Actus secundus.

[2195] Kommen Dietrich vnd Rollus mit eim grosen geschrey geloffen.


ROLLUS sagt.

Nun hör auff, wenns anderst ist gnug!

Kein Mensch mich mein tag also schlug

Vnd ich hab dir kein Leid gethan.

DIETRICH sagt.

Bin ich ein HurnKind, so zeig an,

Vnd von wem du es hast vernommen!

ROLLUS sagt.

Es ist mir auß meim maul nie kommen.

Der Müller aber sagen thet,

Ein Schelmen jhr mich gschmehet hett

Vnd man hett mein Vatter ghangen,

Also wers auch meim Bruder gangen.

Das selbig wolt auß führen ich.

DIETRICH sagt.

Ich hab kein schelm gscholten dich.

So ist mir auch nie ingedencken

Von deins Vatters vnd Bruders hencken,

Wie ich dann kein wort weiß davon.

ROLLUS sagt.

So hat vns also ghetzet an

Der Müller; dem wöll wirs nit schencken,

Den schelm selber lasen hencken.

Wir wollen jhn vor dem Schultheiß verklagen

Vnd nicht mehr dencken an das schlagen,

Weil wir darzu seind worden ghetzt.

Es sol an jhm auß gehn zu letzt.


[2195] Sie lauffen ab, kommen zur andern seiten wider rein.


DIETRICH sagt.

Der schelm bat sich gedrehet auß.

ROLLUS sagt.

Ja, er ist je nit in seim Hauß.

Iedoch so laß ich gar nit ab,

Biß ich den Hudler gfunden hab.


Kommt Jahn, hat sich wie ein alt Weib verkleid, geht an einem Krücklein.


DIETRICH sagt.

Mein liebe alte, thu mir verjehen!

Hastu nit den Jahn Müller gsehen?

JAHN MOLITOR in einer alten Frauen gstalt sagt klein.

Jahn Müller? was soll ich jhn gsehn han?

Was Teuffls hab ich mit jhm zu than?

Fragt ander Leut, die wissen drum!

ROLLUS sagt.

Ey liebe alte Mutter, kum!

Ich kenn ein wol, den will ich fragen.

Was gelts? er wirdts vns gar balt sagen.

JAHN in gestalt einer alten Frauen sagt.

Ja, wenn er das kan, so ists viel.

Derhalb ich auch mit euch gehn wil.


Sie gehn alle ab. Kompt Leudegast, der Fürst, mit Francisco vnd Elemaus, setzt sich vnd sagt.


Es kombt mir zwar gar seltzam für,

Das allein zu hauß kommet jhr

Vnd last mir auß mein liehen Sohn,

Den ich euch hoch befohlen han,

Das jhr ja sollet bey jhm bleiben.

Last vns an alle örtter schreiben,

Das ich erforsch, wo er hin kum!

Dann jhr brecht mich sunst mit jhm vmb.

Das wer mir ein traurigs gejäid.

FRANCISCUS sagt.[2196]

Es ist vns gar ein treulichs Leid,

Das er so von vns kommen soll.

Ein Hirschen hett wir im gestell,

Den wolt der junge Fürst selbst bürschen

Vnd wird verlorn mit sambt dem Hirschen.

Dem macht wir nach ein Jägergschrey,

Bliesen vnser Hörner dabey,

Vermeinten, er solt wider kehrn.

So kond wir jhn nicht sehen noch hörn.

Doch seind wir nicht verzaget gar,

Weil wir wusten, das bey jhm war

Sein LeibJung, der geht da herein.


Famulus geht ein.


DER FÜRST sagt.

Wo lestu dann den Sohne mein?

Wie hats euch auff der Jagt ergangen?

FAMULUS sagt.

Ach weh! der jung Herr ist gefangen.

Als er nach Jaget einem Hirschen,

Den er wolt auß seim gschoß erbürschen,

Hat sich derselbig Hirsch verlorn

Vnd sind wir in dem Walt jrr worn,

Weder Hund noch Jäger hörn kunden.

Als wir gleich in gedancken stunden,

Stieß vns ein Weib auff vnd ein Mann,

Der selbig grieff vns kecklich an,

Wolt, wir selten vns gfangen geben,

Vnd betroht vns gar hart darneben.

Wir aber grieffen zu den Wehrn,

Wollen jhn von vns mit abkehrn.

So hett er in der band ein stab,

Ein klein streich auff die Wehr vns gab:

Da kond wir keine ziehen auß

Vnd kam vns an ein solcher grauß,

Das wir vns musten geben gfangen.

Vnd als er vns hart troht nach langen,

Hat er mich meins wegs heisen gahn

Vnd hat bhalten eur Gnaden Sohn.[2197]

Also hat sich all sach zutragen.

