Dreizehnter Auftritt.

[57] OLYMPIE. Zuweilen mein ich, Doris sei Mann, ich kann mich nicht vor ihr entkleiden, blickt so frech, ich fühl mich so beschämt, es ist mir lieb, daß ihre Zeit bald um und daß sie selber mir hat aufgesagt, es wird mir gar zu schwer, wenn den Mädchen muß den Abschied geben ich beschämter dann als sie. – Wie lieblich reget die Musik mir Herz und Pulse an, es war gewiß Cardenio, ich gehört, der tiefe ernste Ton der Stimme hat mir sein Bild in einem dunklen Spiegel dargestellt, der Umriß ähnlich, aber finster farbelos, als ständ ein[57] großes Unglück drauf gezeichnet, das dieses Waldhorn jetzt so rührend klagt. – Gern möchte ich ihm etwas schenken für die Freude und die Schmerzen, die er mir in das Herz gesungen. – Da fällt mir eine Locke unbequem ins rechte Auge, daß es in Thränen sich ergießt, – ein rascher Schnitt und sie gehört nicht mehr zu mir, – fort aus dem Fenster flieg hinaus, und will das Glück dir und auch ihm recht wohl, so führ der Abendwind dich schnell in seine Hand. – Fort ist sie, wars auch recht, was ich gethan? Ich schäme mich, ich werd ganz roth, ich will im Bette mich verstecken, das steht ganz sicher nicht in der Nachfolge unsres Herrn. – Was find ich hier auf meinem Bett, es ist doch unbescheiden von der Doris, daß sie aus Langeweile sich darauf gesetzt; doch freilich, das arme Mädchen hat gar lange warten müssen, bei der Musik ist mir die Zeit so schnell vergangen, das Dienen ist ein hartes Leben, macht gegen feineren Genuß so stumpf, ihr schallte doch Musik so gut wie mir. – Und jetzt erschreckt mich dieser Eindruck auf dem Bette. – Warum? – Nun fällt mirs ein, es ist ein altes Geistermährchen das ich in einem Kinderbuch gelesen, von einer Mutter, die im Wochenbett gestorben und dann als Geist bei ihrem Kinde nächtlich wachend saß, als seine Amme sorglos es verlassen hatte, am andern Morgen sah die Amme noch den Eindruck, wo sie gesessen, das[58] Kind war satt und froh. – Ich muß das Buch noch haben, es war voll wunderbarlicher Geschichten es liegt wohl in dem Schranke. Sie geht zum Schranke, Lysander springt hinaus, löscht mit seiner Hand das Licht und küßt sie.

OLYMPIE. Cardenio, das ist Verrath, zu Hülfe, Hülfe.

LYSANDER. Cardenio.


Er springt durch die Seitenthüre fort, Olympie sinkt in Ohnmacht.

Vor der Thüre ein Rufen von Cardenio, Pamphilio und Musikanten: – Brecht ein, rasch, drein! – Die Thür wird erbrochen, viel Rufen erschallt im Hause, wobei Olympie in der Ohnmacht liegen bleibt.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 57-59.
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