1. Akt

Actus primus.

[2185] Kompt Jahn Molitor, ist sehr staubig von Meel, lacht vnd sagt.


Ein Mühl, die da Wassers gnug hat,

Das es kan treiben nur drey Raht,[2185]

Kan sich des nutzens nicht erwehrn

Vnd wol ein faulln Müller ernehrn

Beydes mit Weib vnd auch mit Kind

Vnd mit all seinem Haußgesind,

Dann kein Ampt ist auff diser Erd,

Wers übel braucht, ist Henckens wehrt;

Vnd weil die Müller mützen gern,

Den Baurn die Seck zu gar weit lern,

So müssen sie jhr Dieb auch sein.

Das klingt vor den Leuten nicht fein.

Aber was ist daran gelegen?

Man thut doch als nur von Gelts wegen

Vnd wenn des Menschen lust nicht wehr,

O die Welt stünd jetzt nimmermehr.

Daher wird einer ein ankleger,

Der ander wird ein Hundtsschleger,

Der dritt ein Stattknecht oder Büttel,

Der viert ein Baur in seinem Küttel,

Der fünfft wird ein Schalck vnd Verrähter,

Der sechst ein Mörder vnd Vblthäter,

Der sibend ein Wuchrer werden thut,

Der acht hat ein leichtfertigen mut,

Der neund purgiret die privet,

Der zehend mit bösen schäden vmbgeht,

Der eylfft Peinlich sach exequirt,

Der zwölfft desselben lehrknecht wirdt

Vnd also fort durch alle Ständt.

So viel der tadelhafftig send,

Vnd die man scheulich acht darneben,

Dennoch thut man sich drein ergeben.

Das schafft allein die Lieb vnd lust.

Ich wer kein Müller werden sunst,

Wenn ich nit so wol hett gewist,

Was groser nutz beym Mühlwerck ist.

Ich mest all Jar etliche Schwein,

Kauffen von mir die Metzger ein,

Fragen nit, wo ichs hab genummen.

Guts Dreits gnug kan ich vberkummen,[2186]

Das ich nit als verzehren kan.

Ein gmesten Ochsen ich drinn han,

Den schlag ich mir jetzt in mein Hauß.

Ich mach Keß vnd rühr auch Schmaltz auß

Vnd hab mein bares Gelt darzu.

Allein das bringt mir groß vnruh,

Das ich Heur hab mein Weib verlohrn.

Wer sunst lieber ein Müller worn,

Als der best Doctor in der Statt.


Rollus, der Baur, geht mit Ela, seiner Tochter, ein, die tregt ein eingewickelts Kind.


ROLLUS sagt.

Sie da, El! dort steht der vnflat,

Dem wölln wir dein Kind heim tragen

Vnd, das er dich bhalt, zu jhm sagen.

Thut ers nit, so verklag ich jhn.

ELA sagt.

O laß vns nur balt zu jhm hin!


Sie gehn zu Jahn Molitor.


ROLLUS sagt.

Ey, Müller, da find wir euch recht.

Weil jhr mir habt mein Tochter gschwecht,

Die mit euch hat tragen ein Kindt,

So müst jhr euch erkleren gschwindt,

Ob jhr s' wolt wider zu ehrn bringen.

JAHN MOLITOR kratzt sich im kopff vnd sagt.

Ir sagt mir von seltzamen dingen,

Ich sol eur Tochter bringen zu ehrn.

Der gleichen Kunst thet ich nie lehrn,

Dann an ehrn mir selbst mangeln thut.

Ist eur Tochter gut, so bleib s' gut.

Ich bin des Kindes Vatter nicht.

ROLLUS sagt.

Ja, du Schelm! du hast jhrs zugricht,

Wil ich bey meinem Eyd erhalten.[2187]

JAHN MOLITOR lacht, deut auff den Bauern vnd sagt.

Schau einer den leichtfertigen Altn!