LEUDEGAST, DER FÜRST sagt.

Ach du böß vnglückliches Jagen!

Wie übel kombstu mir zu Hauß?

Vnd wenn ich wer gezogen nauß,

So wer es mir auch also gangen.

Wie sol ich nun mein sach anfangen,

Das ich mein Sohn wider erlöß?

Ludolff der meints gegen vns gar böß.

Ist ers, der mein Sohn hat bekommen,

So wird jhm gwiß das leben gnommen.

Darumb so dörff wir feyern nicht.

ELEMAUS sagt.

Es ist ein seltzame geschieht,

Davon nicht gut ist vil zu sagen

Vnd doch hochnötig zu Rathschlagen,

Wie man alle sach fang klüglich an.

LEUDEGAST sagt.

So kombt! last vns reden davon!

Lang daher stehn ist wenig nutz.

Meim Sohn dem müß wir suchen schutz.


Sie gehn alle ab. Kompt Ludolff, der Fürst, mit seinem stab vnd sagt.


Ietzt hat sich das glück wider gwend

Vnd ich hab mein Feind in der hend.

Dem will ich jetzund hart gnug sein.

Schau! was kompt da für gsind herein?


Kommen Dietrich vnd Rollus mit Jahn Molitor in Weibskleidern.


DIETRICH, DER SCHUSTER sagt.

Gnediger Herr, wir bede hetten

Mit euch etwas heimlichs zu reden.

Weil mirs nicht können erfahrn sunst,

So helfft vns mit eur Zauberkunst!

Wir wölln euch gern reichlich lohnen.

Ein Müller thut naht bey vns wohnen,[2198]

Der hat vns zugfügt grose schmach.

Zu dem wir haben schwere klag,

So lest er sich daheim nit finnen

Vnd duncket vns in vnser sinnen,

Die alte Frau wiß, wo er sey.

JAHN MOLITOR in gestalt eines alten Weibs sagt.

Nein ich weiß nit, bey meiner treü.

So weiß ich auch nicht, wer er ist.

LUDOLFF, DER FÜRST schüttelt den Kopff, legt jhr den stab auff den Kopff vnd sagt.

Ein rechte lose Hur du bist.

Ich kenn dich wol, du loser dropff!

Thu mir den stauchen von dem kopff!

So wöll wir balt den Müller finnen.


Er schlecht jhm den stauchen mit dem stab vom kopff, so ists der Jahn Molitor.


DIETRICH sagt.

Nun kombst nit lebendig von hinnen.

Wir wölln dich straffn nach vnsern sinnen,

Das durch dich nicht werd, als vorhin,

Ein guter Mann bracht in vnraht.

JAHN MOLITOR sagt.

O Herr Zaubrer, ich bitt vmb gnad.

Eur Kunst ist besser, als die mein.

LUDOLFF, DER FÜRST sagt.

Was begert jhr denn für ein pein,

Das ich sol jhm anlegen fluchß?

ROLLUS sagt.

Herr Zaubrer, macht jhn zu eim Fuchß,

Das er fort nicht sey so vermessen!

JAHN MOLITOR sagt.

So wolt ich dir dein Hüner fressen

Vnd noch mehr vbls, als jetzo, than.

DIETRICH sagt.

Herr Zauberer, wenns der Herr kan,[2199]

So mach der Herr ein Esel auß jhm!

JOHAN MOLITOR sagt.

Mein Närrischer Schuster, so vernim!

Wenn du zum Esel machest mich,

So wolt ich gar verderben dich,

Das in dem Land Küh, Pfert vnd Schwein

Müsten lauter Esel werffen allein.

Der Heut zeucht man nur auff die Drummen:

Wo wolstu Narr Leder bekummen?

Was gelts? ich wolt dirs Esels geben.

DIETRICH sagt.

Ey so last jhn ein Menschen leben

Vnd straffet jhn nach eurem sinn!

LUDOLFF, DER FÜRST sagt.

Deß selben ich schon willens bin.

Im Walt soll er hie bey mir bleiben

Vnd, das keine löffley nit treiben

Mein Tochter vnd der Engelbrecht,

Soll er auff sie acht haben schlecht

Vnd mir dasselbig zeigen an.

Glob mirs balt an, dastus wilt than!


Er globt an vnd sie gehn alle ab. Sidea bringt den Jungen Fürsten Engelbrecht gar übel bekleid, der tregt etliche klötz holtz vnd ein holtz hacken, legt sie nider.


SIDEA throt jhm mit dem stab vnd sagt.

Balt keil du mir das Holtz zu scheiten,

Wiltu anderst die streich nit leiden!

