Arbogast von Andelon und Elisa von Portugal, Albrecht von Werdenberg und Amisa von Ponazari

[198] Walther von Wolffegk, der Vogt des Herzogs Ulrich von Schwaben, kam heim von einem Kriegszuge, den er im Dienste seines Herren gegen den von Werdenberg geführt hatte. Als er die Stiege seines Hauses schnell hinauf gegangen um seine Schwester, die Frau des von Andelon, Landvogts zu Straßburg, zu begrüßen, da fand er seinen Herrn bei ihr, in unziemlicher Vertraulichkeit. Der Schimpf übernahm ihn so heiß, daß er ihn und seine Schwester[198] erschlug und mit dem Sohne seiner Schwester, er hieß Arbogast, zu dem Grafen von Werdenberg flüchtete, der mit seinem Herzoge lange uneins gewesen war. Der gab ihm ein das Schloß Vaduz. Aber des Herzogs von Schwaben Bruder zog aus, um seinen Bruder zu rächen, mit starkem Volke gegen den Grafen von Werdenberg, der ein alter Mann war. Da kam ein Herzog von Österreich, hieß Leopold, und richtete zwischen beiden und wurde da gesprochen, daß Walther von Wolffegk hundert Meilen vom Schwabenland fort sollte und nimmer dahin zurück. Walther unterwarf sich diesem Urteile gegen den Willen des Grafen von Werdenberg, doch aus Liebe zu ihm und ritt mit seiner Schwester Sohn Arbogast in das Land Portugal. Da fanden sie einen Deutschen, hieß Herr Oswald von Hatstadt, der half ihnen beiden an des Königs Hof, Arbogast war ein Knabe von funfzehn Jahren, den tät man zu dem Frauenzimmer, Walther ward des Königs Truchseß. – Damals entstand ein Unglaube auf der Insel Zang, dem vermeinte der König zu wehren, also zog er auf die Zänger und ward da viel Volks, so auch Herr Walther von Wolffegk erschlagen. Doch gewann der König die Insel und zwang sie zu christlichem Glauben.

Des Königs Volk zog wieder heim, da kam die Pestilenz unter das Volk, und der König, der ein Witwer war, floh mit seinen Kindern auf das Schloß Ampernesto. Er selbst blieb nicht lange, befahl aber den Kindern dort zu bleiben. Sein ältestes Kind, eine Tochter, hieß Elisa. Als nun die jungen Leute allein blieben, fingen sie an zur Kurzweil in einem Garten zu laufen und Elisabeth sprach zu Arbogast: »Wir wollen dich Wellisch lehren, lehr du uns Deutsch.« Er sprach: »Gnädige Frau, gern, könnt ich nur etwas anfahen, das Euer Gnaden gefällig wäre, als ein armer Diener möchte ich etwas verdienen, das mir Eure Gnade geheißen.« – Da sprach die Königin: »Ein jung Mann soll allweg gedenken an die Höhe, denn denkt er unter die Bank, so kommt er nie darauf.« – Da sprach Arbogast: »Wer hoch klimmt, der fällt hart; wer über sich hauet, dem fallen die Späne in die Augen.« – Da sprach Elisa: »Ich mein, du bist in die Schule gegangen, gelehrten Leuten ist gut predigen.« – Da sprach Arbogast: »Ich bin unweise und ein geringer Tor, Gott geb mir Barmherzigkeit und Gnade, daß ich einen Menschen überkomm, der sich über mich erbarm und mein unterwind und mich lehre seinen Willen und zöge mich zu gebührlichen Dingen. Hierum[199] gnädige Frau seid mir gnädig und heißet mich etwas tun zu Euerem Gefallen.« – Da sprach sie: »Du bist ein Kind, man sollte dich mit Ruten streichen, das stünde dir wohl an.« – Da kam der Kammermeister und sprach, er sollte gehn zu dem Dienst. Da ging er und bereitete den Tisch und ging dann zu seinem Vetter und sprach und sagt ihm alle die Reden, die geschehen waren von Elisen und ihm. Da sprach der: »Mein lieber Sohn, geh zu dem Dienst, ich hab dich wohl vernommen, du sollst mir gefällig sein.« – Da sandte der von Hatstadt nach einem Schneider und befahl, ihm und dem Vetter Arbogast grüne Kleider zu machen, übernähet mit rotem Tuche. Als nun die Kleider gemacht waren, da legten sie die an, und ging Arbogast mit der Königin zur Kirche. Da sprach sie: »Von wannen kommt dir das neue Kleid?« Arbogast antwortet: »Mein Vetter hat es mir gegeben.« – Da sprach sie: »Nun ist er doch ein alter Schüler und sollte billig wohl gelernt haben der Kunst.« – Arbogast, der war jung und ward vor Scham rot und wußte nicht, was er zu ihr sprechen sollte. – Da sprach sie: »Hätt ich einen Schüler, ich hieß ihm in den Schatten sitzen um das Antlitz weiß zu behalten; wenn aber ein Schiff über das Meer führe von den Heiden, so müßte er ihnen entgegen gehen und sie mit Ruten streichen.« – Da wußte Arbogast aber nicht, was es sagen sollte, sondern sagte es seinem Vetter. Der sprach aber: »Sie meint, wenn die Heiden herschifften, so sollst du dich mit andern in ein Schiff setzen und wider sie fechten.« – Also kürzlich darnach kam die Mär, wie die Heiden kommen wären das Land zu beschädigen. Da eilte Arbogast mit andern in ein Schiff und hielt sich so ritterlich, daß sie meinten, wäre er nicht gewesen, sie hätten den Heiden unterlegen.