Der schwert da für die Tochter sein

Vnd glaubt, was sie jhm bildet ein,

Vnd er hats weder ghört noch gsehen.

ELA sagt.

Nein, es ist dennoch also gschehen

Vnd du laugnest so hart darfür.

Das Kind hab ich allein von dir.

Schaus nur! es ist ein schöns Söhnlein.

JAHN MOLITOR sagt.

Ists schön, so solts ein Mäidlein sein,

So gried es seiner Mutter nach.

Gebt mir ein bedacht heint den tag!

Als dann so will ich mich erklern.

ROLLUS sagt.

Ey gut! das wöll wir thun gar gern.


Sie gehn ein wenig auff die seiten, reden zusammen in die Ohrn. Jahn lacht. So kompt Dietrich mit Agnes, seiner Tochter, die tregt auch ein Kind.


DIETRICH geht zu jhm vnd sagt zornig.

Find ich dich hie, du ehrlicher Mann?

JAHN erschrickt, kratzt sich im kopff vnd sagt.

Ja, was hab ich dann dir gethan?

DIETRICH sagt.

Mein Tochter hast mir zschanden gmacht.

Da hab wir dir das Kind gebracht.

Das wird dir zu ziehen gebürn.

Auch so mustu gen Kirchen führn

Mein Tochter, bhalten zu der Eh.

JAHN MOLITOR sagt.

Deiner Tochter ich keins Kinds gsteh,

So hab ich sie auch nit genommen.[2188]

DIETRICH sagt.

Lestus für die Obrigkeit kommen,

So wirst wol sehen, was du gwinst.

Du must ins gfengknus auffs aller minst

Vnd dennoch bhalten die Tochter mein.

Ich will dir ein guter Schwer sein

Vnd hundert gulden geben darzu.

JAHN MOLITOR sagt.

Hundert gultn vnd wolt mir flicken die Schu,

Das ich euch nichts darff lohnen darfür.

Ein Weib ist not zu nemen mir,

Dann ichs mit meinen Mäid vnd Knechten

Nicht als kan erstreitten vnd fechten.

Aber verziecht ein weil hier innen!

Ich muß mich vor darauff besinnen.


Er geht abwerts, wo der Rollus mit seiner Tochter steht.


JAHN sagt.

Hört! was wolt jhr mir geben darzu,

Wann ich eur Tochter nemen thu

Zu eim ehrlichen HeüratGut?

ROLLUS sagt.

Wann jhr mein Tochter nemen thut,

Gib ich euch hundert galten mit jhr.

JAHN deut auff den Schuster vnd sagt.

O der beut hundert Thaler mir

Vnd hat mir noch verheissen darzu,

Vmb sunst zu nicken all mein Schu,

Vnd ist sein Tochtr schöner, als die.

ROLLUS sagt.

Wiltu zu Kirchen führen sie,

So gib ich dir ein guten zaler

Zu jhr anderthalb hundert Tahler

Vnd führ dir vmb sunst auß dein mist.

JAHN schmutzt vnd sagt.

Das alles dennoch gut mit ist.[2189]

Verziecht! ich muß nur etwas fragen.

Ich will euch balt gut antwort sagen.

JAHN lacht vnd sagt.

Wann sie nicht wölln höcher nauff,

So wird auß dem gebot kein kauff.


Er geht zu dem Schuster vnd sagt.


Hört jhr, mein Meister Dietrich!

Fürwar, eur Tochter ist nicht für mich.

Ihr gebt jhr zu weng HeüratGut

Der Rollus mir anbieten thut

Zwey hundert Thaler, das jhrs wist,

Vnd will mir auß führn all mein mist,

So lang ich vnd er thut leben.

DIETRICH verwundert sich vnd sagt.

Zwey hundert Gultn wil ich dir geben.

Ich meint, ich thet der sach genug.

JAHN MOLITOR sagt.

So habt noch ein kleinen verzug!

