noch gönnen,

Es wird ihm dabei so sauer das Rennen,

Das liebe Würmchen ist steif in dem Rücken,

Da wußten die Menschen es oft zu berücken,

Jetzt soll man die Menschen halten und binden,

Da kann es sie nach Gefallen schinden.

ESEL.

Mein gnädger Kaiser, ich will Gerechtigkeit,

Ich bin der Prügel gewohnt zur Zeit.

Mir juckt der Rücken, wenn sie mir fehlen,

Da bitt ich euch, dem Menschen zu befehlen,

Daß er mir gebe der Prügel so viel,

Als mir nöthig nach meinem Gefühl.

TEUFEL.

Das ist verständig, ich muß es gestehen,

Einem jeden Thiere soll seine Lust geschehen.


Quelle:
Achim von Arnim: Das Loch. Berlin 1968, S. 28-30.
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