Das Geschrei kam an den Hof und in das Frauenzimmer. Das gefiel Elisen gar wohl und gewann ihn sehr lieb. Und eines Tages sprach sie: »Arbogast hast du deine Mutter noch?« Er sprach: »Nein, gnädige Frau.« – Da sprach sie: »Du sollst ohne Sorge sein, ich will deine Mutter werden und hast du ein Anliegen, so komm zu mir, ich will dir mit ganzen Treuen raten und helfen als meinem eigenen Herzen.« – Das dankte ihr Arbogast so hoch und schwor ihr, daß er das immer in seinem Herzen möchte haben, wollte er an was Liebes gedenken. Also gewannen sie einander sehr lieb.

Darnach über eilf Monat kamen die Heiden mit großer Macht, da machte sich Arbogast auf, eilte mit andern in ein Schiff und[200] focht mit den Heiden. Die Heiden gewannen aber den Sieg, Arbogast ward gefangen und sie führten ihn mit den übrigen hinweg. Aber rhodische Herren kamen, die warfen die Heiden nieder, nahmen ihnen alle, die sie gefangen hätten, und fragten ihn besonders, wer er wäre. Da sprach er: »Ich bin ein Deutscher!« und wollte nicht sagen, wie er hieße, noch von wannen er wäre. Darum führten sie ihn auf ein Schloß, genannt Schönehab, da lag er in einem Zimmer gefangen.