Ich wils gehn dem Rollus abschlagen.


Die zwey, der Schuster vnd sein Tochter, stosen die köpff zusammen; er geht zum Rollo vnd sagt.


Hört! mit eim wort wil ichs euch sagen:

Er will zwey hundert Thaler geben

Vnd mein Schu flicken, weil wir leben.

Nun ist sein Tochtr ein BurgersKind,

Die ehrlicher, als die Baurn, sind.

Darumb wil ich dieselben nemen.

ROLLUS sagt.

Ey, ich wolt mich in mein hertz schemen,

Das ich nit so gut, als er, wer.

Vil mag dir wol verheisen er;

Nicht weiß ich, wie er zahln wür.

Iedoch so will ich geben dir

Zwey hundert Thaler, wie vor gemelt.[2190]

JAHN sagt.

Zwey hundert Thaler ist vil gelt.

Nun hab ich zu bedencken frey,

Welche mir die nutzlichste sey.


Er geht wegk, vnd eh er zum Schuster kompt, sagt er.


Ich mag ebn der Hurn keine nit.

Ietzt wil ich machen ein vnfrid,

Das die zwen sollen vneins wern,

Vnd weil sie an einander bern,

Die weil so treh ich mich davon.


Er geht zum Dietrich vnd sagt.


Was sol ich mit deiner Tochter than?

Rollus sagt vnverholn vnd frey,

Das sie doch nur dein Hurnkind sey

Vnd du seist auch nit Ehlich geborn.

DIETRICH sagt zornig.

Des sey dem schelm ein Eyd geschworn,

Wolt er solchs ding von vns außgeben,

Es müst jhn kosten leib vnd leben.

Ich will jhm sein Leib Himlblau schlagen.

JAHN sagt.

Verzeich! ich wil jhn vor recht fragen.


Er geht zum Rollus vnd sagt.


Rollus, dein Tochter ich nit mag.

Geh! hör, was Dietrich von dir sag,

Du seist ein schelm, solst gedencken,

Man thet dir dein Vatter erhencken,

Auch hab man dir ein Bruder gricht.

ROLLUS laufft zum Schuster vnd sagt.

Du leugst, wie ein schelm vnd bößwicht.

Ey schweig! ich wil dich lernen lügen.

DIETRICH sagt.

Komb her! du solst deins Manns wol kriegen.


Sie schlagen einander. Jahn lacht, schlegt die hend zusammen[2191] vnd laufft ab; sie schlagen auch einander ab. Leudegast, der Fürst in der Wiltau mit Francisco vnnd Elemao, seinen zweyen Rähten, vnd seinem Sohn Engelbrecht (sein, auser deß Fürsten, wie Jäger staffirt) geht ein vnd sagt.


Weil jhr je nauß wolt auff das Jagen,

So wil ichs euch mit treuen sagen,

Das jhr gebt auff einander acht.

Ir wist, das der Feind stettigs wacht,

Solt der euch Wehrloß im Walt finden

Oder mit Waffen überwinden,

So leget er euch an groß leidt.

Darumb brauchet bescheidenheit

Vnd halt zusammen alle sander!

ENGELBRECHT sagt.

Wir lassen gar nicht von einander.

Hett sich einer verriten schon,

So kan er durch der hörner thon

Leichtlich auß der jrr werden bracht.

FRANCISCUS sagt.

Deß Ludolffs gwalt ich wenig acht.

Der hat kein Leut vnd Land nicht mehr,

Das man auff jhn darff sehen sehr.

Zu dem wer weiß, wo er vmb zeucht,

Vor vns in fleder Meußwinckl kreucht!

Er setzt sich gwißlich daher nicht.

ELEMAUS sagt.

Er kompt vns nimmermehr zu gsicht.

Seinthalb hat es kein mangel nit.

LEUDEGAST, DER FÜRST sagt.

Nun wol, so ziehet hin in frid!

Der Hirsch ist jetzund in der feist.

