Der Harem des Pascha von Jerusalem.

[346] Ein türkisches Familengemälde.

Der Bassa am Schreibtische, seine Frauen um ihn her, Verschnittene bestellen mancherlei Papiere an ihn.


BASSA. Wenn es nicht so viel einbrächte mit denen Pässen der Christen, ich jagte sie heute noch zur Stadt hinaus, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht und nun ist gar der englische Admiral angekommen, der Akre gerettet hat. Hört, dabei hätte ich sein mögen. – Cavallerie marsch, marsch, marsch.

FAVORITE. Nu nu Papachen nicht so hitzig, wenn Sie nun vom Pferde gefallen wären wie neulich?

FATME. Hör Papa, du mußt lächerlich aussehen mit einem großen Degen in der Hand, kratze du dir denn auch dabei den Kopf?

BASSA. Dummes Ding, du glaubst nicht wie ich sonst zu Pferde saß, so fest wie du mich küssest. Sieh Wetterhexe, da hast du mir meine Pfeife wieder umgestoßen, könnt ihr denn nicht einmal stille sitzen.

FAVORITE. Sitzt still ihr Mädchen oder ich gebe euch selber Schläge.[346]

FATME. Schlagen darf sie mich nicht, das leidest du nicht Papachen, nicht wahr?

BASSA. Wenn sie dich schlägt, ich will dir schon zu Hülfe kommen, du bist ein folgsam Kind, läßt dich mit guten Worten um den Finger wickeln, wenn andre nur so wären.

FAVORITE. Mein gnädiger Herr, Sie treiben Ihr Wesen jetzt allzu offen; bedenken Sie wohl daß ich des Sultans Nichte bin und wenn ich nur ein Wort darüber verliere, so könnten gewisse Leute, die allerlei Profit gemacht haben mit den Christen, eine seidne Schnur bekommen daß ihnen der Taback nicht mehr schmeckte.

BASSA. Immer wie Schießpulver fährt sie heraus, was thu ich ihr denn dumme Gans, ich sitze in den Akten bis über die Ohren und weiß selbst nicht was ich spreche, ich antwortete euch blos, sonst seid ihr auch nicht zufrieden.

FAVORITE weint. Ach hätte ich das je gedacht, als ich in hoher Pracht erzogen, als noch mit Rosenwasser meine Windeln ausgewaschen wurden, meine Haare mit Rosenöl balsamirt wurden, als mein Spieltisch eine große Bisampaste war, als jedes Schnupftuch mit Dukatengold gestickt war und jedes Hemde mit Rosen bemalt, als ich bei hohen Festen mit fünfzig Shwals so schwer einhergegangen, – wer hätte je gedacht daß ich so einem rohen miserablen Menschen[347] sollte zugetheilet werden. Unselges Loos der Fürstenkinder!

BASSA. Beim Alla, was thu ich dir denn, bin ich dir je untreu gewesen, hast du nicht alle Tage deinen Kaffee vors Bett ...

FAVORITE. Ja wärst du mir noch untreu, ich drehte dirs Genick gleich um, ja daß du es nur sagen kannst, dafür muß ich dich mit der Nadel zeichnen.


Sie reißt ihm eine Schmarre übers Gesicht.


BASSA. Du Wütherich, das ist kein Spaß, ich kann hier meinen Namen nicht in Ruhe schreiben, he, Achmet leg mir Pflaster aufs Gesicht – ists erst vernarbt, da scheint es aller Welt ein Säbelhieb.

ACHMET leise. Die schöne Frau, die mit dem Admirale eingeritten, sie heißt Olympie und wohnt im Nonnenkloster, es wäre leicht sie dort zu rauben.

BASSA. Still, still, ich komme gleich heraus, laß dir nichts merken. Laut. Ich dachte hier ein Stündchen ruhig meine Morgenpfeife auszurauchen, so gut wird mirs nicht, ich kann hier meinen Namen nicht ordentlich unterschreiben.


Ab mit den Verschnittenen.


FAVORITE. Gottlob den alten Narren sind wir wieder los, er klebte wie Pech, ich mußte Gewalt brauchen.

ROXANE. Ein kluges Weib ist doch der höchste Schatz, wie ist uns mancher Scherz vergönnt in deinen[348] Schutz, jetzt wollen wir ein artig Spielchen machen, oder wenn es dir gefällt so hol ich deinen Sohn.

FAVORITE. Ach laß den Krüppel bei den Sklaven, er wird dem Vater gar zu ähnlich, wie viele schöne Kinder würden um uns leben, wenn wir in Freiheit wären.

