Achter Auftritt.

[213] Ein Kirchhof, im Hintergrunde eine Kirche. Cardenio führt Olympiens Gestalt.


CARDENIO. Ich glaube dich zu führen mein Trost, mein Heil, du aber führest mich in unbekanntes rauhes Land, mit jedem Schritte fürcht ich, du möchtest fallen über diese Hügel, diese Steine, die eine Grenze zu bezeichnen scheinen von streitgen Herren. Ruh aus auf diesem Felsenstücke, du sprichst schon lang kein Wort und die Besorgniß quälet mich, ob dich die Reue über den gewagten Schritt schon quäle. Gedenk es ist der letzte Schritt, den wir zu wandeln haben auf dem bösen Wege, dann zeichnet neues Glück uns neue Wege, und was uns auch begegnen mag, wir sind beisammen. Du schweigst noch immer, senkst dein Haupt zur Erde als wenn du ihr schon angehörtest, o wiederhole mir noch einmal jenes Wort wie du mich stets geliebt, wie dir Lysander ist so schmerzlich aufgezwungen, wie du dich mir nun ganz zu eigen giebst; ich habe wohl geglaubt so müßt es sein, doch nun es wahr ist fang ich an zu zweifeln. Zeig mir dein Antlitz daß ich Wahrheit les' in deinen Augen.[213]

DIE GESTALT. Wir müssen erst ein nahes Haus erreichen, das mir Sicherheit gewährt.

CARDENIO. Könnt ich dir Sicherheit gewähren in meiner Brust, ein ewig festes Heiligthum, doch seit ich mich Celinden hingegeben aus Verzweiflung, da ist dies Heiligthum entweiht.

DIE GESTALT. Ein gleiches könntest du vielleicht die nächste Nacht Celinden sagen.

CARDENIO. Bei Gott, ich hab sie nie geliebt, um welchen Preis sollt ich der Lüge mich ergeben.

DIE GESTALT. Kannst du mir schwören daß du der heimlichen Vertraulichkeit zu ihr entsagen willst?

CARDENIO. Was nenn ich Heiliges um fest zu schwören, ich schwör bei dir Olympie, bei dem Duft der geisterhaften Nachtviolen die uns in diesem wilden Lande rings umsprossen, ich schwör bei diesen leichten Lichtern die uns fabelhaft umkreisen, bei diesen weißen Vögeln schwör ichs, deren Fittig mein Haupt umweht und die zur Heimath sich erheben und finden in der Nacht den Weg.

DIE GESTALT. Ich nehme deinen Schwur, die Tiefen hören ihn, die Sterne leuchten dich erinnernd an.

CARDENIO. So ist aller Zweifel nun gebannt! – So komm du holdes Weib – komm aus diesem rauhen Lande zu frohen Blumengärten, die am Rand der Saale dem rauschenden Strome lauschen, wo sanftes Grün mit Thau den Busen netzt, wo reife Frucht[214] sich in die Hand dir drängt, wo dichte Lauben dich vor dem Sturm bergen der vom Wolkenrande so grollend mit seinem kalten Athem auf uns bläst. – Komm – erhebe dich von deinem harten Sitze mit dem du zu versteinern scheinst; – hier drückt ein unnennbar Wehen meine Freude nieder, dort will ich mit schönerem Schwur dir bekräftigen wie ich dich liebe. – wie ich dich ewig lieben will! –

DIE GESTALT. Dies rauhe Land, wie du es nennst, scheint mir ein Frühlingsgarten, weh dir daß du nicht den neuen Frühling kannst erkennen und begrüßen, der Garten ist mir lieb wie keiner sonst auf Erden, nur nächtge Blumen schmücken ihn.

CARDENIO. Die sind der Liebe Zeichen.

DIE GESTALT. Ich liebe dieser rauhen Steine Lager, die aus der Erde Innern kühn gerissen, bezeichnen was sie uns verschließt. Hier laß mich ruhn.

CARDENIO. Und mich bei dir. Indem er sie umfassen will, verdoppelt sie sich, er tritt zurück. Wie ist das, sehe ich zwei Gestalten? verwirrt die Liebe mein Gehirn?

DIE GESTALT einfach. Süßer Freund! – du schreckst vor mir? – hat dir der Mond, der zweifelnd an der Erde Rand noch weilet, ob er sein züchtig Auge auf uns werfen kann, ein Trugbild dargestellt?

CARDENIO. Er weilt, ein guter Freund der unser Glück bewacht in ganz bescheidner Ferne. Doch[215] sieh zu lang vielleicht ist mein Gemüth in Noth verwildert, die Freude die so unerwartet es erfüllt, die Luft die uns umschauert, erhitzen die Phantasei. – Laß einen heißen laugen Kuß mir sagen, dies Glück sei kein falscher Fiebertraum.


Der Mond ist aufgegangen, die Gestalt verdoppelt sich wieder, indem er nach ihr faßt und er steht zwischen dem Tode, der mit einem Pfeile nach ihm zielt und der Mutter der Olympie, die ihm droht.


CARDENIO. Ha! – ha die Gluth wird Eis, – wie hat die Hölle mich betrogen, sie ist nicht mein! sie ist es nicht. Wer wagt noch mir zu drohen? Du alter Tod, – jedem Erdensohne gewiß, dein Pfeil ist stumpf! Der Tod verschwindet.

Dich fürchte ich erhabene Gestalt, wunderbar ähnlich Olympien, in graunvoller Ehrfurcht fühl ich mich gebannt, ein Schatten zu den Schatten, wie der Mond zur Erde, dein Fleisch ist aber Licht und meins ist böse Lust. – Du schweigst, dein Blick hält mich fern von dir; gieb mir, da du mir alles nimmst in diesem Leben, da du die Ruh aus meiner Seele mir raubst über jenes Leben nach dem Tode, gieb mir, da noch so vieles lebt was ungeahnet hier verschwunden, gieb mir ein einzig Zeichen daß dies kein irrer Wahn, der meinen Muth bestritten.


Die Gestalt wirft ihm einen Ring zu und wandelt nach der Kirche, wohin sie ihm winkt, Cardenio erhebt den Ring und folgt ihr.[216]


CARDENIO. Nicht allzunahe – doch ich folg dir – folg dir aus der Welt. Beide ab in die Kirche.


Tyche führt Celinden, Cleon kommt von der andern Seite.


TYCHE. Was ist die Glocke?

CLEON. Es ist jetzt seine Zeit, drum still.

CELINDE. Geh langsam liebe Mutter.

TYCHE. Still Kind.


Alle in die Kirche.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 213-217.
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