Kaspar Rimolt, auch ein Deutscher, ward damals vom König von Portugal an den Römischen König und an andre Fürsten ausgesendet, und rief die an und bat sie um Hülfe wider die Heiden. Vor allen fand sich Graf Albrecht von Werdenberg dazu bereit, der nach großem Streite mit seinem Bruder Heinrich, Zehrung und Rüstgeld bekommen hatte aus dem Lande zu reisen, der Ritterschaft nach. Nun rüstete sich Albrecht aus dem Land zu reiten und nahm mit sich Marquart von Altstetten, den Sohn Jakobs von Altstetten, der als ein frommer Mann seine Güter verwaltete. Sie ritten in das Königreich Portugal, kamen zu Hof, da fand Albrecht den Oswald von Hatstadt, der sagte ihm, wie einer von Wolffegk da gestorben wäre, der bei seinem Vater gewesen und der hätte mit sich gebracht seinen Schwestersohn Arbogast von Andelon, den hätten die Heiden gefangen oder getötet. Nun bat Albrecht den Oswald, daß er niemand sagte, wer er wäre und ihm des Landes und des Hofes Sitten sagte. Das sagte er ihm zu, er wolle das mit ganzem Willen tun und half ihm an den Hof. Nun war Graf Albrecht ein weidlich starker Mann und was man tät zum Schimpf oder zu Ernst, so wollte er allweg einer sein. Eines Tages, da ging der König und die Königin Elisa mit ihren Frauen und Jungfrauen in den Garten und in das Zuckerfeld spazieren, da sprach die Königin zu Graf Albrecht: »Ach ihr Deutschen, daß Euch Gott und allen Deutschen Heil gebe!« – Und er seufzte gar inniglich dazu. Graf Albrecht fiel auf seine Knie und dankte ihr als seiner gnädigen Frau, und wo er zu ihr ging und wo er sie und sie ihn ersah, so seufzte sie gar inniglich. Das nahm Graf Albrecht wahr und fügte sich einmal zu ihrer liebsten Jungfrauen, hieß Amisa und bat die zu erfahren, ob die Königin ein Mißfallen an ihm hätte, so wollte er nicht mehr an den Hof gehn. Die Jungfrau sagte es der Königin wieder. Die antwortete: so er käme zu Abend, wo nicht viel Leute[201] um den Weg wären, da wollte sie ihm sagen, was ihr anliege. Die Jungfrau sagte es Graf Albrecht, der kam wie ihm geheißen war, sie empfing ihn gnädiglich und sprach: »Was Uns an liegt, das wollen Wir Euch sagen als einem frommen Deutschen und daß Ihr Uns helfet und ratet«, und hob an und sagte ihm, wie ein Deutscher bei ihr gewesen wäre, den sie zum Teil erzogen hätte, der von den Heiden gefangen und hinweg geführt und niemand wüßte, ob er lebendig oder tot wäre, und bat ihn um Hülfe und Rat, ob er ihr möchte gehelfen, daß sie inne würde, wie es um ihn stehe, so wollte sie ihm geben Zehrung und was dazu gehörte, und demnach hoch darzu danken und das zu guten Gnaden nimmermehr vergessen, doch müßte alles ganz heimlich sein.

Das sagte ihr Graf Albrecht zu und bat den König, daß er ihm erlaubte zu dem heiligen Grabe zu ziehen, denn er eine Fahrt dahin schuldig wäre. Der König gab die Erlaubnis, des war er gar froh und sagte es der Königin, die gab ihm Zehrung und was ihm not war. Also bereitet er sich, reiste hinweg, nahm mit sich den von Altstetten und einen Knecht, so kam er glücklich gen Rhodus. Da hatte er einen Freund, einen Grafen von Pfirt, zu dem kam er und sagte ihm, warum er gekommen wäre. Da sprach sein Freund: »Ich weiß wohl einen Gefangnen, der ist ein Deutscher, der will niemand sagen, wer er sei, weder seinen Taufnamen noch sein Geschlecht nennen, und ist zumal ein hübscher junger Knabe.« Da bat er seinen Freund, daß er ihn zu ihm brächte. Das tät er und führt ihn zu ihm. Da bat er ihn, daß er ihm einen geschickten Maler senden wolle, der ihn abmalte. Das geschah, ein Maler ward gesandt, der malte ihn eben gleich nach seiner Gestalt und nach aller Gliedmaß. Also nahm er das gemalte Tuch und machte sich förderlich wieder auf den Weg gen Portugal. Und da er kam und sein die Königin inne ward, da war sie gar froh und sandte nach ihm, daß er ohne alles Verziehen zu ihr käme. Das tat er gar behend. Da sprach die Königin: »Saget Uns, wie es Euch ergangen sei und was Ihr Uns geschafft habet?« – Er antwortete und sprach: »Ich bin gesund wiederkommen durch Gottes Gnade, aber der von Altstetten ist tödlich krank worden, doch so hab ich ihn mit mir hergebracht.« Da sprach sie: »Hat er kein ruhig Gemach; und was ihm anliege und Notdurft sei, das soll er Uns sagen, das wollen Wir ihm genug schaffen«; und sprach, »was habet Ihr erfahren, oder[202] was seid Ihr innen geworden?« Da sprach er: »Gnädige Frau, ich habe Euch ein Gemälde bracht, ist es ihm gleich, so hoffe ich gute Mär zu bringen.« Da sprach sie: »Zeigt her!« das tät er. Alsbald sie es ansah, da ward sie von Freuden rot und darnach bleich und sprach: »Wo habt Ihr das Gemälde genommen?« Da sagte er ihr alle Ding und sie sprach: »Ist er noch am Leben, so will ich mein Leben wagen und zu ihm kommen, möchtet Ihr mich dazu bringen, ich wollte wohl groß Gut und Kleinodien mit mir hinwegbringen.« Da sprach er: »Gnädige Frau, was ich mit Ehren tun mag, darum will ich meinen Leib und Gut wagen.« Da sprach sie: »Denkt dem nach, das will ich auch tun und kommt morgen um die Zeit wieder zu mir.«