Du bist ein rechter fauler Hund.

ENGELBRECHT fellt jhr zu fuß, hebt die hend auff vnd sagt.

Ach ich bin kranck von hertzen grund

Vnd weis mir nicht weiter zu gehn,

Noch einiger Arbeit vorzustehn,

Dann ich bin außgemergelt matt.

Mein gantzer Leib kein krafft mehr hat.

Besser ists, ich werd erschlagen,[2200]

Dann täglich solchen last zu tragen

Vnd solche schwere arbeit zu than.

Ich bitt, so hoch ich bitten kan,

Erschlaget mich folgents zu todt!

SIDEA sagt zun Leuten.

Wie wol in groß vnglück vnd noth

Sein Vatter bringt den Vatter mein

Vnd mich, sein Fürstlichs Fräuelein,

Das wir hetten vrsach zur Rach.

Doch, wenn ich denck den sachen nach,

So ist er auch Fürstlich geborn

Vnd an vns gar nicht schuldig worn.

Darumb er, die warheit zu melden,

Seins Vatters nit hat zu entgelten.

So ist er ein solche Person,

Dem ich schön halb nicht feind sein kan.

Vnd wenn ich gleich solcher gestalt

Lang bleiben müst in disem Walt,

Was hett ich lust vnd freud dabey?

Wenn er mir wolt erweisen treu

Vnd mich behalten zu der Eh,

Wolt ich jhm helffen auß noth vnd web.

Ich wils jhm heimlich zeigen an.


Sie geht zu jhm vnd sagt.


Mein Engelbrecht, was wolstu than,

Wenn ich dir deiner Dienstbarkeit

Zu wegen brecht jetzt ein freyheit

Vnd dich als dann nem zu der Eh?

ENGELBRECHT fellt nider zu fuß vnd sagt.

Ach schweigt! verstürtzt ich gar vergeh.

All lebendig Götter diser Erden

Können nicht machen, das war mög werden.

Wenn aber das war werden künd,

Mein sach zum aller besten stünd.

Ja ich wolt mich eur Lieb ergeben

Zu dienst mit Leib vnd auch mit Leben[2201]

Vnd euch zu einer Fürstin machen.

SIDEA sagt.

Dörfft ich dir trauen in den sachen

Vnd du wilt dem so kommen nach,

Mir mit der Hand vnd Mund zusag!

So will ich ferrners reden mit dir.

ENGELBRECHT sagt.

Ja, dasselb solt jhr trauen mir

Vnd jhr solt auch mein Gemahl sein.


Sie geben die hend aneinander.


SIDEA sagt.

Bistu denn mein?

ENGELBRECHT sagt.

Ja.

SIDEA sagt.

So bleib ich dein.

Die Götter bleiben mit vns beyden!

Nun sol vns nichts als der todt scheiden!

Vnd das du meinen ernst auch spürst,

Zih ich mit dir, wo du mich hinführst.


Sie trucken einander; kompt Runzifall, der Teuffel, vnd sagt.


Sidea, disen deinen anschlag

Ich deinem Vatter strachs ansag,

Dann es will sich gar nicht gebürn,

Das du dich lest von hinnen führn.

SIDEA nimbt jhrn stab, schlegt jhn mit auffs maul, der deut, er könn nicht reden, vnd geht traurig ab; als dann spricht sie.

Also kan vns der Geist zu schaden

Bey meinem Vatter nicht verrahten.

So können wir all bede sand

Dieweil kommen auß disem Land.


Sie gehn ab. Kompt Ludolff, der Fürst, mit Jahn

Molitor, ist gar zornig, schlegt den Jahnnen mit dem stab auff den kopff vnd sagt.


Wo ist Sidea? sag mir balt![2202]

JAHN MOLITOR sagt.

Ich weis nit; ist sie nit im Walt,

So ist sie bey dem Engelbrecht.

LUDOLFF sagt.

Bistu nicht mein Leibeigner Knecht,

Der achtung auff sie haben sol?

JAHN MOLITOR sagt.

Ja, ja; dasselbig weis ich wol.

Aber, Gnediger Herr, jhr sein zwen

Vnd sagn mir nicht, wo sie hin gehn.

Drumb weis ich gar nit, wo sie sein.

LUDOLFF sagt.

Das sol dir kosten das leben dein.

Drumb zih hin vnd such, wo sie sind!

Vnd wirstu sie nit bringen gschwind,

So schlag ich dir ab deinen grint.


Jahn Molitor kratzt sich im kopff vnd gehn ab.


Quelle:
Jakob Ayrer: Dramen. Band 4, Stuttgart 1865, S. 2195-2203.
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