FATME. Das werde ich dem Bassa wieder sagen, der wird sich wundern über deine Liebe.

ALLE. Sie will uns angeben, schlagt sie todt.


Sie schlagen Fatmen.


FATME. Herr Bassa, liebster Herr Bassa, aller liebster Herr Bassa, zu Hülfe, sie schlagen mich todt.

BASSA kommt. Was für Spektakel ist da wieder, kann meine Akten nirgends schreiben.

FATME heult. Väterchen steh deiner Toter bei; sie schlagen mich todt, weil ich ...

ALLE. Sie hat dich gelästert, sie hat dich einen schwachen Mann genannt, sie hat uns gelästert, wir leidens nicht.

BASSA. Nun sieh du dummes Ding, um deine Narrenpossen soll ich mir heut den ganzen Tag versäumen, soll ich dir alles hingehen lassen. Ich wills dich lehren, Er kneipt ihr in die Backen. sieh, da hast du eins, ich kann auch strafen. Nun will sie künftig artig sein?

FATME. Ich habe aber nichts gethan?

BASSA. Sie will noch reden, nun wahrhaftig,[349] da lauf ich gleich davon, ich hab heut mehr zu thun. Ab.

FAVORITE. Es wird was Rechtes sein, was er zu thun hat, gleich läßt er alle Straßen sperren mit Ketten, wenn er den Sultan nur ein paarmal recht betrügen will. Hör Fatme, du kannst nichts gegen unser Lärmen, dein Schmeicheln ist verloren.

FATME. So ists mir auch einerlei, wie es hier geht. Er ist kein Mann der Bassa, glaube ich, so elend mich hier zu verlassen, nachdem er mir so oft gesagt, ich sollte hier auf Ordnung halten; ach könnt ich nur heraus ins Freie, einmal nur.

FAVORITE. Und darum füge dich zu uns und diene frei; viel Hunde sind der Hasen Tod, der Sultan mag sich noch so listig stellen, wir wissen doch zu weilen Rath zu schaffen; so mancher Pilger, der zum heilgen Grabe zog, hat erst bei uns das Leben kennen lernen.

FATME. Ich muß mich schon in deinen Willen fügen, so halt ichs länger doch nicht aus.

FAVORITE. Du mußt durch Dienste deinen Willen zeigen, heut geb ich dir die Wache an dem hohen Fenster mit dem Spiegel, all was vorüberzieht mit Klugheit zu betrachten. Zieht eure Schuhe aus ihr Frauen, du Fatme nimm sie mit und zieht ein Mann vorüber, der dir recht gefällt, so wirf den Schuh herunter,[350] er wird ihn nehmen und dem Pförtner bringen, der weiß dann schon was unsre Glocke schlägt.

FATME. Gebt her die Schuhe, doch mein' ich nicht, daß einer jener Christen mir gefallen könne, die Mutter hat sie mir so häßlich stets beschrieben. Ab.

ROXANE. Was gilt die Wette, sie glaubt an ihre Mutter bald nicht mehr.

FAVORITE. Ich meine sicher, heute wirds hier lustig werden, ich möchte etwas spielen, doch nichts, wobei man stille sitzt. Zeigt her, wer hat den kleinsten Fuß, zeigt erst den rechten, dann den linken, – ihr fallt, wir wollen uns auf weichem Boden rollen. Jetzt laßt uns tanzen, ihr zweie müßt die tiefgedämpften Trommeln schlagen, ich will den Bassa spielen, wenn er das Schnupftuch wirft.


Es beginnt ein zierlicher pantomimischer Tanz, in welchen sich jedes Mädchen durch zärtliche Bewegung vor der Favorite auszuzeichnen sucht, sie wählt aber Roxane, die am zudringlichsten sich darstellt, alle lachen; einige Verschnittene, die ins Zimmer getreten, schütteln mit dem Kopfe.


FATME läuft eilig herbei. Mehr Schuhe, mehr Schuhe, ich habe meine beiden auch weggeworfen.

ROXANE. Wie bist du erhitzt. Sachte, sachte.

FATME. Mehr Schuhe, es sind noch über funfzig draußen, lauter Propheten von Alla gesandt, dreißig sind schon im Hause – seht da kommen sie.


Sidney, Viren, Bromly und viele Engländer treten ein.[351]


SIDNEY. Gebt Achtung, ob Olympie hier irgendwo verschlossen, ganz unbegreiflich ists, wer sie geraubt, – sie wars gewiß, die uns die Zeichen mit den Schuhen gab. Für sich. Erst jetzt fühl ich so ganz wie ich sie liebe, da ich sie in verruchten Armen glaube.