Also nahm er Urlaub, und ging wieder von ihr und kam zu seinem Diener, dem von Altstetten, und sagte ihm die Dinge und was ihm die Königin entboten. Damals war Sankt Bernhards Orden erst angefangen in der Christenheit, der König hätte ein Kloster bauen lassen für siebzig Mönche, das nahe am Meere lag. Nun sprach der von Altstetten: »Ich weiß einen guten Weg, ich will begehren, daß man mich in das Kloster lege in eine heimliche Zelle, darin ich Ruhe haben möchte, und wenn das geschehn, so geht zur Königin und redet mit ihr, ob sie mit Euch wolle hinwegfahren; wollte sie das tun, so wüßtet Ihr einen Weg, wie sie gut davon kommen möchte.« Also ward der von Altstetten in das Kloster geführt und lag manchen Tag da, unterdessen kam Graf Albrecht zur Königin, was ihr Wille wäre. Da sprach sie: »Ich habe mich bedacht, daß ich mit Euch hinweg will, und meine Jungfrau Amisa mit mir nehmen.« – Die rüstete sich mit ihr hinweg zu kommen, was ihm viel Freude machte, denn er sie gern sah; also ging er mit ihr zu dem von Altstetten und fragte, wie er es anfangen wollte. Da sprach der von Altstetten: »Gar wohl mein Rat ist, Ihr sollet Urlaub nehmen von dem König, sprechend, ich sei tödlich krank, Ihr wolltet mich heimführen in meine Luft, denn die Ärzte rieten es, ich würde sonst nicht genesen. So wollen wir dann ein gut Schiff bestellen, das mit Leuten wohl besetzet sei und förderlich gut fahre. Wenn es so zugerüstet, soll die Königin eine Weile vor Tag kommen und bringen, was sie mit sich nehmen will, in mein Gemach, so wollen wir in das Schiff sitzen und hinweg fahren, und ehe man dessen inne wird, so wollen wir schon ferne weg sein, daß[203] wir wohl sicher sind mit Gottes Hülfe.« – Das gefiel Graf Albrecht wohl, und ging zu der Königin und sagt ihr das; da gefiel es ihr auch sehr wohl und sprach: Sie wolle es im Namen Gottes wagen! Und sagte es ihrer Jungfrauen Amisen und nahm zu sich unermeßlich viel Guts und viel hübscher Kleinodien. Graf Albrecht ging von Stund an zu dem König und nahm Urlaub von ihm. Der fragte, warum er von ihm wollte? Er hätte ihn gar lieb und ließe ihn ungern von sich! – Da sprach er: »Gnädiger Herr, die Ärzte sagen, der von Altstetten müsse sterben, man führe ihn denn in seine Luft, und ob sich's auch jetzt nicht anders machen will, so komme ich doch wohl wieder.« – Also gab ihm der König eine gute Zehrung und köstlich Tuch von Sammet und Seiden; er aber nahm Urlaub von allem Hofgesind, von den Jungfrauen und dem von Hatstadt und sagte keinem von den Dingen.

