Neunter Auftritt.

[42] OLYMPIE.

Unsre Nachbaute schließen

Schon die kleine Fenster zu,

Wünschen eine gute Ruh,

Mit zur guten Nacht begrüßen;

Viele fromme Kinder singen

Müde ihren Abendsang,

Ach wie ist mein Herz so bang,

Nacht will mir nicht Ruhe bringen.


Cardenio und Pamphilio kommen mit Musikanten und Masken.


ERSTER MUSIKANT. Ja Herrchen, es ist so duster mir vor meinen Augen, was wird mir das bedeuten.[42]

PAMPHILIO. Daß du nun um so heller singen kannst, wie Nachtigallen, die geblendet sind.

ERSTER MUSIKANT. Je Herchen, ich kann den Steg nicht finden über diese Gosse.

PAMPHILIO. Find nur den Steg auf deiner Violine so ist mirs einerlei, wo du dich bettest, ich will euch überdies nie Heimchen hier verstecken, daß alle Leute die Augen nach euch aussehen mögen, woher wohl das Gesinge und Gedudle komme. – Du stehst tiefsinnig da Cardenio vor deiner Liebsten, als wärs dein Stehpult, ja sag, verwundert es dich nie daß jener strahlenhelle Phöbus, der eben seine Rosse hin zur Schwemme reitet, die schönsten Gaben seiner Töne solchem lausigen Volk verleiht, wie unsre Musikanten sind, ich glaube er gehört zum Bürger-Rettungs-Institut und macht aus seiner Huld Almosen für die Armen. He Bruder, du hörst kein Wort.

CARDENIO. Laß mich, ich weiß es nicht, was hier das Beste sei, doch du verstehst am besten, so etwas anzuordnen und dazu hab ich dich, nimm alle die Gedanken jetzt zusammen. Wahrhaftig mir vergehen die Gedanken, ein tiefer Ernst durchdringet mich bei dieser Himmelskonjunktur, die Sonne noch nicht unter, der Mond noch nicht herauf und jene beide Strahlen des Springbrunnens, der wie aus meinem Herzen steigt, erscheinen mir gleich Schwanenhälsen die Luna froh auf dem bestrahlten Wasserspiegel zu[43] mir ziehen. Auch sie soll Liebchen sehen, ich sehe Liebchen schon in ihrem Schein. Ich wollte etwas singen und ich zittre, als würd ich selbst zur Zitter, die lebend ihrer Hand gehorcht.

PAMPHILIO. Schäm dich der Furcht, du Simson, noch schläfst du nicht in ihrem Schooße, denn deine Locken fliegen noch so frei im Abendwind und kitzelten mich eben in der Nase, könnt ich nur singen, so wie du, ich wollte alles abgelebte Echo in den Straßenecken ausfordern, daß die Hähne drüber krähten.

CARDENIO erst leise, dann lauter.

Hinunter, hinunter

Du rollende Sonne,

Nun werd ich erst munter,

Nun steige du Sonne

Des Herzens im Thale,

Mein Liebchen bestrahle.


Mein Flehn ist erfüllet,

In weißen Gewändern

Mit goldenen Rändern

Kömmt Luna verhüllet,

Die Sternelein spießen,

Die Göttin zu grüßen.


Wie blinken die Wellen,

Wie glänzen die Gassen,

Die alten Gesellen,

Die Sterne erblassen,

Denn Luna nur blicket

Auf Liebchen entzücket.[44]

OLYMPIE wird aufmerksam.

Die Studenten singend ziehen,

Kühle Luft vorüber streicht,

Daß der Mond davon erbleicht,

Meine Wangen müssen glühen,

Weil ich eine Stimme höre,

Die ich einmal nur gehört,

Und mein töricht Herz mich lehrt,

Da sie singe mir zur Ehre.

CARDENIO zu den Musikanten heimlich. Nun frisch ihr Herren Musiker, thut jetzt das Beste, so etwas düster Lockendes, daß man dabei verhimmeln möchte, ein Waldhorn erst, das in sich selber wiederhallt, dazwischen rasch ein lust'ger Harfenschlag, daß sich ein Jeder aufrafft, als seis verrathen, was er meine.

PAMPHILIO. Ich hoff du sollst zufrieden sein, wie ich es angegeben, es spielet alles mit, der Mond der Himmel und der Brunnen vor dem Hause.


Olympie spricht oben, doch ohne daß sie es unten hören können.


OLYMPIE.

Stille Nacht, trink dein Vergnügen,

Trink das Licht in vollen tiefen Zügen.

Ist die goldne Schaale ausgetrunken,

Scheibenglanz ins Dunkel eingesunken.

