Wie es den Spiegelschwaben nach bayerischer Kost gelustet, und wie sie ihm schmeckt.

[177] Wenn ein Bayer in ein Wirthshaus kommt, so verlangt er vor Allem Bier; ein Schwab aber will vorher essen, und dann erst trinken; wie's auch natürlicher ist. Von jener seltsamen Gewohnheit der Bayern erzählt man sich aber außer Lands eine possirliche Geschichte. Es habe[177] einmal, sagt man, ein Bayer von einer Fey erhalten, daß er drei Wünsche thun dürfe, die sie ihm erfüllen wolle. Da habe er sich zum ersten gewunschen: ein Bier; dann habe er sich zum andern gewunschen: ein Paar Bratwürstel; endlich, nachdem er sich noch eine Weile besonnen, habe er sich zum dritten und letzten Mal gewunschen: Bier gnue'. Also ist auch die Gewohnheit den Bayern geblieben, bis auf den heutigen Tag. Die Schwaben aber, wie gesagt, wollen zuerst essen, und zwar g'nug essen. – So that denn auch der Spiegelschwab beim Glockenwirth zu Landsberg. Die Wirthin, eine Schwäbin, von Lametingen, fragte den Landsmann: »was wender?« Der Landsmann fragte entgegen: »was hender?« Jene drauf: »Ein Brenntsüpple oder Leberspätzle.« »Was noch?« »Wenn's Euer Beutel vermag,« sagte die Wirthin, »meine Kuchel vermag Alles. Frümmet nur an! Wender eppe einen Bettelmann?« »Nein,« sagte der Spiegelschwab unwillig. »Oder wender eppe Hasenbollen?« »Warum nicht gar Bärendreck!« »Oder wender sonst eppes von Knödeln, Nudeln oder Kücheln, oder einen Gogelhopf?« »Das alles kann ich auch zu Haus haben im Schwabenland; jetzt aber bin ich im Bayerland, und ich will bayerische Kost verkosten.« Drauf die Wirthin: »So könnt Ihr denn erstens haben ein Süpperl mit Schneckerl oder Nockerl; Ihr könnt zweitens haben einen Semmel-, Zwespen- oder Hollerrötzel; Ihr könnt drittens haben Dampfnudeln, bayerische, mit Hutzeltunk; Ihr könnt viertens haben bayerische Rübeln oder bayerisches Pulver; Ihr könnt fünftens haben ein Fotzmaul – –« »Bringt mir ein Fotzmaul,« sagte der Spiegelschwab. Das ist denn auch geschehen, und es war zwar gemein das Essen, aber gut.


Nudeln und Nocken, Sterzen und Blenten,

Sind der Bayern vier Elementen.


Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 177-178.
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