Also Morgens früh vor Tage kam die Königin mit ihrer Jungfrau und sie setzten sich in das Schiff und fuhren schon lange als die Sonne aufging, wo ihre Gewohnheit war aufzustehen und Messe zu hören. – Da kam ein Diener in das Vorzimmer der Königin und fragte, ob die Königin wollte Messe hören? Da sprachen die Jungfrauen, sie wäre noch in der Kammer und Amisa bei ihr, so bald sie aufstünde, wollten sie es sagen. Also wartet er noch eine Weile und kam dann wieder und sprach, daß man sie weckte, es wäre hohe Zeit, wie sie heute also lange schliefe. Da sprachen sie: »Wir haben sie heute noch nicht gehört, und dürfen sie nicht wecken.« Das sagte der Diener dem König, der sprach, er sollte wieder hingehn und sie lassen wecken. Das tat der Diener und hieß sie wecken, es hätte solches der König befohlen. Die Jungfrauen gingen hinein, und wo sie hinsahen und lugten, so sahen sie niemand. Da erschraken sie ohne Maßen sehr und wußten nicht, was sie tun sollten, schickten nach dem Marschalk des Hofes. Der Marschalk erschrak sehr und ging zu den andern Räten allen, und kamen überein, daß sie es dem König sagten. Und also gingen sie zu dem König und sagten es ihm, da erschrak er ohne Maßen sehr und befahl, daß man alle finge, die zu ihr gehörten, Frauen und auch Männer, besonders alle Deutschen und Gäste, die an dem Hofe wären. Also ward Herr Oswald von Hatstadt auch gefangen, der doch nichts darum wußte, und besonders in ein Gemach beschlossen; denn die allgemeine Rede war von Stund an, die Deutschen hätten sie hinweggeführt.[204] Man schickte viel Volk zu Wasser und zu Land aus, ob jemand möcht erfahren, wo sie wäre und ging ihr Behältnis zu sehen, ob nichts mangelte, da waren die besten Kleinodien alle hinweg.