Haben alle Blumen sich geschlossen,

Alle Kräuter ihren Thau genossen,

Andre Vögel nur nach Schlaf verlangen,

Nachtigallen ihren Sang anfangen.


Die Musik, welche das Maskenspiel einleiten soll, beginnt.


OLYMPIE.

Ach wie viel hab ich mir selbst verschwiegen,

In den Tönen seh ich alles offen liegen.[45]

Was die Sonne zu dem Fluß getrieben

Ist in meinen Adern heiß geblieben,

Was sie in den goldnen Strom versenket,

Mich zu diesen süßen Tönen lenket,

Fühle alle Sinne drin erfrischet,

Meine Stimme sich mit ihnen mischet.


Flötensolo.


OLYMPIE.

Schweige, sagt der Bäume fern Erregen,

Auf den Mund will den Finger legen,

Und nun hör ich nur ein fernes Herze schlagen,

Hör den fernen silbern Mondenwagen

Und ich lese in den letzten Sternenzügen:

Stille Nacht, trink dein Vergnügen.


Die Musik schweigt.


CARDENIO. Recht brav, ihr Musiker, ihr habt so recht mein Herz entflammt, ich wünsche Händel und ich träum sie schon, jetzt schnell das Maskenspiel.


Maskenspiel vor dem Altane.


DIE JUNGFRAU in ländlicher Tracht geht zum Brunnen.

Kommt der Mond zum Quell gegangen,

Badet seine weiße Brust,

Zu ihm hin die Arme langen,

Und ich wasche sie mit Lust;

Wasche meine heißen Wangen,

Kühle ab mein junges Blut,

Schwere Arbeit ist vergangen,

Wie er mir so schöne thut.

In den Wiesen ist ein Klingen,

Ists des Mondes Sichelklang,

Vor ihm her viel Lichter springen,

Leuchten bei der Ernte Drang.[46]

DIE FRAU in ländlicher Tracht mit einer Spindel.

Wenn der Mond ist aufgegangen

In der Hand die Arbeit ruht,

Ist im Finstern dann ein Bangen,

Thut ein Gang ins Freie gut;

Meine Schwester seh ich träumend

An des Brunnens weißem Rand,

Und der Brunnen springet schäumend,

Winket weit mit weißer Hand,

Wie ein Geist, so möcht michs schrecken,

Glaubte ich an Geisterschein,

Will doch meine Schwester necken,

Denn sie sitzt so ganz allein.


Sie umfaßt die Jungfrau.


JUNGFRAU.

Ach wie ist mir doch geschehen,

Wie umfaßt mich frech fein Arm,

Lindor, dich will ich nicht sehen,

Mich umzieht es kalt und warm.

FRAU.

Ich bins Schwester, welches Bangen

Vor dem Amor, vor dem Dieb,

Leicht ist mir die Zeit vergangen,

Amors Zeit war mir so lieb,

War auch Jungfrau, bin nun Fraue,

Und der Mond mich noch berückt,

Wenn ich jetzt mit Sorge schaue,

Ob kein Licht im Hause blickt.

Daß die Glocke zehn geschlagen,

Sagt der Wächter nur dem Herrn,

Mir die Nachtigallen schlagen,

Mag zu Bette noch nicht gern.

JUNGFRAU.

Wie der Mond im Brunnen spielet!

Ei wie kommt er da hinein?[47]

FRAU.

So die Lieb zum Herzen zielet,

Und so strahlt sie frei herein.

Kühler Trank, du scheinest Feuer,

Also scheint die Liebe auch

Und mein Busen athmet freier,

Seit ich kenne ihren Brauch.

JUNGFRAU.

Ist die Liebe wie die Quelle?

Immer ist ihr Strom so voll,

Und zerfließet doch so schelle,

Und ihr Rauschen weit erscholl.

BEIDE.

Labung ist sie allen Sinnen,

Tropfen fallen mir vom Kinn,

Tausend neue Tropfen rinnen,

Und besinnen sich darin.

FRAU.

Siehe, Lindor dort erscheinet,

Ringt die Hände überm Haupt,

Ach der arme Knabe weinet,

Und der Wald ist grün belaubt.

LINDOR.

Hinter meiner Sense bindend,

Hast du wohl auf mich gesehn,

Nach der Arbeit schnell verschwindend,

Läßt du mich alleine gehn;

Sind das wohl die guten Sitten,

Die du in der Stadt gelernt,

Hörtest du auf andrer Bitten,

Hast du dich von mir entfernt!

JUNGFRAU.

