15.

[312] 1.

Ich laß ihn nicht, der sich gelassen Um mein verschertztes heil herab. Er der einmahl mich wolt umfassen, Muß meine seyn biß in das grab, Ob mir die welt gleich viel verspricht, Zu brechen meiner liebe pflicht, Ich laß ihn nicht.


2.

Ich laß ihn nicht, der mich erworben, Den werb ich mir, ich sein, er mein, Der für mich ist am creutz gestorben, Deß will ich auch im sterben seyn, Was schreckest du du höll-gesicht, Was lockest du du welt-gedicht, Ich laß ihn nicht.


3.

Ich laß ihn nicht, der mich nicht lässet, Deß nam mir süsser ist als öl, Der seelen brünstig mich umfasset, Den fasset wieder meine seel, Was allen zucker übersticht, Das ist mein süßes Gottheitlicht, Ich laß ihn nicht.


4.

Ich laß ihn nicht, mich mag verlassen, Der breiten erden pracht und macht, Der meine seele nicht kan hassen, den nehm ich mit zur todes-schlacht, Er nimmt mich wieder zu dem licht, Das in dem himmel neu anbricht, Ich laß ihn nicht.


5.

Ich laß ihn nicht, will Jacob werden, Er habe denn gesegnet mich, Und müßt ich drüber von der erden, Mein glaube zieht ihn doch an sich, Ob mir gelenck und hüfft zerbricht, Und gar vergehet mein gesicht, Ich laß ihn nicht.


6.

Ich laß ihn nicht, wenn ich diß leben Und dieses gantze lassen soll, Wo er, da will ich gleich auch schweben, Es mag mir gehen wie es woll, Wie eine klette klebt und sticht, So ist mein sinn auff ihn gericht, Ich laß ihn nicht.
[313]

7.

Ich laß ihn nicht, kommt nur ihr plagen, und setzt mein wesen auff die prob, Mein creutz ist sein, er hilfft mir tragen, so sing ich ihm dafür ein lob, Er bleibet meines heiles licht, Ob gleich die unglücks-nacht anbricht, Ich laß ihn nicht.


8.

Ich laß ihn nicht, was wilt du sünde, Du liegst im tieffen meer versenckt; Was wilt du schwartzes höllen-kinde, Dein schedel ist dir abgekränckt, Dein stachel, tod, mich nimmer sticht, Mein Jesus alles mir verspricht, Ich laß ihn nicht.

Quelle:
Gottfried Arnold, München 1934, S. 312-314.
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