Jene fuhren indessen ungestört und kamen in kurzen Tagen nach Rhodus, wo sie von dem Grafen von Pfirt gar wohl empfangen wurden. Er führte sie in ein heimliches Zimmer und darauf nach einem Schloß, genannt zu der Schönehab, das er inne hatte. Als es Abend war, sprachen der von Pfirt und Graf Albrecht: »Wir wollen gehn zu dem Gefangenen und ihn fragen, wer er sei oder wie er heiße, und ihm drohen, wenn er es nicht sagen wollte, so müsse er sterben.« Also gingen sie zu ihm und fragten ihn, was Geschlechts er wäre und wie er hieße, und redeten mit ihm viel harte und drohende Worte. Er aber wollte ihnen keine Antwort geben auf all ihr Drohen, endlich fragte er: Wer sie wären? Da sprach der von Pfirt: »Ich heiße Graf Hans von Pfirt, und der, Graf Albrecht von Werdenberg.« Da ward Arbogast von Herzen froh und sprach: »Mein Vetter selig von Wolffegk, dem Gott gnädig sei, hat mich hereingeführt und ist aus dem Lande vertrieben worden um dem von Werdenberg nicht zu schaden. Nun schadet mir nicht, was ich gelitten, da ich zu frommen Herren gekommen bin, die meiner Gewalt haben. Ich heiße mit Taufnamen Arbogast, von meinem Geschlecht Andelon, mein Vater heißt Ruprecht von Andelon, ist Landvogt von Straßburg.« – Da saßen sie zusammen und redeten von mancherlei, und der von Pfirt sprach: »Wir wollen Euch für Eure lange Haftzeit ergötzen, und Euch zu schönen Frauen führen.« – Da sprach Arbogast: »Ich bin gelb und ungestalt und so ich mich auf das Schönste mach, so bin ich dennoch nicht gar wohlgestalt zu Frauen zu gehen.« – Also gingen sie von ihm und holten einen Barbierer, der ihm Rat tät. Da es nun Nacht ward und dunkel, da kam Graf Albrecht und führte ihn zu den Frauen, und er saß bei der Königin. Nun war es dunkel in der Kammer, da fragte er sie, ob sie Deutsch könnte; da sprach sie: »Nit vil!« – Da wollt er sie angegriffen haben; da sprach sie in ihrer Sprach: Er söllte die Hände bei sich behalten. Da gedachte er, wie redet sie meiner Frauen Elisa so gleich, und ward von Herzen traurig; und da gedachte sie auch, wie redet der meinem Arbogast so gleich. Da waren sie lange still; endlich sprach er: »Wie ist es so still hier«, und legte sein Haupt in[205] ihren Schoß, sie aber mochte es ihm nicht verbieten, weil ihm die Tränen von den Backen herabrannen. Da sprach der Graf Albrecht: »Wohlauf, wir wollen hinweggehn«, und ging mit Arbogast in sein Gefängnis. Da sprach Amisa zur Königin: »Wer war der, der bei Euch gesessen?« – Sie sprach: »Ich weiß nicht, wohl redet er meinem lieben Arbogast so gleich, daß mir gleich an meinem Herzen weh ist worden.« – Also sprach Arbogast zu Graf Albrecht: »Ach lieber Herr, wohl redet die Frau meiner gnädigen Frauen so gleich, daß mir gleich an meinem Herzen weh ist worden.« – Der aber sprach: »Ist dir erst weh worden, ich meinte, ich wollte dir eine lange Zeit kurz machen.« – Da sprach Arbogast: »Ich fürchte sie immer, die ich meine, weil ich gefangen bin.« Da sprach Graf Albrecht: »Gott ist aller Gnaden!« – Und morgens früh kam Graf Albrecht zu Elisa: »Sitzet an das Fenster und sehet dort hinüber in jenes Gebäude, und wenn ich dann zu Euch komm, so sagt mir, was Ihr gesehen habt.« – Dann ging er zu Arbogast und sprach: »Geh mit mir dort hinüber und sieh, was der Wirt für eine schöne Frau hab.« – Und da er hingegangen in den Hof und über der hohen Mauer sie an dem Fenster sitzen sah, da brannte er unter den Augen wie ein Feuer und sprach: »Wäre es möglich zu reden, es ist aber nicht und kann nicht sein, so ist doch die Frau einer Frau so gleich, daß ich gern einen leiblichen Tod wollte leiden, wenn sie es sein könnte.« – Da sprach Graf Albrecht: »Nun tu es um der Liebsten willen, die du habest, und sing mir eine Tageweis, so du meinst, die sonst deine Liebste von dir gehört hat.« – Und ging damit von ihm und kam zu Elisa und sprach: »Frau, was tut Ihr?« Da antwortet sie: »Da sitz ich und ist mir weder wohl noch weh. Lieber, lasset uns schier hinweg, daß ich komme zu meinem Arbogast.« »Frau«, sagte er, »wir wollen noch zween Tage hier ruhen und dann hinweg fahren. Frau, wen habt Ihr gesehen?« – Da sprach sie: »Eines hübschen Mannes Bild, wenn er nicht so bleich wäre, so sähe er meinem Arbogast gleich.« – Nun hörten sie ihn unten singen, wie er oft seiner Liebsten vorgesungen:


Hoch so wie die Sonne, steht das Herze mein,

Das kommt von einer Frauen, die kann treue sein,

Ihre Gnade, wo sie sei,

Die machet mich von allem Leiden frei.[206]


Hab ich ihr zu geben nichts als meinen Leib,

Der ist ihr lange eigen, und das schöne Weib

Gibt mir Freud und hohen Mut,

Gibt ihn jedem, der an sie gedenken tut.


Wohl mir des, daß ich sie also treue fand,

Wo sie nur wohnt, gefällt mir jedes Land,

Treibt sie mich auf wilde See,

Da fahr ich hin, mir ist nach ihr so weh!


