Zweiter Auftritt.

[72] VIREN tritt müde ein; geht an den Bücherschrank und nimmt ein Buch nach dem andern heraus. Verliebte sind dem Kranken gleich, sie haben einen Appetit nach etwas und sie wissen doch nicht, was es sei, nach allem greifen sie, und wenn sies haben, stoßen sies mit Widerwillen von sich weg. Dies civilistische Werk von dem Besitz ist sonst mein liebstes Buch, ich setze mich zum Sitzen nieder und besitze diesen Stuhl; die Augen fallen zu, das Buch fällt an die Erde, ich möchte schlafen und sinke aus dem Rechte des Besitzers[72] zum größern des Beschlafens. – Celinde, der eine Name weckt mich auf und geht mir ein, so wie ein frischer Trunk. – Wenn ich nur endlich noch ergründen könnte, wem zu Liebe sie mich so schnöde abweist. – Und hier im Hause mit einem Herzen voll von Thorheit, muß ich den weisen vorsichtigen Bruder spielen, ich glaubs mir selbst am Ende, daß ichs bin, der Weisheit Maske ist mir so beschwerlich fast wie jenem Königssohn die eiserne, die er so viele Jahre tragen mußte, damit man ihn nicht an der Ähnlichkeit erkenne, in diesem Augenblick mag ich der Thorheit ziemlich ähnlich sehen, ein tausend weise Bücher rings umher und in dem Kopf ein Mädchen das die andern um des bösen Rufes willen meiden. – Mit den Juristen geht es heute nicht, sie sind so schlüpfrig, daß ich sie nicht fassen kann, ich will mich jetzt zu den Poeten wenden – ach die unglücklichste Poetin ist die Liebe, die sich nicht sagen darf, die Niemand soll verstehen, und deren man sich schämt und die man doch nicht lassen kann. Mir ist so nüchtern noch zu Muthe, doch taumle ich von alle dem Unwesen in mir wie ein trunkner Schwärmer.

Doris geht durch das Zimmer. He Doris, sag, was macht dein Fräulein?

DORIS. Sie scheinet heute sehr betrübt, sie hat nur wenig schlafen können.

VIREN. Das thut mir leid, ich möcht nur wissen,[73] wo der Dieb ist hingekommen, und er sich hat eingeschlichen.

DORIS. Ja wüßten wir nur das, wir hätten ihn schon lange.

VIREN. Wohl wahr. Du bist nicht dumm. Ich glaub, du schminkst dich Mädchen daß ich das ja nicht von dir höre.

DORIS. Ei Gott bewahre, gnäd'ger Herr, was denken Sie von mir.

VIREN. Hast du denn keinen Schatz? Giebt ihr einen kleinen Schlag.

DORIS. Au weh, dazu bin ich noch viel zu jung. Ab.

VIREN. Nein im Hause muß man sich vor jeder Liebschaft hüten, das nimmt gleich den Respekt. – Ich höre meiner Schwester Tritt, ich muß mich doch in Ordnung setzen, beinah hätt ich das Buch verkehrt mir vorgelegt.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 72-74.
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