Secht, das jhr jhn abbruch beweist!


Sie gehn alle ab. Kompt Ludolff mit Sidea, hat ein weissen stab.


LUDOLFF sagt.

Mein geist thet mir heint offenbarn,[2192]

Das in dem Walt auffs gejäid wöll fahrn

Deß Hertzogen Sohn Engelbrecht.

Der soll mir kommen eben recht.

Den wil ich in dem Walt außspürn,

Fangen vnd der maß tribulirn,

Der gleichen keim zu vor ist gschehen,

SIDEA sagt.

Fürwar das wolt ich gern sehen.

Wann wir den Vogel kriegen theten,

Als dann wir gute hoffnung betten,

Wider zu bringen in die hend

Das gantz Fürstliche Regiment,

Vnd woltn jhn weidlich Rancionirn.

Vnd wolt er das leben nicht verlirn,

Müst er vns wider setzen ein.

LUDOLFF sagt.

Schweig nur! es sol sich schicken fein,

Dann ich wil mich kurtz an jhm rechen

Oder mich vnd dich selbst erstechen.


Er laufft mit der Tochter gantz traurig ab. Kompt Engelbrecht mit seinem Famulo, schreien erstlich im eingang.


Holla! holla! holla!


Als dann sie auffziehen, sagt Engelbrecht.


Wir sind weit kommen von der Strassen.

Wir schreyen oder die Hörrner blasen,

So gibt man vns doch kein antwort

Schau, schau! was gehn für Leut nur dort?

Sie lauffen warlich auff vns zu.

Darumb dich wol fürsehen thu!


Sie greiffen zu den Rappirn. Kompt Ludolff, der Fürst, mit der Sidea, hat in der ein hand ein blose Wehr, in der andern ein weisen stab vnd sagt.


Du Junger Fürst, balt gib dich gfangen!

ENGELBRECHT sagt.[2193]

Den Raub wirstu heut nicht erlangen.

Famule, stoß durch jhn die Klingen!


Sie wollen vom Leder ziehen. Ludolff schlegt mit dem stab auff die Wehr.


FAMULUS sagt.

Mein Wehr kan ich nicht herauß bringen.

Ich glaub, das sie bezaubert sey.

ENGELBRECHT sagt.

Ja, es ist lauter Zauberey.

Ich bin erlembt an beyden henden,

Kan mich nicht wol rucken vnd wenden.

Derhalb, weils nit kan anderst sein,

So muß ich sein der gfangen dein

Vnd dißmals deines willens geleben.

LUDOLFF sagt.

So thu mir deß dein treu balt geben,

Du lecker! aber balt troll dich wegk!

Oder ich tritt dich in den dreck

Vnd hau dir alle viere ab,

Das ich vor dir zu bleiben hab

Vnd das dich fressen Krahen vnd Raben.

FAMULUS sagt.

Ach weh! ein böse Jagt wir haben.

Gnediger Fürst, in grosem Leid

Ich zu dem mal von euch abscheid.


Famulus geht ab.


LUDOLFF sagt.

Ietzt bistu mein Leibeygner Knecht.

Wie mich dein Vatter wider recht

Hat getrieben von Leut vnd Land

Vnd auffgethan groß schmach vnd schand,

Also solstu geschieden sein

Von jhm vnd gantzer Landschafft dein,

Solst meiner Tochter Holtz tragen

Vnd alles, was sie dir thut sagen,

Solstu verrichten vnd volbringen.

Darzu solls dich mit schlegen zwingen[2194]

Vnd, wo sie klagsweis bringt für mich,

Das du wolst etwas weigern dich.

Als balt wil dich erschlagen ich.


Er stöst jhn zum abgang, schlegt jhn mit dem stab auff die Lend, also auch die Tochter, vnd gehn alle ab.


Quelle:
Jakob Ayrer: Dramen. Band 4, Stuttgart 1865, S. 2185-2195.
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