Da sprach sie: »Er singt auch meinem Arbogast nicht ungleich, aber die Stimme ist tiefer. – Es ist ein Knecht in dem Hause.« Und dabei blieb es, bis der von Pfirt von einer Fahrt zurückkam, da wartete sein Graf Albrecht in der Nacht, da wollten sie mit einander von den Dingen reden, und kamen überein, daß er mit ihnen ging. Arbogast hatte indessen an Farbe und frohem Mut sehr gewonnen, sie gaben ihm die Kleider von Sammet und Seiden, die der König von Portugal dem Grafen Albrecht beim Abschiede verehrt hatte, und führten ihn zur Königin. Und da sie ihn ansah, da erschrak sie von Herzen vor rechten Freuden, desgleichen geschah auch ihm. Da fragte der von Pfirt, was das bedeute, und sie sagte ihm alle Geschichten und allen Handel, wie es ergangen war, und zuletzt bot sie Arbogast ihre Hand an, und hätte ihn gerne zur Ehe genommen. Der aber sprach: »Nein, das wolle Gott nimmermehr, daß ich Euer Gnaden solche Unehr erzeigte, ich bin anderen untertan, dieser aber ist ein wohlgeborner Graf von Werdenberg, und mein Erretter, den sollt Ihr nehmen und mag ich's an Eurer Gnade und an ihm gehaben, so gebet mir zum Gedächtnis Amisen.« – Die Königin und der Graf Albrecht waren über diese Rede sehr erschrocken, auch Amisa, die dem Grafen zu Liebe mitgefahren war. Da sprach der von Pfirt, nachdem er das alles erfahren: »Arbogast hat wohl recht, daß es Euer königlicher Vater nie vergeben würde, so Ihr Euch einem Diener zur Ehe gegeben, auch würden Eure Brüder, Graf Albrecht, Euer Erbe streitig machen, so Ihr ein gemeines Jungfräulein zur Ehe nehmen wollet, da denke ich nun, so es verschwiegen bleiben könnte, Ihr Königin Elisa gebet Euch aus für Jungfräulein Amisen, und Ihr Jungfräulein Amise gebet Euch für die Königin Elisa von Portugal, so könntet ihr zur Ehe nehmen, wer euch lieb wäre.« – Als das die Königin Elisa vernommen, ward[207] ihr ganzes Herz froh, sie gab ihren Namen und alle kostbare Kleinodien an Fräulein Amisen und der Kapellan des Grafen von Pfirt, Herr Hanns Heberlin gab sie auf Rhodus zusammen, und die Königin diente nun ihrem Jungfräulein, wie diese sonst ihr getan. Amise vergoß deswegen häufige Tränen, aber die Königin tröstete sie. Der Graf von Pfirt, und der von Altstetten führten die beiden Frauen nach Triest, allwo sie ihrer Männer warteten, die nach ihrem Gelübde gen Jerusalem wallfahrteten. Und als sie heimsuchten die heilige Stadt, wurden sie allda zu Rittern geschlagen und fuhren weiter zu Sanct Katharinas Grab auf dem Berg Sinai, wo sie viel Deutsche fanden. Da sie nun also ihre Kirchfahrt geendigt hatten und gerecht waren, da fuhren sie endlich mit großer Eile nach Triest, und fanden ihre Frauen in gutem Wohlsein, aber den von Altstetten tot und begraben in der Kapelle des Grafen von Görz, allwo noch heut zu Tage sein Helm und Schild zu sehen sind. In Salzburg lagen sie still und schickte Graf Albrecht eine Botschaft an den Jakob von Altstetten, der Vogt zu Werdenberg geblieben war, ließ ihm sagen, daß er eine Königin von Portugal brächte, die sein Gemahl wäre, das sollte er seinen Brüdern und Freunden zu wissen tun, daß sie ihm entgegen ritten, aufs beste sie könnten.

Da war der von Altstetten der Botschaft gar froh und wußte nicht, daß es sein Tod war, und tat wie ihm entboten. Also ward ihnen entgegen geritten wohl mit sechshundert Pferden und zweiunddreißig Frauenwägen. Als aber der von Altstetten seinen Herrn begrüßt hatte, fragte er nach seinem Sohne und als er seinen Tod vernommen, ist er auch tot vom Pferde gefallen, daß aus dem Hochzeitzuge ein Leichenzug wurde. Auch zogen die Grafen von Rotenfahn, dieweil sie alle zur Hochzeit waren, in die Grafschaft ein und brannten und raubten, wurden aber durch Arbogast von Andelon in die Flucht geschlagen, der dafür einen Teil ihrer Besitzungen überkam. Da besuchte ihn sein Vater Ruprecht, und alles war in großer Freude und Elisa, die jetzt Amisa hieß, gebar ihm drei Kinder, das erste nannte er Albrecht, das zweite Arbogast, und das dritte, war eine Tochter Elisa; er kam in große Würdigkeit, Ehre und Gut, denn er vernünftig war, fromm und keck.

