Prolog des Schattendichters

[7] Euch Aktionärs vom neuen Schauspielhaus,

Entbiet ich meinen besten Grus voraus,

Ich schwör es euch, ihr lebet viel bequemer

Als Ich, der dieses Baues Unternehmer!

Wer Geld gegeben, meint, er hab das Recht,

Daß er das Ganze finde gar zu schlecht;

Ich hör viel Tadel, niemand will recht loben,

So geht es mir, wie unserm Herrn da droben.

Der eine meint, ich hab das Oel gespart,

Nach der bekannten Stadtbeleuchtungsart,

Der andre meint, die Malerperspective

Verliere sich beinahe in das Schiefe,

Der dritte meint in diesem Augenblick,

In Gesten hätte ich noch kein Geschick,

Auch sollte ich noch mehr Register ziehen

In dem deklamatorischen Bemühen. –

Bei Licht besehn, wird's keinem recht gemacht,

Doch traulich waltet über euch jetzt Nacht,

Ihr seht nicht mehr, als ich will sehen lassen,

Wollt ihr was hören, müßt ihr auf mich passen,

Denn keiner ist von euch so vorbereitet

Daß er aus'm Stegereif mein Stück bestreitet.

Doch wenn es euch mißfällt, ihr könnet schlafen,

Ihr könnet schwatzen, niemand kann euch strafen,

Die Nacht ist Feindin aller Policey,

Die Welt wird Chaos und der Mensch wird frei.

Zwar ist der Raum nur eng, den wir regieren,

Wenn uns kein Licht zu ferner Welt will führen,

Die Nacht ist ohne alle Offenbarung,

Sie hat zu ihrem Tröste die Erfahrung

Im engen Raum, den unser Blut durchschwärmt,

Den unsre Haut umspannt, und Athem wärmt

Wo Töne sind die einzigen Gestalten,

Die ungeschwächt von aussen in uns walten,

Wenn die Erinnerung von allem Leben

Will in verzerrten Bildern schon verschweben. –

– Die Kinder schreien in der Dunkelheit,

Verständge sehnen sich nach Freudigkeit,

Und sehnen sich wohl gar nach jenen Schatten,

Die sie am Tage übersehen hatten,[7]

Die den bewegten Umriß deutlich zeigen

Von allem Lebenden, was uns einst lieb,

Was in der Phantasie verwischt und trüb,

Beseelte Bilder, die, obwohl schon eigen

Der Unterwelt, doch an des Lichtes Grenzen

Sich noch mit seiner Heiterkeit bekränzen,

– So ward einst Nachts das Schattenspiel erfunden

Von Liebenden, die sich getrennt befunden,

Die Liebe gönnte diese Kunst im Scheiden

Als sie erfand den Schattenriß zu schneiden,

Der Liebe hat es Scherz bald nachgemacht,

Und spricht zu euch in dieser Winternacht:

Dies Geisterreich, es sey euch aufgethan,

Es bricht die Kunst sich heute neue Bahn

In einem Haus, von Pappe auferbaut,

Personen hinter Dekorationen schaut.

Wer sind die Schatten, kennt ihr sie noch nicht?

Erkennt sie doch am Umriß vom Gesicht! –

– Da die Gebildeten mit nichts zufrieden,

Da sie an allen Künsten schon ermüden,

Und da das alte Schauspielhaus verdorben,

Die alten Schauspielleut aus Gram gestorben

Um die Kritik, die sie so stolz verlacht,

So steigen ihre Schatten aus der Nacht,

Sie wollen sich vor euch noch einmal zeigen,

Sie bleiben euch im Schattenreich noch eigen,

Es war ihr einzger Trost im ewgen Leben,

Daß ihnen Kritiker heut Beifall geben;

Brecht eures Witzes scharfe Spitzen ab,

Gedenkt, daß niemand steiget aus dem Grab

Gelenkig, zierlich, wie er einst im Leben

Die Arme und die Beine konnte heben;

Einseitig auch sind Schatten, wie bekannt,

Ihr Ansehn wechselt bei des Lichtes Stand,

Auch wird zuweilen sichtbar jene Hand,

Die sie auf Erden hat zu euch gesandt. –

Wems nicht behagt, der komm zu mir herauf,

Denn wie ihr seht, ich bin ein Schatten auch,

Verbessert mich in meiner Verse Lauf,

Und meinen Beinen gebet bessern Brauch,

Die Ehre gebe ich der Lust in Kauf,

Hier oben könnte mir noch mancher helfen,

Doch müßte er hier heulen mit den Wölfen,

Und mit dem Eselein das Ja schrein,[8]

Und sich mit kindschem Spiele noch erfreuen.

Des Spieles Name schon bedeutsam ist,

Es heißt das Loch, weil, wie ihr alle wißt,

Das Loch ein körperlicher Schatten ist,

Ein Nichts, das durch die Grenze nur gemessen,

Im Lichte ganz und gar vielleicht vergessen,

Auch heist's das neugefundne Paradies,

Weil man vom Schauspielhaus so viel verhieß,

Doch Rom ward nicht in einem Tag erbaut,

Und dieser Tag hat dieses Haus gebaut,

Und diese Dekorazion mit Tusch gemalt,

Die jetzt auf meinen Wink zu euch hinstrahlt.

Seht hier das Kaiserschloß, den hohen Thron,

Die Regierungsmaschine steht nicht weit davon,

Auf diesem Thurm, da wohnt die Kaiserin

In jungfräulichem, sehr betrübtem Sinn,

An einen Ritter denket sie im Stillen,

Dem sie entrissen ward durch Vaters Willen,

Die See ist offen und ein Schiff kommt bald.

Da hinten ist der grün belaubte Wald,

Doch höre ich da unten ein Gemunkel,

Die Farbe dieses Walds sey etwas dunkel:

Sprecht nicht von Farben mir, dem armen Blinden,

Verlangt nicht mehr, als was ihr könnet finden.[9]


Quelle:
Achim von Arnim: Das Loch. Berlin 1968, S. 7-10.
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