Lerne du nur gute Sitten,

Bleib nicht bei der alten Art,

Lerne erstlich höflich bitten,

Und dann bin ich auch nicht hart.

LINDOR.

Weil ich dich so gern umgebe,

Scheidet mich dein hartes Herz![48]

FRAU.

Ei sie will sich nichts vergeben,

Darum scheint sie bös Scherz.

JUNGFRAU.

Könntest du dich mir ergeben,

Ach ich habe auch ein Herz.

LINDOR.

Sag, wie soll ich mich ergeben,

Da ich lang dir eigen bin.

FRAU.

Ei du sollst den Kuß ihr geben,

Denn das will der Eigensinn.

JUNGFRAU.

Ach so war es nicht gemeint!

FRAU.

Doch nun ist es schon geschehen.

LINDOR.

Ach warum hab ich geweint?

FRAU.

Daß du nun kannst klarer sehen.

JUNGFRAU.

Ach was hör ich, welches Klingen,

Welchen Klang in meinem Ohr?

LINDOR.

Meine Lieder zu dir dringen,

Da gesprenget ist das Thor.

Hörst du nun den Lenz erklingen,

Da du ruhst am Busen mir,

Und mein Herz will mir zerspringen,

Da es fühlt ein Herz in dir.

Siehst du nicht die Blitze dringen

Aug in Auge hin zu dir,

Meine Arme sich beschwingen

Und ich schwebe über dir.

JUNGFRAU.

Süß Erkennen erster Liebe,

Abschied von der weiten Welt,

Aus dem Felsen schlägt sie trübe

Einen Funken, der erhellt.

LINDOR.

Luna kann nun immer scheiden,

Sterne nehmt mein Lebewohl,[49]

Alle Trauer will ich meiden,

Denn die Freude thut mir wohl.

JUNGFRAU.

Süße Schwermuth, dich zu leiden,

Thut in Freuden mir so wohl,

Alle Menschen will ich meiden,

Denn du bist mein Weh und Wohl.

BEIDE.

Süß Erkennen schließt die Wunde,

Alles mir so wohl gefällt,

Und ich fühl an deinem Munde

Aufgang, Untergang der Welt.

FRAU.

Seht, das ist der Lohn der Zarten,

Dieser süßen Thränen Glanz,

Seht die Myrthen in dem Garten,

Winden sich im Thau zum Kranz.


Sie bekränzt die Jungfrau mit einem Myrthenkranz und giebt ihr einen Strauß von Rosen.


Und die Rose lehrt euch beiden,

Ihre Dornen fühltet ihr,

Doch in Dörfern, wie in Städten

Bleibt sie stets die höchste Zier.

Heute sind es sieben Jahre,

Daß ich ruht in gleichem Glück,

Und die Flügel neuer Jahre

Decken nicht dies erste Glück!


Olympie verneigt sich und geht schweigend ins Haus.


ZUSCHAUER die sich allmählig eingefunden haben. Der Spaß ist aus, ich wollt, er wär noch einmal so lang gewesen. Zweiter. Mir ist mein Lebtag kein solch Vivat vorgekommen. Dritter. War es denn die kleine Ach-Herr-je, die gesungen hat mit ihrer kleinen Schwester, der Bursche war Lungenfeld. Vierter. Mir[50] ists dabei im Magen kalt geworden, ich geh zu Dost, er ist noch stets mein Trost. Fünfter. Gut Nacht, ich will noch Veilchen pflücken. Die Zuschauer ab.

CARDENIO. Sie hat gedankt, sie hat es angenommen.

PAMPHILIO. Ich hab es selbst gesehn, sie neigte sich.

CARDENIO. Pamphilio, ich muß dich küssen und doch beneid ich dich um die Erfindung, was wußte sie von mir dabei, ach dir gehört der Gruß, der Dank, bei Gott ich bring dich um, wenn du's ihr je verräthst. Jetzt ist sie sicher schon in ihrem Zimmer, jetzt kleidet sie sich aus, ach immer schöner, schöner. Wie wag ich doch, so was zu denken, verzeih mir Geist der reinen Liebe, nein trag ihn nicht in ihren Traum hinüber, den frevelhaften Blüthenstaub. Schlaf ruhig ein Olympie.

Wie Mimosa schließt die Blätter,

Also schließ die Augenlieder,

Morgen weckt ein keusches Wetter

Deine hellen Augen wieder,

Und du öffnest dann die Laden

Und es steigt so schöne Luft,

Alle Blumen sind geladen,

Und sie opfern ihren Duft.


PAMPHILIO. Ihr Musikanten jetzt ganz leise eine Nachtmusik, bis das Nachtlicht in dem Zimmer löschet.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 42-51.
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