Graf Albrecht hörte, daß die Deutschen noch im Gefängnis lägen im Lande Portugal wegen seiner Flucht. Er hatte einen Sohn von Fräulein Amisen, (die Elisa genannt,) der hieß Hans und als er neun[208] Jahr alt war, schickte er ihn in das Land gen Portugal seinem vermeinten Schwiegervater zur Versöhnung. Und ließ ihm sagen, er hätte ihm den liebsten und größten Schatz gegeben, den er und sein Gemahl auf dieser Erde hätten, nur daß er seiner Ungnade abließe. Als der König das hübsche Kind ersah, da ward er fröhlich und schrieb ihm ein Geleit, und dieser Knabe solle Erbe von ganz Portugal sein. Also machte sich Albrecht auf und fuhr zu ihm und erzählte ihm, nachdem er seiner Gnade gewiß, wie sie hinweggekommen und daß keiner darum gewußt hätte. Der König aber sagte, daß die Deutschen drei Monat im Gefängnisse gelegen, dann aber jedermann ledig gelassen ohne den von Hatstadt, der läge noch, der wäre gezeihet, daß er zur Flucht geraten und müsse im Gefängnis sterben. Das lag nun Graf Albrecht hart an. Des Morgens schickte der König nach ihm, also kam er und da er zu dem König einging, fiel er auf seine Kniee und bat, daß er ihm vergebe, so er ihn einst erzürnet. Der König antwortete: »Einer, der meinet ein Frommer zu sein, soll einem andern nicht seine Ehre und Gut entfremden, unbewahrt, dieblich bei Nacht und Nebel.« Da sprach Graf Albrecht: »Eure Gnade vergesse Eures Zorns«, und erzählte wie großen Dank sein Vater an Arbogasts Vetter gehabt hatte. Da sprach der König: »Gott der Allmächtige will uns mit mancherlei strafen und mahnen, daß wir erkennen, wie er allmächtig sei.« – Er hieß den Knaben bringen. – Graf Hans ward gebracht. Da sprach der König: »Das ist meines und Eures Bluts; also will ich Gnade, Freundschaft und Liebe zu Euch haben und bittet, was ziemlich sei, das will ich Euch gewähren.« Da fiel Graf Albrecht auf die Kniee und dankte ihm hoch und vor Freuden gingen ihm die Augen über. Da sprach der König: »Ich will Euch geben eine Gab als ein Zeichen des Friedens, also daß Ihr und Eure Nachkommen diesen goldnen Ring mit einem Saphir am Helme tragen sollt.« Des dankte ihm Graf Albrecht gar hoch und von Herzen froh. »Nun tut Eure Bitte«, sprach der König. Da sprach Graf Albrecht: »So bitt ich Eure Gnade, daß Ihr mir wollet geben, daß ich Hans Oswald von Hatstadt ledig heim führe, denn er weder Rat noch Schuld an der Sache hat.« Des ward er gewährt, Graf Albrecht lag dem von Hatstadt zu lieb, weil er sein Landsmann, noch sechzehn Wochen still, bis er erstärkt und der Luft gewohnt war. Da führt er ihn heim und hatte ihn bei sich bis an seinen Tod. Seinen Sohn Graf Hans, mußte[209] er aber bei dem König von Portugal zurücklassen, der ihn zum Erben eingesetzt hatte, er ward aber nur vierzehn Jahr alt, liegt im Bernhard-Kloster begraben, und ist noch heut zu Tage der Helm mit dem Ringe an dem Grabe zu sehen, als mancher Landfahrer gesehen hat und noch sehen mag.[210]

Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Romane und Erzählungen. Bde. 1–3, Band 2, München 1962–1965, S. 198-211.
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