VIREN. Seht da viel schöne Frauen wunderlich erschrocken in den Winkel eng zusammengedrängt.

SIDNEY. Wer gab dies Zeichen uns, wars nur ein Zufall, daß der zierlich kleine Schuh mir in die Hand gefallen.

FATME. Ich wars, ich wars, ich warf sie von dem Thurm herab, um euch hinauf zu locken, ich habe euch zuerst gesehen, doch weiß ich auch, wen ich von euch vor allen anderen erwählen möchte.

FAVORITE. Das kommt dir gar nicht zu, was übrig bleibt ist dein. Sie ist nur meine Dienerin. Ihr seid hier alle mein ihr Christen, wie Vögel eingefangen sitzet ihr auf Leben und auf Tod, ein Ruf von mir so seid ihr niedergehauen von unserer Wache, so seid denn folgsam, lieben Vögel, ihr sollt hier bessres Futter als in der Freiheit finden, ihr seid in meinem Schutz.

ROXANE. Jetzt sind wir alle gleich, sie hat nichts mehr zu sagen als wir alle, wenns gegen die Befehle unsres Bassa geht. Ich wähl mir diesen hier. Zu Sidney.[352]

FAVORITE. Den laß ich mir gewiß nicht nehmen, der ist mein Augapfel.

FATME. Nein er ist mein.


Die Favorite schlägt auf beide, alle fallen über sie her, großes Getümmel, wobei der Bassa mit Olympien eintritt.


BASSA. Alla, Alla wende weg die Augen, welche Schande seh ich hier, fremde Männer bei de Weibern, sagt wer ließ euch hier herein?

OLYMPIE. Sidney, Rettung, Rettung.

SIDNEY. Ich sterbe hier, wenn ich euch nicht befreie. Bassa, diese edle Frau ist gewaltsam uns entrissen und gewaltsam nehm ich sie zurück.


Er entreißt Olympien dem Bassa.


FAVORITE. Recht ihr edlen weisen Christen, nehmt uns alle diesem Manne, den wir hassen und verachten, hängt ihn auf an seinem Barte.

BASSA. Welche Kühnheit, sprecht wer seid ihr?

SIDNEY. Ich bin Sidney, eures Kaisers Freund, der bei Akre hat gesieget, ich bin Sidney, wollte euch begrüßen und verfehlte nur die Thüre. – Mädchen zauset nicht den Alten so gewaltig, daß er mit mir reden kann. Sagt, wer gab euch Recht uns diese Frau zu rauben?

BASSA. Ach es war so heiße Liebe, laßt das gut sein, sie ist euer, ihr seid Sidney, Blitz der Schlachten, euch gehören meine Weiber alle, wählet nach Gefallen, außen darf es niemand wissen, aber mir ists[353] Seelenwonne, einen Sohn von eurer Art hier zu meiner Ehre erziehen, und er theile all mein Erbe.

FAVORITE. Unsers Herrn Wille mag geschehen, Herr verschmähet mich nur nicht, seht mich hier zu euren Füßen tief erniedrigt, wie das Weibchen des Fasanen, wenn ihr Liebling kommt gelaufen.

OLYMPIE. Welch ein Greuel, nach des Klosters keuschem Frieden, Sidney bringet mich zu meinem Manne, oder zu des Klosters reinem Himmel.

SIDNEY. Bassa nach der Christen Glauben darf ich nicht mit Heiden mich vermischen, nehmet unberühret eure Weiber all zurück, doch ermahnet sie zur Zucht. Nur die Christin nehm ich mit in meinem Schutze, schwört mir daß ihr keinen neuen Plan sie zu rauben, zu verführen wollt in eurer Seele dulden.

BASSA. Nimmermehr, hätt ich gewußt, daß ein Mädchen euch so werth, selber würd ichs euch bewachen, mir sind hundert einerlei.

ALLE WEIBER. Alla strafe diesen Mann.

OLYMPIE. Sidney führt mich eilig fort, wie viel Dank bin ich euch schuldig.

SIDNEY. Daß ich lebe dank ich eurem Manne.[354]


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 346-355.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Halle und Jerusalem
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVI. Halle und Jerusalem. Studentenspiel und Pilgerabenteuer
Halle und Jerusalem: Studentenspiel und Pilgerabentheuer (Jahresgaben Des Verlages)

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die frivole Erzählung schildert die skandalösen Bekenntnisse der Damen am Hofe des gelangweilten Sultans Mangogul, der sie mit seinem Zauberring zur unfreiwilligen Preisgabe ihrer Liebesabenteuer nötigt.

180 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon